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Energiewende bei RWE

Dirk Kaufmann19. Juni 2012

Der deutsche Energieriese RWE will aus der Atomenergie aussteigen und keine Atomkraftwerke mehr bauen, auch nicht im Ausland. Stattdessen will der Konzern in erneuerbare Energien investieren.

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Nordrhein-Westfalen/ ARCHIV: ARCHIV: Das Logo des Energielieferanten RWE steht vor der Unternehmenszentrale von RWE in Essen (Foto vom 22 (Foto vom 22.06.11).06.11). RWE praesentiert am Dienstag (06.03.12) die Zahlen der aktuellen Bilanz. (zu dapd-Text) Foto: Frank Augstein/dapd
RWE Logo UnternehmenszentraleBild: AP

Vor einem Jahr ist beschlossen worden, dass Deutschland in Zukunft auf die Nutzung der Atomenergie verzichten wird. Die vier großen Energiekonzerne in Deutschland – Eon, RWE, Vattenfall und EnBW – müssen daher über Alternativen nachdenken. Nachdem vor einigen Wochen RWE und Eon bereits aus einem Joint-Venture ausgestiegen sind, das Kernkraftwerke in England errichten sollte, wurde nun bekannt, dass RWE überhaupt keine Atomkraftwerke mehr bauen will.

Das Gemeinschaftsunternehmen zur Errichtung von bis zu sechs Atomkraftwerken hatte ein Investitionsvolumen von rund 17 Milliarden Euro gehabt. Die eigens dafür gegründete Gesellschaft Horizon Nuclear Power soll verkauft werden. Das Geschäft mit dem Atomstrom wird für die deutschen Energiekonzerne offenbar immer weniger lukrativ.

RWE-Konkurrent Eon ist an einen AKW-Bau in Finnland beteiligt und will dieses Projekt weiterführen. RWE selbst musste bereits die Stilllegung zweier Atommeiler in Biblis verkraften und ist zurzeit noch am AKW Borssele in den Niederlanden beteiligt. Auch dort wird sich der Konzern zurückziehen. RWE-Vorstand Peter Terium: "Wie planen auch in den Niederlanden kein neues Kraftwerk. Das finanzielle Risiko können wir uns nicht mehr leisten."

Der Vorstandsvorsitzende der RWE AG, Juergen Grossmann und sein Nachfolger Peter Terium bei der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens auf dem Podium. Foto:Sascha Schuermann/dapd
Noch gemeinsam: Jürgen Großmann und Peter TeriumBild: dapd

Ein Leck im Vorstand

Die Geschäftsführung von RWE war gegenüber DW nicht zu einer Stellungsnahme bereit. Der Grund: Die Information, nach denen RWE aus dem Atomkraftwerksbau aussteigen wird, sei durch "ein Leck" nach außen gedrungen. Die Nachricht selbst wird nicht dementiert, eine Stellungnahme jedoch auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

Vorstandsmitglied Peter Terium hatte am Montag (18.06.2012) gegenüber Journalisten gesagt: "Wir werden nicht mehr in neue Kernkraftwerke investieren." Das finanzielle Risiko bei diesem Geschäft sei seinem Konzern "nicht zumutbar". Terium soll am 1. Juli Chef des Vorstandes von RWE werden. Er will dann offenbar den Kurs seines Vorgängers Jürgen Großmann korrigieren, der ein engagierter Verfechter der Stromgewinnung aus Kernenergie ist.

Kernkraftwerk Biblis des Energieversorgers RWE Foto: Thomas Lohnes/dapd
Zwei Meiler im AKW Biblis sind bereits abschaltet wordenBild: dapd

"Auf die Politik ist kein Verlass"

Georg Erdmann, Leiter des Fachgebietes Energiesysteme an der Technischen Universität Berlin, kann nachvollziehen, dass ein Konzern wie RWE die finanziellen Risiken beim Bau von Atomkraftwerken nicht mehr tragen will. Allein die Zeit, die zwischen Planung, Baubeginn und Inbetriebnahme eines AKWs vergeht, sei zu lang und berge daher große Gefahren. Die gesetzlichen Vorgaben bei der Energieproduktion könnten sich immer ändern.

