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"Entscheidend für Afghanistan"

4. August 2010

230 deutsche Polizisten sind in Afghanistan als Ausbilder im Einsatz. Wie sie arbeiten, hat sich Ole Schröder, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, angesehen. DW-WORLD.DE hat mit ihm gesprochen.

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Ole Schröder im Bundestag (Foto: picture alliance / dpa)
Ole Schröder im BundestagBild: picture alliance / dpa

DW-WORLD.DE: Herr Schröder, mit welchen Eindrücken kommen Sie zurück von Ihrer Afghanistan-Reise?

Ole Schröder: "Ich habe den Eindruck gewonnen, dass wir sehr engagierte Polizeibeamte in Afghanistan haben, die mit der Ausbildung einheimischer Kollegen eine extrem wichtige Aufgabe übernehmen. Und ich komme mit dem Eindruck zurück, dass die Deutschen bei der Bevölkerung extrem anerkannt sind und respektiert werden. Das hat auch mit unserem kontinuierlichen Engagement im Land zu tun, das bis in die 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückreicht."

Sie haben unter anderem Gespräche mit US-General David Petraeus, dem neuen Oberbefehlshaber der Internationalen Schutztruppe ISAF, geführt. In der Vergangenheit gab es immer wieder auch harsche Kritik von amerikanischer Seite an der deutschen Polizeiausbildung - wie haben Sie vor diesem Hintergrund das Gesprächsklima empfunden?

"Das Klima war ausgesprochen freundlich. Wir haben fast eine Stunde miteinander gesprochen, und von Kritik war dabei keine Rede. Im Gegenteil: Die Polizeiausbildung wird sehr wertgeschätzt. Wir stellen das zweitgrößte Kontingent im Bereich der Polizeiausbildung. Wir sind mit 200 Polizeibeamten im bilateralen Projekt tätig und können pro Jahr 5000 afghanische Beamte ausbilden. Außerdem engagieren sich 30 Polizeibeamte im europäischen Projekt EUPOL. General Petraeus hat das ausdrücklich gewürdigt. Es wird auch akzeptiert, dass wir eine zivile Polizei haben und keine Gendarmerie. Ich habe deutlich gemacht, dass wir im Bereich der grenzpolizeilichen Ausbildung einen weiteren Schwerpunkt setzen werden."

Sie haben auch den afghanischen Innenminister getroffen. Dabei ging es um die Probleme, auf die man bei der Polizeiausbildung vor Ort trifft. Wie geht die afghanische Seite beispielsweise mit der grassierenden Korruption und der chronischen Unterbezahlung der Beamten um?

"Besonders positiv fand ich, dass der neue Innenminister, der erst seit drei Wochen im Amt ist, die Probleme klar benannt hat. Er hat nichts schön geredet, wie man es häufig in derartigen Gesprächen erlebt, sondern er hat die drängendsten Punkte offen angesprochen: die Korruption und auch die Tatsache, dass die Polizei in Afghanistan bei der Bevölkerung ein sehr schlechtes Image hat. Und er hat auch das Problem angesprochen, dass immer wieder Polizeibeamte überlaufen zu zivilen Sicherheitsfirmen, weil sie dort einfach besser bezahlt werden. Das ist ein viel größeres Problem als ein Überlaufen zu den Taliban."

Wie könnte man dieses Problem in den Griff bekommen?

"Natürlich müssen die Polizisten besser bezahlt werden. Ob man den Wettbewerb gegen die privaten Sicherheitsfirmen gewinnen kann, das wage ich zu bezweifeln. Wichtig ist insgesamt, dass die Position der Polizei gegenüber den anderen Anbietern gestärkt wird - und dass private Firmen irgendwann auch einmal zertifiziert werden müssen. So könnte verhindert werden, dass jedes Sicherheitsunternehmen einfach auf den Markt drängen kann."

Was motiviert die deutschen Polizisten, die vor Ort an der Ausbildung afghanischer Kollegen beteiligt sind, und welche Verbesserungswünsche haben sie konkret an Sie herangetragen?

"Zuerst einmal muss ich sagen, dass die deutschen Polizeibeamten extrem engagiert sind und von den afghanischen Polizeibeamten respektiert werden. Die Tätigkeit ist für sie befriedigend, weil dort wirklich etwas erreicht wird. Aber daneben bleiben natürlich auch andere Punkte hängen, zum Beispiel, dass wir über die Ausrüstung reden müssen. Da geht es um ganz praktische Fragen wie: Ist die angelieferte Hose die richtige? Was können wir qualitativ verbessern? Natürlich geht es auch immer wieder um die Frage der Bezahlung und um die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn die Polizeibeamten länger im Land blieben, um ihre gesammelte Erfahrung auch länger einbringen zu können. Und da wird auch Kritik laut, dass einige Bundesländer erfahrene Beamte nicht mehr nach Afghanistan lassen. Um all diese Themen ging es bei meinen Gesprächen mit den deutschen Polizisten vor Ort."

Wie sieht der Zeithorizont der Bundesregierung aus, was die Polizeiausbildung durch deutsche Polizisten in Afghanistan angeht?

"Unser Ziel ist es, das Land im Jahr 2014 in die Verantwortung der Afghanen zu geben. Und dafür ist die Polizeiausbildung natürlich das entscheidende Mittel. Wenn wir es nicht schaffen, staatliche Strukturen aufzubauen, die auch von der Bevölkerung respektiert werden, wird diese Übergabe nicht möglich sein. Deshalb ist die Polizeiausbildung von entscheidender Bedeutung. Die Polizisten müssen eine Waffe führen und bedienen können, sie müssen rechtsstaatliche Grundsätze kennen und Strukturen etablieren, die nicht so korrupt sind wie zur Zeit. Das ist das Niveau, von dem wir hier sprechen."


Das Interview führte Thomas Kohlmann
Redaktion: Esther Broders

Ole Schröder (CDU) ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium.