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Endspurt

Heinz Dylong 23. August 2002

Seit einigen Tagen wird der Wahlkampf von einem Thema deutlich überlagert: dem Hochwasser. Das wiederum hat Auswirkungen auf den Wahlkampf, wie die einschlägigen Meinungsumfragen belegen. Heinz Dylong kommentiert.

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Vier Wochen sind es noch bis zur Bundestagswahl am 22. September 2002. In rund vier Wochen wissen wir, ob Gerhard Schröder Bundeskanzler bleiben kann oder seinen Sessel für Edmund Stoiber räumen muss. Noch vor zehn Tagen sagten die Meinungsforscher eine Mehrheit für CDU/CSU und FDP voraus. Doch dann kam die Flut an der Elbe. Die Öffentlichkeit erlebte einen entschlußfreudigen und tatkräftigen Kanzler. So zeigen jüngste Umfragen denn auch, dass sich Schröders Krisenmanagement günstig für die SPD auswirkt. Die Zustimmung bei den Wählern für die SPD hat zugenommen. Die bisher prophezeite Mehrheit für die Opposition ist keineswegs mehr stabil.

Und das könnte in der Tat mehr als eine flüchtige Momentaufnahme sein. Jetzt kommt es Schröder zugute, dass er als Regierungschef auch tatsächlich handeln kann, dass er über die Instrumente verfügt, mit denen den Flutopfern geholfen werden kann. Dabei gerät Stoiber natürlicherweise ins Hintertreffen. Gleichwohl, Schröder hat sich eben als handlungsfähig erwiesen, während die Union Tage brauchte, um auch nur eine gemeinsame Position dazu zu finden, wie denn die Hilfe für die Flutopfer finanziert werden könnte. Es setzte ein mehrstimmiger Chor ein, der am Ende dazu führte, dass man die Vorschläge der Regierung zwar für falsch hält, sie aber dennoch in Bundestag und Bundesrat passieren lassen werde, um sie aber abzuändern, wenn man die Bundestagswahl gewinnen sollte. Sonderlich überzeugend wirkt das nicht. Zumal der Finanzierungsvorschlag der Union - die Hilfe für die Flutopfer soll aus dem Gewinn der Bundesbank beglichen werden - de facto auf eine Neuverschuldung des Bundes hinauslaufen würde.

Aufgefallen ist im Zusammenhang mit dem Elbhochwasser auch, dass Edmund Stoiber in seinem Wahlkampfteam niemanden für die Umweltpolitik vorgesehen hat. Ein echtes Versäumnis. Es wird nur dadurch geringfügig abgemildert, dass es vor dem Hochwasser niemand wirklich bemerkt hat. Rückschlüsse auf den Stellenwert der Umweltpolitik in einem etwaigen Kabinett Stoiber sind jedoch nicht von der Hand zu weisen.

Dennoch ist das Rennen um die Mehrheit im Bundestag heute so wenig entschieden wie es das vor zwei Wochen war - selbst wenn sich jetzt die Vorzeichen in die andere Richtung drehen. Man kann allenfalls sagen, dass die von der SPD angekündigte Aufholjagd durch das gelungene Krisenmanagement des Kanzlers einen unverhofften Schub erhalten hat. Ob dieser Impuls freilich ausreicht, muss sich erst noch zeigen. Denn wenn die Flut aus den Schlagzeilen verschwindet, werden wieder die stehenden Probleme des Landes ihren Platz einnehmen - die schwierige Lage der Sozialsysteme oder die Arbeitslosigkeit. Auch dabei wird wieder nach überzeugenden Antworten der Politik gefragt werden.

Und es gibt aus Sicht der beiden Regierungsparteien SPD und Grünen noch einen unabsehbaren Faktor: das Abschneiden der PDS. Sollte ihr nämlich nicht der Wiedereinzug in den Bundestag gelingen, ist die Mehrheit der Sitze im Bundestag unter Umständen schon mit 46 oder 47 Prozent der Stimmen zu haben. Bislang gilt das als eine für Union und FDP günstige Perspektive. Denn wenn unter diesen Umständen beide zusammen stärker werden als die Regierungsparteien, steht ihnen die Regierungsbildung offen.

Vier Wochen vor der Bundestagswahl bietet sich jedenfalls ein neues Bild in der Parteienlandschaft: Unverhofft in die Offensive geratene Regierungsparteien stehen einer verunsicherten CDU/CSU und einer angesichts des Hochwassers seltsam verstummten FDP gegenüber. Der Wahlausgang scheint wieder offener als noch vor zwei Wochen.