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Ende des britischen Immobilienbooms

Ingun Arnold16. Juni 2004

Der Immobilienmarkt in Großbritannien ist völlig überhitzt: Die Preise kletterten in den vergangenen Jahren unaufhörlich. Viele spekulierten auf schnelle Gewinne am Häusermarkt. Doch damit soll es bald vorbei sein.

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Schöner wohnen in England - ein sehr teures VorhabenBild: AP


Bessere Jobs, bessere Schulen, besseres Image, besseres Wetter: Es gibt viele Gründe, warum die Leute in Großbritannien lieber im Süden als im Norden wohnen - wollten, muss es gerechterweise heißen. Der Trend hat sich in den letzten Jahren umgekehrt. Die Briten ziehen um: Nach Nordengland zum Beispiel. Ein triftiger Grund sind die Immobilienpreise: Vergleichbare Häuser kosten im Süden immer noch wesentlich mehr als im Norden. Inzwischen wird der Preisunterschied jedoch immer kleiner.

Die Preisexplosion

Eine Analyse der Grundbucheinträge aus den Jahren 1995 bis 2003 und der jährliche House Price Index des Hypothekengebers Halifax zeigen: Die Durchschnittspreise für eine Immobilie in einer mittelgroßen Stadt (3000 bis 30.000 Einwohner) haben sich in den letzten neun Jahren nahezu verdoppelt. Es gibt allerdings auch Ortschaften, in denen sich Angebot und Nachfrage noch dramatischer entwickelten.

Beispiel Lymm: In der Kleinstadt zwischen Manchester und Liverpool war "Haus X" 1995 für nur 75.000 Pfund (112.000 Euro) zu haben. Heute müsste man für das gleiche Haus 229.000 Pfund (344.000 Euro) hinblättern. "Die Preise sind jetzt deutlich über dem, was die meisten Leute auf längere Sicht für tragfähig halten", sagte Mervyn King, Gouverneur der britischen Notenbank, am 14. Juni auf einer Expertenrunde in Glasgow.

Knappes Angebot, starke Nachfrage

Allein im April 2004 stiegen die Immobilienpreise landesweit um 4,5 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum kletterten sie um knapp 20 Prozent. Im Durchschnitt kostet ein Haus jetzt 158.000 Pfund (239.000 Euro). Die niedrigen Kreditzinsen der vergangenen Jahre und die Bereitschaft der Leute, sich für ihr Haus hoch zu verschulden, haben die Immobilienpreise stetig in die Höhe getrieben.

Schuld an der Preisspirale ist außerdem das extrem knappe Angebot an Immobilien im unteren Preissegment: Gemeint sind Reihenhäuser und Eigentumswohnungen um die 100.000 Pfund (150.000 Euro). In Großbritannien wird so wenig neu gebaut wie fast nirgendwo in der Europäischen Union. Und viele vermögende Haushalte leisten sich eine Zweitimmobilie als Wochenendhaus, Altersvorsorge oder Studentenbude für die Kinder. Für Neueinsteiger, die nach einem preiswerten "Ersthaus" suchen, ist so gut wie nichts zu finden.

Hot Spots kühlen langsam ab

Zum ersten Mal seit sechs Monaten steigen die Immobilienpreise derzeit jedoch nicht mehr ganz so hektisch. Das deutet der aktuelle Marktbericht (Juni 2004) der Royal Institution of Chartered Surveyors RICS, einem weltweit tätigen Berufsverband von Immobilienfachleuten, an. "Die Zinsspekulationen haben die Kaufaktivitäten leicht gebremst", erklärt RICS-Sprecher Ian Perry. "Und es ist denkbar, dass dieser Trend anhält." Analysten vermuten, dass sich der Immobilienmarkt demnächst langsam wieder auf Normalmaß heruntertemperieren wird.

"Es besteht durchaus eine Chance, dass die Immobilienpreise in den kommenden fünf Jahren um 30 Prozent fallen werden", prognostiziert Großbritanniens Top-Anlagenberater Tony Dye. "Aber noch will das niemand wahrhaben - die Eigentümer nicht und auch nicht die Kreditinstitute, die Baumärkte oder die Küchenstudios." Dyes Marktinstinkt und Urteilskraft ist gefürchtet (Spitzname: "Dr. Doom"), seit er relativ zeitnah den Crash der New Economy vorhergesagt hat.

Einen Totalzusammenbruch des Immobilienmarktes wie Ende der 1980er-Jahre wird es aber wohl nicht geben. Damals waren die Kreditzinsen innerhalb von drei Jahren von 7,4 Prozent (1988) auf 15 Prozent (1990) angehoben worden. Gleichzeitig gingen die Immobilienpreise um 50 Prozent in den Keller. Die Wirtschaft stagnierte, die Arbeitslosenzahlen kletterten auf Rekordniveau. Noch gehen die Experten von einer langsamen Abkühlung des Marktes aus. Aber je länger die Überhitzung anhält, umso größer ist die Gefahr des plötzlichen Zusammenbruchs.