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Ende einer Ära: Maradona geht

29. Juli 2010

Der umstrittene Maradona ist nicht länger Trainer der argentinischen Nationalmannschaft. Ausschlaggebend war nicht das vernichtende 0:4 gegen Deutschland bei der WM in Südafrika, sondern die argentinische Fußballkultur.

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Diego Amando Maradona, Ex-Trainer der argentinischen Nationalmannschaft, hält sich den Kopf (Foto: AP)
Bild: AP

Im Jahr 1986 sahen tausende argentinischer Kinder mit ihren Familienangehörigen, wie die Fußballmannschaft ihres Landes – das zu dieser Zeit die wirtschaftlichen Folgen des "Plan Austral" zu spüren bekam und sich rasant auf die Hyperinflation zu bewegte – zum Fußballweltmeister gekrönt wurde. Diese riesige Freude, die durch den wirtschaftlichen Mangel im Land nur noch überwältigender wurde, war ihnen vor allem von einem Spieler bereitet worden: Diego Armando Maradona. Er brachte ihnen während der Weltmeisterschaft in Mexiko nicht nur den Pokal, sondern auch unwiderrufliche Emotionen, wie durch die Demütigung der Briten beim Sieg gegen England. Mit dem "Tor des Jahrhunderts", das die britische Verteidigung lächerlich machte, und der "Hand Gottes", die ganz klar ein Regelverstoß war, löste Maradona an diesem 22. Juni einen unvergesslichen Begeisterungssturm unter seinen Landsleuten aus – vor allem unter den Kleinsten von ihnen.

Maradona reloaded

Eben jene waren es, die 22 Jahre später, am 28. Oktober 2008, mit der größten Freude die Benennung Madonnas zum Trainer des Nationalteams begrüßten und zu seinen bedingungslosen Fans wurden. Doch es gab auch Skeptiker, die die Fähigkeiten der legendären "Nummer Zehn", eine Nationalmannschaft zu leiten, in Frage stellten; vor allem wegen seiner Vergangenheit, die voll war von Exzessen, und wegen seines unberechenbaren Charakters. Die seriöseren Skeptiker meinten, dass der große Spieler Maradona nicht genug Erfahrung als Trainer besäße. Der Star von früher war erneut gerufen worden, um den nationalen Stolz zu retten und die Richtung der Mannschaft in einem Moment zu ändern, in dem die Qualifikation zur WM 2010 auf dem Spiel stand. Und vor allem, um jenen Jubel wieder auferstehen zu lassen, der den argentinischen Winter 1986 erhellt hatte.

Maradona (2.v.l.) reagiert vor der Trainerbank enttäuscht während des WM-Spiels gegen Deutschland in Südafrika (0:4), Foto: AP)
Maradona (2.v.l.) mag nicht mehr hinsehen: Sein WM-Team wird von der DFB-Auswahl vorgeführtBild: AP

Die ersten Ergebnisse schienen den Kritikern des ehemaligen Nationalspielers Recht zu geben. Der Trainer durchlebte sehr schwierige Momente während der südamerikanischen Qualifikationsrunde, darunter die 1:6-Niederlage in La Paz gegen Bolivien und die 1:3-Niederlage gegen Brasilien im Stadion von Rosario in Argentinien. Die argentinische Mannschaft schaffte es schließlich nur knapp, sich als viertes Team in ihrer Gruppe zu qualifizieren - nachdem sie Uruguay mit 1:0 besiegt hatte.

Die zwei Gesichter von Diego

Nach dieser Begegnung in Montevideo beschimpfte Maradona die Presse und wurde von der FIFA für zwei Monate suspendiert. Danach wurde alles anders. Nach dem Alptraum der Qualifikationsphase näherte sich die Mannschaft nun wieder dem Traum, einen Weltmeistertitel zu holen – unter der Leitung dieses Mannes, der bereits fast ein Vierteljahrhundert vorher das argentinische Volk zum Beben gebracht hatte.

