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'Ölförderung reicht nicht, um Afrika voranzubringen'

Gwendolin Hilse
19. Juli 2017

In einem neuen Buch stellt der prominente afrikanische Wirtschaftsanwalt NJ Ayuk dar, wie der richtige Umgang mit fossilen Rohstoffen den Kontinent nach vorne bringen könnte. Nicht alle Thesen sind unumstritten.

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Ein Arbeiter an einer Rohrleitung auf einer Ölförderplattform vor der Küste Nigerias
Bild: Getty Images/AFP/P. Utomi Ekpei

DW: Oft wird von Afrika im Zusammenhang mit dem sogenannten "Ressourcenfluch" gesprochen. Wirtschaftsexperten sagen, dass afrikanische Länder sich nicht nur darauf konzentrieren sollten, in den Abbau ihrer natürlichen Ressourcen zu investieren, sondern sich auf andere Wirtschaftsbereiche konzentrieren sollten. In Ihrem Buch widersprechen Sie dieser These...

Ayuk: Ich widerspreche dieser These nicht komplett. Aber ich widerspreche dem Gedanken, man könne die kompletten Gewinne aus dem Ölsektor dafür einsetzen, einfach so irgendwelche Wirtschaftsbereiche zu entwickeln. Der beste Weg, um den Ressourcenfluch umzukehren ist: das Geld, was durch die Ölförderung erwirtschaftet wurde, dafür zu nutzen, die komplette Lieferkette zu sichern und andere Bereiche zu entwickeln. Wenn die nigerianische Regierung zum Beispiel eine Milliarden Dollar aus den Ölgewinnen nimmt und in die Entwicklung der Landwirtschaft steckt, reicht das nicht aus. Man muss auch ein Umfeld schaffen, in dem sich andere Wirtschaftszweige entwickeln können. Das fängt damit an, dass man einfacher Unternehmen gründen kann, die Steuern senkt und die Korruption bekämpft. Sonst kann man keine funktionierende Landwirtschaft entwickeln.

Die nigerianische Wirtschaft ist sehr stark abhängig von der Rohölförderung. Die Regierung hat über Jahrzehnte Bereiche wie die Landwirtschaft komplett vernachlässigt. Nun ist der Rohölpreis auf dem Weltmarkt in den letzten Jahren drastisch gesunken, wodurch die nigerianische Wirtschaft fast zum Stillstand gekommen ist.

Der traditionelle Wirtschaftszweig in Afrika ist nun einmal die Landwirtschaft. Es wird nicht möglich sein, eine nachhaltige Wirtschaft zu entwickeln und bessere Lebensbedingungen zu schaffen, wenn man keine Fabriken baut. Nigeria verliert bei der Rohölförderung enorm viel Gas. Das Gas könnte man zu Beispiel nutzen, um ganz Nigeria mit Strom zu versorgen und landwirtschaftliche Produkte in Fabriken weiterzuverarbeiten. Eine der größten Geschäftszweige in Nigeria und Angola ist der Handel mit Generatoren. Aber mit Generatoren kann man einfach keine Wirtschaft ankurbeln.

Foto von Anwalt NJ Ayuk
NJ Nyuk gehört zu Afrikas führenden Anwälten im Öl- und Gasgeschäft.Bild: AJ Ayuk

Sie sprechen von Äquatorialguineas rasanten Entwicklung von einem wirtschaftlich rückständigen Land zu einem "strahlenden Stern in Zentralafrika". Kritiker sprechen von einer Diktatur. Das Land ist eines der korruptesten Länder der Welt. Und wie schwer kann es sein, der "strahlenden Stern" in einer Region zu sein, die von politischen Krisen geprägt ist?

Ich verstehe die Kritik durchaus. Aber das Buch konzentriert sich auf den Ölsektor und darauf, wie man afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme finden kann. Sie haben das Thema Korruption angesprochen. Korruption ist in jedem afrikanischen Land unerwünscht und meine Generation muss dieses Thema öffentlich ansprechen. Aber wenn wir auf Äquatorialguinea schauen: Vor 20 Jahren gab es in diesem Land keinen Strom. Heute hat das Land mehr Strom als jedes andere afrikanische Land und das wurde mit Gas erreicht. Es gibt viele Dinge, die schlecht gelaufen sind, aber das Land hat Beeindruckendes geschafft, wenn es um den Aufbau der Infrastruktur geht. Was ich versuche zu sagen ist: Es gibt auch viele Erfolgsgeschichten in Afrika und wir müssen von ihnen lernen, anstatt uns immer auf die negativen Seiten zu konzentrieren. 

