1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Endstation Athen?

Diego Cupolo, Athen / nm12. Dezember 2015

Von der Grenze wurden sie vertrieben. Griechische Behörden haben Tausende Flüchtlinge ins ehemalige Olympiastadion in der Hauptstadt gebracht. Dort stecken sie nun ratlos fest, wie Diego Cupolo aus Athen berichtet.

https://p.dw.com/p/1HMN8
Flüchtlinge in Athen schauen durch ein Lagertor (Foto: DW/Cupolo)
Bild: DW/D. Cupolo

Die griechische Hauptstadt wird zum neuen Zentrum der europäischen Flüchtlingskrise: 2300 Asylsuchende sind am vergangenen Mittwoch von der mazedonischen Grenze nach Athen transportiert worden. Hinzu kommen die vielen Flüchtlinge von den griechischen Inseln, die in der Metropole Zuflucht suchen. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen versuchen verzweifelt, mit der unvorhergesehenen Situation umzugehen und Unterkünfte und Versorgung zu organisieren.

Laut Katerina Mamoli, Koordinatorin des griechischen Ministeriums für Migration, sind alle drei Flüchtlingsheime in der Hauptstadt bis auf den letzten Platz besetzt. Am Freitag gab es Unterkunft für insgesamt 3000 Menschen. "Das geht seit fünf Monaten so, das ist nicht neu", sagt Mamoli. Jetzt kämen die Menschen allerdings aus mehr Ländern als zuvor. Das führe vielerorts auch zu Problemen. "Aber wir haben die Sache im Griff."

Für Familien unbewohnbar

Das ehemalige Taekwondostadion der Olympischen Spiele fungiert seit einiger Zeit als Unterkunft. Sein Leiter, Koutsianas Panos, kann in der Halle bis zu 1700 Menschen beherbergen. Am Freitag seien es aber bereits 2000 gewesen.

Das ehemalige Taekwondostadion - rund 2000 Menschen leben hier zur Zeit (Foto: DW/Cupolo)
Das ehemalige Taekwondostadion - rund 2000 Menschen leben hier zur ZeitBild: DW/D. Cupolo

Viele Flüchtlinge versuchen aber auch, umgehend von hier wegzukommen. Schäbige Toiletten, zerstörte Duschen und viele Auseinandersetzungen vor allem zwischen Marokkanern und Iranern haben die Unterkunft für Familien unbewohnbar gemacht.

Nachdem ihnen die Flucht über die mazedonische Grenze und somit auf der Balkanroute verboten wurde, denken die Menschen über den nächsten Schritt nach. Informationen über ihre Möglichkeiten in Griechenland haben sie bisher kaum bekommen.

Payman Qasimian kommt aus dem Iran, lebte aber 15 Jahre in den USA. Eines Abends habe er mit seiner Familie im Stadium vorbeigeschaut. Das macht er nicht noch mal: "Da schlafe ich lieber auf der Straße", so Qasimian. "Es riecht da ganz übel. Und es ist so kalt, dass die Menschen in Lüftungsschächten und Duschräumen übernachten."

Asylantrag oder Schleuser

Qasimian steht im Athener Stadtzentrum auf dem Victoria-Platz im Nieselregen. Er erzählt, dass er bereits ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in den USA hatte. Doch bei einer Reise nach Teheran, wo er heiraten wollte, hätte die iranische Regierung seine Dokumente konfisziert. "Die haben mich vom Flughafen abgeholt und für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis gesteckt", sagt Qasimian. Auf die Frage, was sein Vergehen gewesenen sei, antwortet er: "Ich bin in den USA Christ geworden."

Erst als er wieder zum Islam konvertierte, hätten sie ihn aus dem Gefängnis entlassen. Direkt danach floh er erneut - er wollte zu seinen Eltern in Los Angeles. Während sein Fall einzigartig sein könnte, teilt er mit anderen Gestrandeten die gleichen Probleme. Sie gelten als Flüchtlinge aus konfliktfreien Regionen. Deshalb dürfen sie seit dem 18. November nicht mehr nach Mazedonien. Der Weg über die Balkanroute ist damit versperrt.

Ihre griechischen Aufenthaltspapiere laufen nun innerhalb von 30 Tagen nach Ausstellung ab. Qasimian muss sich nun entscheiden: Entweder er beantragt in Griechenland Asyl, er kehrt zurück in den Iran oder er sucht sich einen Schleuser.

Magnet für Menschenhändler

Am Victoria-Platz bieten Menschenhändler alles an, sagt Qasimian: vom Transport bis hin zu gefälschten Ausweisen. Ein afghanischer Pass liegt zwischen 1000 und 1200 Euro. Eine Fahrt bis nach Österreich geht für 1500 Euro über den Tisch. Um dorthin zu gelangen, müsse man etwa vier Stunden zu Fuß über die mazedonische Grenze in ein kleines Dorf wandern. Dort warte dann ein Auto für den weiteren Transport. Nach der Ankunft in Mazedonien würden die Flüchtlinge mit gefälschten serbischen Pässen ausgestattet. So könnten sie nicht nach Griechenland abgeschoben werden, falls die Polizei sie aufgreift.

Flüchtlinge in Griechenland: Payman Qasimian mit seinem temporären Ausweis (Foto: DW/Cupolo)
Zum zweiten Mal auf der Flucht: der Iraner Payman QasimianBild: DW/D. Cupolo

Obwohl viele Flüchtlinge solche Wege wählten, möchte Qasimian in Athen Asyl beantragen. "Ich will nicht riskieren, dass mich jemand in den Iran schickt. Das wäre mein Todesurteil."

Ein europäisches Problem

Seit Mitte November sieben einige Balkanländer die Flüchtlinge aus. So hatte sich die Situation zuerst in der kleinen griechischen Grenzstadt Idomeni verschärft. Während Afghanen, Iraker und Syrer weiterreisen durften, mussten alle Menschen anderer Nationalitäten an der Grenze warten. Es gab Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen und Grenzschützern. Als Konsequenz räumten die Behörden das Lager in Idomeni am 9. Dezember.

Jetzt suchen die griechischen Behörden nach dauerhaften Unterkünften in Athen und Thessaloniki. Dort sollen die Asylbewerber gut über den Winter kommen, so Katerina Mamoli vom Migrationsministerium. Dennoch wünscht sie sich mehr Unterstützung, denn: "Das ist nicht nur ein griechisches Problem. Das ist ein europäisches Problem."