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"Endliche Automaten"

14. Mai 2009

Sechs Klangkünstler touren mit ihren Laptops durch Mittel- und Osteuropa und sammeln Impulse. Das Ergebnis ihrer Kompositionsreise: avantgardistischer Elektro zwischen Soundcollage, Minimal-Techno und Neuer Klassik.

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Labtop-Orchester "Endliche Automaten", 2009. Fotograf: Gagen Wiel.
An die Labtops, fertig losBild: Gagen Wiel

Die rund 150 Konzertbesucher Gong-Theater im rumänischen Hermannstadt erwarten etwas Neues, Kreatives, was sie noch nie gehört haben von den „Endlichen Automaten“ - aber auf jeden Fall etwas Elektronisches. Und elektronische Musik bieten die sechs Männer und sechs Laptops auf der Bühne.

Knistern, Quietschen und ein Beat


"Endliche Automaten - Das Laptop-Orchester", 2009, Fotograf: Gagen Wiel.
Elektrische Klangwunder auf ExperimentaltourBild: Gagen Wiel

Das hellblaue Licht auf der Bühne passt zur kühlen, futuristischen Musik des Laptoporchesters „Endliche Automaten“. Der Name erklärt sich von selbst: Die sechs Klangkünstler seien diejenigen, die den Musikautomaten Laptop in seiner technologischen Unendlichkeit einschränkten, erklärt Shintaro Miyazaki, Doktorand der Mediengeschichte.

Jeder Künstler übernimmt bestimmte Teile eines Stückes: Vogelgezwitscher trifft auf Maschinenrattern. Es quietscht und knistert und langsam setzt ein Beat ein. Das monotone Kopfnicken der Musiker beantwortet das Publikum mit leichtem, fast schon schüchternem Mitwippen zu den elektronischen Beats. „Wenn man zu sechst ist, kann man besser interagieren und noch komplexere Klanglandschaften kreieren“, sagt Miyazaki.

Sechs Köpfe, sechs gemeinsame Jahre

Einer gemeinsamen Grundpartitur folgend schafft das Laptoporchester aus einzelnen Tonfragmenten ein vertracktes, aber auch unverwechselbares Klangerlebnis. Die sechs Mitglieder des Laptoporchesters verbindet die Liebe zum Tüfteln an neuen elektronischen Klängen. Vor sechs Jahren hat sich das Ensemble aus der Berliner Experimental-Elektro-Szene heraus formiert.

Seit Anfang April 2009 tourt das Laptoporchester für vier Wochen durch Tschechien, Ungarn, Kroatien, Rumänien und Bulgarien. Auf jeder Station sind die sechs Berliner mit einem ihnen unbekannten, einheimischen Komponisten verabredet. Gemeinsam erarbeiten sie dann ein neues Werk. „Wir erschaffen eine Komposition. Das nimmt ein bisschen die Idee von Instant Composing auf“, erklärt der 38-jährige Klangkünstler Marek Brandt.

Offen für neue Impulse

"Endliche Automaten - Das Laptop-Orchester", 2009, Fotograf: Gagen Wiel.
Hochkonzentriert für eine gute Klang-PerformanceBild: Gagen Wiel

Instant Composing ist die Kunst der Momentkomposition, ähnlich dem Free-Jazz. Die Vorgabe des lokalen Künstlers wird vom Berliner Ensemble interpretiert und dekonstruiert: Aus Noten werden einzelne Midi-Files, elektronische Musikdateien, die von den „Endlichen Automaten“ ins nächste Land mitgenommen werden. Auf den Konzerten werden die elektronischen Einzelteile dann live wieder zusammengesetzt. „Das Interessante ist, dass der Komponist seine Aufführung nicht sofort danach zu hören bekommt, sondern der Spannungsmoment wird noch ein bisschen erhöht, indem er in einem anderen Land uraufgeführt wird – und so schließt sich dann ein Kreis“, sagt Brandt. Die Konzertbesucher in Hermannstadt erleben also zum Schluss des Konzertes die Uraufführung des in Kroatien komponierten Werkes „Zumba“.

Die während der Reise entstandenen Stücke spiegelten das jeweilige Land, seine Musik und seine Geschichte wider, sagt der bildende Künstler Nicolas Weiser. Gleichzeitig bereicherten sie das Repertoire des Laptoporchesters. „Durch die Anweisung der Komponisten werden wir dann sozusagen gezwungen, auf einmal etwas ganz anderes zu machen“, erklärt er.

Musik auf einem anderen Level

Der kreative Bruch zwischen der Grundpartitur des lokalen Komponisten und den vielfältigen musikalischen Einflüssen der „Endlichen Automaten“ macht das einmalige Erlebnis der Kompositionsreise aus. Konzertbesucher Adrian Smaranda ist begeistert: „Es ist eine neue Musikdimension. Ich glaube nicht, dass jeder versteht, was sie da machen. Aber wenn man offen ist, kann man eine extrem interessante Erfahrung machen.“

Autor: Catalin Gagiu

Redakteur: Richard A. Fuchs