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Verhandlungen sollen zügig beginnen

8. Dezember 2009

Die Bundesregierung will die zivilen Opfer des Luftangriffs bei Kundus vor gut drei Monaten entschädigen. Der Angriff auf zwei von Taliban entführte Tanklaster hatte mindestens 142 Opfer gefordert.

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Die bei dem Luftangriff vom 4. September 2009 völlig zerstörten Tanklaster (Foto: AP)
Nach dem Luftangriff vom 4. September 2009Bild: AP

Bereits mehrfach hat der deutsch-afghanische Anwalt Karim Popal aus Bremen, der die Interessen von 78 Hinterbliebenen des Luftangriffs von Kundus vertritt, eine Lösung gefordert. Am Montag (07.12.2009) kündigte dazu der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Christian Dienst, in Berlin an, dass man zügig mit Popal verhandeln werde. Es gehe darum, "ohne Anerkennung einer Pflicht die Entschädigungsleistung und damit den Anspruch sich zu kümmern, umsetzen zu können".

Popal zeigte sich erfreut, dass die Bundesregierung reagiert und angekündigt habe, unbürokratisch und schnell helfen zu wollen. Er selbst sei gebeten worden, sich mit eigenen Vorschlägen zu beteiligen.

Entschädigung muss angemessen sein

Ebenso wie die Bundesregierung strebt der Anwalt dabei offenbar eine außergerichtliche Lösung an. Beiden Seiten geht es wohl darum, einen möglicherweise jahrelangen Streit vor Gericht zu vermeiden.

Für zusätzlichen Druck, zu einer Lösung zu kommen, dürfte die Ankündigung einiger Angehöriger gesorgt haben, den Internationalen Gerichtshof in Den Haag einschalten zu wollen.

In jedem Fall, so der Bremer Anwalt, werde es nicht reichen, den Angehörigen 1000 oder 2000 Euro zu zahlen. Vielmehr müsse das Existenzminimum der Hinterbliebenen gesichert werden. Dazu erläuterte Popal am Montag in einem Hörfunk-Interview, dass es in Afghanistan bedauerlicher Weise so sei, dass eine Frau auf einen Mann angewiesen sei. Und wenn Männer bei einem derartigen Angriff getötet würden, stünden die Frauen ohne Ernährer da.

Der Bremer Rechtsanwalt Karim Popal (Foto: picture alliance/ZB)
Der Bremer Rechtsanwalt Karim PopalBild: picture alliance / ZB

Popal, der am Mittwoch erneut nach Afghanistan zu seinen Mandaten fliegen will, hatte bei seinen vorangegangenen drei Reisen mit Angehörigen der Opfer gesprochen und eigene Nachforschungen zu dem Vorfall angestellt. Die Ergebnisse dieser Recherchen könne man selbstverständlich einem Untersuchungsausschuss, dem Verteidigungsministerium oder irgend jemandem, der sonst von Amts wegen daran Interesse habe, zur Verfügung stellen, sagte Popal. Im Unterschied zum weiterhin geheimen offiziellen NATO-Bericht, der 142 Todesopfer ausweist, spricht der Bremer Anwalt mit afghanischen Wurzeln im Ergebnis seiner Recherchen vor Ort von 179 Opfern.

Entschädigung mit großer Wirkung

Als 19-Jähriger war Popal nach Deutschland gekommen. Der inzwischen 50-Jährige betonte, dass er für die Vertretung der Opfer keine Honorare erhält und seine Reisen aus eigener Tasche finanziert.

In den vergangenen Wochen ist Popal zu einem begehrten Gesprächspartner nationaler und internationaler Medien geworden. Er hält Verbindungen nach Afghanistan und engagiert sich für die Ausbildung von Juristen und Polizisten im Lande.

Die jetzt von der Bundesregierung angekündigte Entschädigungsregelung ist nicht die erste dieser Art: Bereits im August 2008 war es zu einem Zwischenfall an einem Kontrollposten in der Nähe von Kundus gekommen. Der Fahrer eines Wagens hatte Aufforderungen zum Anhalten ignoriert. Als das Auto gezielt beschossen wurde, waren eine Frau und zwei Kinder getötet worden. Die Angehörigen hatten von der deutschen Regierung eine Entschädigung erhalten, über deren Einzelheiten aber nichts bekannt wurde.

Die jetzt zu verhandelnde Entschädigung für die Hinterbliebenen der Opfer des Luftangriffs von Kundus habe eine ganz wichtige Nebenwirkung, so Popal: Sie sei nämlich auch ein Schlag ins Gesicht der Taliban und spreche "für Deutschland und für unser Rechtssystem und unsere Rechtsstaatlichkeit". "Ich möchte sehr gerne, dass diese wichtige Tatsache, auf die wir sehr stolz sind, auch in Afghanistan gut ankommt."

Autor: Hartmut Lüning (dpa, AP)
Redaktion: Kay-Alexander Scholz