So begann für Maradona eine Zeit, die ein "Sommermärchen" im Tangorhythmus zu sein schien. Die "Nummer Zehn" zeigte in Südafrika ein anderes Gesicht: das eines reifen Trainers, der ganz seinem Team verpflichtet ist – einem Team voller Stars, unter ihnen der aktuell vielleicht beste Spieler der Welt, Lionel Messi. Voller Sicherheit und Zuversicht, wenn auch mit einer eher unklaren fußballerischen Strategie, brachte er sein Team zu Siegen gegen Nigeria, Südkorea und Griechenland. "El Pelusa", der Fussel, wie Maradona genannt wird, war zu einem ordentlichen Trainer geworden, der an der Linie klebte, klare Anweisungen an seine Spieler gab und sie tröstete, wenn sie, wie im Fall von Martín Demichelis, einen Fehler begingen.

Das eigene Selbstbewusstsein wird zum Feind

Maradona feiert mit Argentinien den Titel-Gewinn bei der WM 1986 in Mexiko City (Foto: AP)
Maradona feiert mit Argentinien den Titel-Gewinn bei der WM 1986 in Mexiko CityBild: AP

Im Achtelfinale besiegte Argentinien Mexiko locker mit 3:1. Das Selbstbewusstsein schwappte nahezu über, doch Maradona wurde wieder der Alte: Er verlor die Konzentration, fing an, mit UEFA-Präsident Michel Platini zu diskutieren, und auch mit Bastian Schweinsteiger, dem Kapitän seines nächsten Gegners Deutschland. "Wir werden sie besiegen", sagte Diego, sicher, die Revanche der WM-Viertelfinalniederlage von 2006 zu gewinnen. Doch seine Mannschaft wurde von Deutschland mit 0:4 aus dem Turnier katapultiert. Dies war ohne Zweifel ein Scheitern, denn Argentinien gehörte, für sich gesehen, zu den besten Mannschaften in Südafrika.

Epilog à la Maradona

Für viele Argentinier hatte der Traum nicht im WM-Titel bestanden, sondern darin, Maradona zu bewundern, wie er diese Mannschaft leitet. Trotz der schmerzhaften Niederlage wurde der Trainer in Buenos Aires von einer jubelnden Menge empfangen. Die argentinische Präsidentin Cristina Fernández bat ihn, an der Spitze der Nationalmannschaft zu bleiben. Es schien, also ob die Idylle zwischen Maradona und seinem Publikum auch weitere vier Jahre andauern würde – oder so lange eben, wie es brauchen würde, damit er seine Karriere erfolgreich beenden könnte, so wie es sich für die Legende Maradona gehört. Doch in Argentinien traf der Trainer auf eine ebenso mächtige Person wie er selbst: Der Präsident des argentinischen Fußballverbands AFA, Julio Grondona. Bei den Verhandlungen zum neuen Vertrag wollte "Don Julio" Bedingungen aufstellen, Maradona jedoch wollte, dass alles so bleibt, wie es ist. Am Ende siegte der Funktionär, der gleichzeitig Vizepräsident des Weltverbandes FIFA ist.

Alles blieb Legende

Maradona jongliert mit den Händen einen Ball (Foto: AP)
Maradona Zukunft ist ungewißBild: AP

Maradona ging. Seine Bilanz als Trainer der argentinischen Nationalmannschaft ist nicht so schlecht, wie einige es vorhergesagt hatten, aber auch keiner großen Träumerei würdig: 25 Spiele, davon 18 Siege, kein Unentschieden und sieben Niederlagen. Das Kapitel von Maradona als Trainer der Nationalmannschaft wurde in Kapstadt beendet, im Spiel gegen Deutschland. Eine Begegnung, die sich der Ex-Nationaltrainer nach eigenen Angaben nicht noch einmal angesehen hat und auch nie wieder ansehen wird. Und auf Entscheidung des allmächtigen Grondona wird Diego Armando Maradona nie wieder einen Weltpokal in Händen halten, weder als Trainer noch als Spieler.

Autor: Enrique López Magallón

Redaktion: Arnulf Boettcher