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Ende einer Institution

Daniel Scheschkewitz14. November 2002

Für Korrespondenten in Washington ist es gar nicht so einfach, einen amerikanischen Spitzenpolitiker mal direkt und ohne laufende Kameras kennen zu lernen. Und die Gelegenheiten werden immer seltener.

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Eine der seltenen Gelegenheiten dazu boten die Veranstaltungen des "Overseas Writers Club", einer altehrwürdigen Institution, die seit 1921 regelmäßig Hintergrundgespräche mit interessanten und prominenten Politikern organisierte - da konnte man über ein Krabbencocktail und ein Gläschen Chardonnay auch mal mit einem Henry Kisisnger oder einem Dick Gephardt ins Gespräch kommen, Personen deren Gesichter man sonst vor allem vom Fersehbildschirm kannte.

Schuld ist das Fernsehen

Die Äußerungen, die dort fielen waren selbstverständlich vertraulich und durften nicht zitiert werden. Doch sie waren wichtig für den eigenen Hintergrund. In dieser Woche meldet die Parlamentszeitung "The Hill" das Ableben dieser altehrwürdigen Institution. Der Club schließt nach acht Jahrzehnten seine Pforten, und daran ist das Fernsehen wohl am meisten Schuld.

"Politiker die Einfluss haben sind heute Sklaven ihres Terminkalenders und von CNN", erklärte John Sawyer, Präsident des Clubs, nach dem Abschiedsessen im vornehmen Cosmos Club in Washington. Im zurückliegenden Jahr hatte man gerade noch sechs Veranstaltungen hinbekommen, immer häufiger hatten die eingeladenen Politiker den Club mit Absagen beschieden.

Sprechblasen statt Sprechkultur

Der "Overseas Writers Club" steht nicht allein, auch andere Institutionen, wie "Brookings" oder die "Carnegie Peace Foundation", die mit ihren Veranstaltungen seit langem zur politischen Kultur der US-Hauptstadt gehören, haben zunehmend Probleme, prominente Politiker für ihre Podiumsgespräche zu gewinnen.

Denn dort werden nicht nur Sprechblasen produziert, sondern komplizierte Fragen gestellt, auf die es meist keine einfachen Antworten gibt. Diese Antworten produzieren auch keine Schlagzeilen und sind deswegen für die Politiker verschwendete Zeit. Sie halten es lieber mit Cicero. Der präsentierte sich nur noch auf dem Forum in Rom, nachdem er festgestellt hatte, dass die Römer taub waren, dafür aber scharfe Augen hatten.