In Deutschland hatte die Rot-Grüne Bundesregierung bereits vor zehn Jahren einen Ausstieg aus der Atomenergie auf den Weg gebracht. Der war 2010 von der Regierung Angela Merkel kassiert worden. Nur wenige Monate später hatte die Regierung unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Fukushima eine Kehrtwende vollzogen und den "Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg" verkündet – jetzt soll die Energiewende doch umgesetzt werden.

Ein Kraftwerksbau dauere einfach sehr lang, sagt Erdmann gegenüber DW. Nicht überall ginge es so schnell wie in China, wo ein Kraftwerk innerhalb von drei Jahren gebaut und in Betrieb genommen werden kann. In anderen Ländern gäbe es "ganz andere Mitspracherechte. Da dauert das vielleicht ein Jahrzehnt oder länger." Und je länger der Bau dauert, desto größer die Gefahr, dass sich die politischen Rahmenbedingungen ändern können. Denn "die Politik ist sehr unberechenbar".

400 kV Stromleitungen aus einem Kraftwerk Foto: http://www.flickr.com/photos/matti_frisk/2941688941/sizes/l/in/photostream/
Nach der Stromnetzdiskussion ...Bild: cc-by:Matti Frisk-nc-sa

Wer sorgt für die Grundlast?

In Deutschland stammt ein großer Teil des Stroms bereits aus regenerativen Quellen – aus Sonne, Wind und Wasserkraft. Da diese Energieträger aber nicht immer in gleichem Ausmaß zur Verfügung stehen, braucht es zur Sicherheit der Stromversorgung eine sogenannte Grundlast, die von den herkömmlichen Großkraftwerken bereitgestellt wird, von Kohle- und Gaskraftwerken sowie von Atommeilern. Für den Energie-Experten stellt sich die Frage: "Wird sich RWE weiterhin verantwortlich fühlen für die Rund-um-die-Uhr-Versorgung mit Elektrizität?"

Energie aus dem fossilen Grundstoff Kohle ist politisch nicht opportun. Die Ressource ist endlich und trägt durch ihren Kohlenstoffausstoß zum Klimawandel bei. Gaskraftwerke kann man sauberer betreiben, doch taugen sie aus anderen Gründen nicht uneingeschränkt als Grundlastträger. "Wie viel kostet denn das Gas?", fragt Professor Erdmann und weist auf die unsichere Gasversorgung hin. Deutschland verfügt nicht über ausreichende Gasvorkommen und ist von Importen abhängig.

Erdmann verweist außerdem auf die unzureichende Infrastruktur beim Gastransport. Es gebe einfach nicht genug Pipelines, um das Gas vom Norden des Landes in den Süden zu bringen. Betrachte man den Widerstand gegen den Bau von Hochspannungsleitungen, sei klar, dass auch die Verlegung von Pipelines nicht so ohne weiteres durchgeführt werden könnte. "Dann müssen wir nicht nur die Stromnetzdiskussion führen sondern auch die Gasnetzdiskussion."

Monteure arbeiten auf der Baustelle der Ostseepipeline. Foto: Jens Koehler/dapd
... die GasnetzdiskussionBild: dapd

Neue Strategie – altes Problem

Statt auf Großkraftwerke mit fossilen Brennstoffen wollen die Essener verstärkt auf Sonnenenergie setzen. Das wäre eine komplett neue Unternehmensstrategie. Teriums Vorgänger Großmann hatte für erneuerbare Energien nie mehr als Spott übrig: In Deutschland Sonnenenergie zu ernten sei ungefähr so erfolgversprechend wie der Versuch, in Alaska Ananas zu züchten. Sein Nachfolger denkt nun über den Bau von Solarkraftwerken in Zusammenarbeit mit Stadtwerken nach.

Wird RWE nun ein "grüner" Konzern? Georg Erdmann ist skeptisch. "Das ist ja für die Galerie", urteilt er. Erdmann vermutet, dass das RWE- Engagement beim Geschäft mit den Erneuerbaren Energien von der Aussicht auf staatliche Förderung motiviert ist. Das sei nicht der richtige Weg. Seine Kritik: "Wenn es sich um subventionierte Technologien handelt, dann begeben sich Unternehmen wie RWE noch mehr in die Hand der Politik."