Sie behaupten, dass diese Beispiele ein Beweis dafür sind, dass die verantwortliche und nachhaltige Entwicklung fossiler Rohstoffe nicht nur möglich, sondern auch der schnellste und effektivste Weg sei, um vielen Nationen Frieden und Wohlstand zu bringen. Ist das nicht ein wenig hoch gegriffen?

Ich denke nicht. Die meisten Krisen auf dem afrikanischen Kontinent haben doch mit Öl, Gas oder Diamanten zu tun. Das Schlagwort hier ist ganz klar: Verantwortlichkeit. Wenn man seine Ressourcen verantwortungsbewusst verwaltet, schafft man Stabilität. Wenn man sie hingegen verantwortungslos verwaltet, wird man Instabilität erzeugen. Es gibt einige, die sagen 'Afrikaner könnten und sollten ihre eigenen Ressourcen nicht verwalten. Wenn man Afrika nicht Re-Kolonialisieren kann, dann sollte man die Bodenschätze unberührt lassen, bis sie es gelernt haben'. Natürlich können wir es richtig machen und es gibt viele positive Beispiele. Wir müssen uns diese Erfolgsmodelle genau anschauen und sie so kopieren, dass sie die Industrie voranbringen.

Aber ist diese These wirklich zukunftsorientiert? Länder wie Äthiopien und Sambia investieren vermehrt in erneuerbare Energien. Auch die Afrikanische Union plant Milliarden in den Ausbau grüner Energien zu stecken.

Buchcover - "Big Barrels - African Oil and Gas and the Quest for Prosperit"
"Big Barrels" ist NJ Ayuks neues Buch.Bild: AJ Ayuk

Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Grüne Energie ist sehr wichtig und die Ölindustrie muss sich selbst dahingehend wandeln. Der französische Konzern Total zum Beispiel ist der große Öl- und Gaskonzern Afrikas und investiert vermehrt in erneuerbare Energien. Sie sehen, dass dies die Zukunft ist. Auch die Entscheidung der Afrikanischen Union in grüne Energie zu investieren ist richtig. Dieser Gedanke, der in Afrika vorherrscht, dass Ölförderung und der Ölverkauf ausreichen, um den Kontinent nach vorne zu bringen, muss aufhören. Wir müssen in die Zukunft schauen und das Wundervolle an der Entwicklung von erneuerbaren Energien ist, dass wir alle bei Null anfangen - Industriestaaten, Schwellen- und Entwicklungsländer. Wir fangen alle zur selben Zeit und mit den gleichen Technologien an.

Sie sind einer der führenden Anwälte im Öl- und Gasgeschäft in Afrika. Jetzt veröffentlichen Sie ein Buch, "Dessen Ziel es ist, die pauschale Dämonisierung der Industrie zu bekämpfen." Haben Sie keine Angst, dass man Ihnen Lobbyarbeit für die Ölkonzerne vorwerfen könnte?

Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich noch nie Lobbyarbeit für die Ölindustrie geleistet habe. Ich habe viel mehr meine Kariere dafür genutzt, um afrikanische Konzerne an dieser Industrie teilhaben zu lassen. Meine Firma konzentriert sich darauf, lokale Vorschriften zu erarbeiten, die es Afrikanern ermöglicht, Teil dieser Industrie zu werden. Wir haben es geschafft, viele Rechtsvorschriften zu verabschieden, die sicherstellen, dass es mehr Stipendien und Programme gibt, von denen die Zivilgesellschaft profitiert. Das gefällt den großen Ölkonzernen überhaupt nicht.

Ich vertrete keinerlei einen nationalen Ansatz und ich denke nicht, dass man ausländischen Investoren verbieten sollte, ins Land zu kommen. Ich denke wir sollten einen marktorientierten Ansatz vertreten, aber uns auch bewusst sein, dass wie Afrikaner besser dran sind, wenn wir zusammen arbeiten - auch mit unseren internationalen Partnern. Dieser Ansatz wird nicht von allen unterstützt. Aber man kann nicht einerseits Arbeitsplätze wollen und andererseits die verteufeln, die welche schaffen. Es geht um Partnerschaft und jeder, dem Afrika wichtig ist, muss daran beteiligt sein.

NJ Ayuk ist einer der führenden Anwälte im Öl- und Gasgeschäft in Afrika. Das Forbes-Magazin zählte ihn 2015 zu den 10 einflussreichsten Männern Afrikas. Der gebürtige Kameruner ist Gründer der pan-afrikanischen Anwaltskanzlei Centurion. Er ist Co-Autor des Buches "Big Barrels: African Oil & Gas and the quest for prosperity". Es ist im Juni 2017 erschienen.

Das Interview führte Gwendolin Hilse