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Euro-Retter unter enormem Druck

20. Oktober 2011

Kurz vor dem als entscheidend bezeichneten EU-Gipfel zur Zukunft der Währungsunion in Europa ist vieles unklar. Zweifelhaft ist, ob die Politik die enormen Erwartungen erfüllen kann, meint Bernd Riegert:

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Bild: DW

Die Frau des französischen Präsidenten Carla Bruni hatte gehofft, dass ihr Mann Nicolas Sarkozy bei der Geburt der ersten gemeinsamen Tochter dabei sein würde. Doch sie wurde enttäuscht. Der französische Präsident musste, während seine Frau in Wehen lag, nach Frankfurt jetten, um an einem spontan anberaumten Krisengipfel zur Rettung europäischer Schuldenstaaten teilzunehmen. Kein werdener Vater lässt ohne Not seine Frau allein. Dass Nicolas Sarkozy es dennoch tat, zeigt, wie bedrohlich die Lage für die Euro-Zone inzwischen ist.

Offenbar gibt es wenige Tage vor dem mit absurd hohen Erwartungen befrachteten Gipfeltreffen der Europäischen Union in Brüssel noch immer tief greifende Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden entscheidenden Euro-Staaten Deutschland und Frankreich. Während Deutschland ein umständliches Versicherungskonstrukt bevorzugt, um den Euro-Rettungsfonds EFSF aufzublasen, möchte Frankreich offenbar lieber die Europäische Zentralbank einbinden und zum Gelddrucken animieren. Frankreich braucht Geld aus dem Rettungsfonds, um seine Banken zu stabilisieren. Wenn Sarkozy die Banken direkt aus dem Staatshaushalt unterstützte, könnte Frankreich mitten im Präsidentschaftswahlkampf sein Spitzenrating AAA verlieren. Dies würde die gesamte Rettungsarchitektur des EFSF zum Einsturz bringen. Dann kämen auf Deutschland weitere Lasten zu.

Bernd Riegert (Foto: DW)
Bernd Riegert, EuroparedaktionBild: DW

Bundestag ausgehebelt?

Weil vieles unklar ist, hat der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dem Bundestag in Berlin immer noch nicht mitgeteilt, wie der Rettungsschirm und der berühmte Hebel zur Ausweitung der Sicherungssumme funktionieren soll. Die in der Nacht zu Donnerstag (20.10.2011) zugestellte Fassung enthält dazu bezeichnender Weise keine Angaben. Der zuständige Ausschuss des Bundestages muss aber noch grünes Licht geben, bevor die Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag beim EU-Gipfel zustimmen kann. Verständlich, dass die Abgeordenten angesichts dieses Zeitdrucks murren. Als der Bundestag vor drei Wochen der Ausweitung des EFSF zugestimmt hat, war von der Ausweitung des Rettungsvolumens auf bis zu zwei Billionen Euro noch keine Rede.

Die "Hebelung" des Rettungsfonds auf die unvorstellbar großen Summen soll die Finanzmärkte beeindrucken. Das tut sie bereits, die Investoren frohlocken, denn es gibt wieder neues billiges Geld. Neue Jettons für das Spielkasino. Das Grundproblem, nämlich die Schuldenkrise, wird damit nicht gelöst. Im Gegenteil: Klammen Staaten werden noch mehr Kredite in Aussicht gestellt. Die Zinssätze, die für den ganzen Spaß gezahlt werden müssen, kann im Moment niemand seriös voraussagen.

Verhandlungen mit Banken laufen

Und die Banken? Auch für den Schuldenschnitt für Griechenland und die Stabilisierung der Banken, die zuvor erfolgen muss, gibt es noch keine endgültige Lösung. Die großen multinationalen Geschäftsbanken wehren sich in Gestalt des Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann bei intensiven Verhandlungen in Brüssel gegen eine Teilverstaatlichung ihrer Häuser. Ackermann selbst hat orakelt, dass der EFSF keine Lösung, sondern nur Zeitgewinn bringen wird.

Gleichzeitig machen die USA, die Schwellenländer und zum Beispiel auch Weltbank-Präsident Bob Zoellick weiter Druck auf Europa. Sie wollen am kommenden Wochenende einen endgültigen Befreiungsschlag sehen. Sollte den Staats- und Regierungschefs dies gelingen, wäre das schon eine gewaltige politische und finanztechnische Meisterleistung. Unklar ist auch, was die von Bundeskanzlerin Merkel angedeuteten Vertragsänderungen für die Europäische Union beinhalten sollen: Sparkommissare für Schuldenstaaten, eine echte Wirtschaftsregierung für die Euro-Zone?

Keine Baby-Pause für Sarkozy

Klar ist nur, Carla Bruni wird auch in den nächsten Tagen auf ihren Ehemann Nicolas Sarkozy verzichten müssen. Es geht in den nächsten Tagen um Frankreich, um Europa, um alles oder nichts.

Übrigens, Griechenland spielt bei den Szenarien, die inzwischen in den europäischen Hauptstädten diskutiert werden, fast schon eine untergeordnete Rolle. Unsicher ist mittlerweile wieder, ob die Griechen die nächste Tranche aus dem Griechenland-Rettungsfonds bekommen. Die Kassenprüfer der Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank haben ihren Prüfbericht erneut verschoben. Das deutet daraufhin, dass dieser neue Kredit vielleicht gar nicht mehr ausgezahlt wird, sondern der Schuldenschnitt für Griechenland nicht erst in Monaten, sondern in wenigen Wochen kommen wird.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Zoran Arbutina