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Neuer Antisemitismus in Berlin?

André Leslie28. September 2012

Nach einer Attacke auf einen Rabbiner vor einem Monat haben zwei weitere antisemitische Vorfälle die Hauptstadt in dieser Woche erschüttert. Das Jüdische Forum in Berlin sieht ein gesellschaftliches Problem.

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Straßenbild Berlin (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Er war nach eigener Darstellung vor dem Angriff mit seinen Kindern in einer Synagoge gewesen. Auf der Straße habe ihn ein Mann angesprochen und aufgefordert, dahin zurückzugehen, wo er herkomme. "Während des Vorfalls ist es zu lautstarken Auseinandersetzungen und der Androhung von körperlicher Gewalt durch den Täter gekommen", sagte Stephan Kramer, der Generalsekretär des Zentralrats der Juden. Am gleichen Tag wurde einer Familie im Stadtteil Dahlem im Taxi die Weiterfahrt verweigert, weil sie eine Synagoge besuchen wollte.

Beide Fälle werden zurzeit polizeilich verfolgt. Sie ereigneten sich knapp einen Monat nach der Attacke auf einen Rabbiner, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte: Dabei wurde der 53-jährige Daniel Alter im Beisein seiner Tochter von Jugendlichen geschlagen und antisemitisch beleidigt. Nach seinen Angaben waren die Täter arabischstämmig.

Rabbiner Daniel Alter (Foto: dpa)
Der Rabbiner Daniel Alter wurde auf offener Straße im Berliner Stadtteil Frohnau angegriffenBild: picture-alliance/dpa

Levi Salomon, Sprecher der Jüdischen Forums in Berlin, glaubt trotzdem nicht, dass Berlin in letzter Zeit judenfeindlicher geworden ist. "Diese Stadt spiegelt nur die Gesellschaft generell. Ich glaube, Antisemitismus ist einfach in Deutschland tief verankert."

Medien und Politik kritisieren

Über die zwei Vorfälle vom Mittwoch (26.09.2012) wurde in allen großen Tageszeitungen in Berlin ausführlich berichtet. Die "Berliner Zeitung" schrieb in einem Kommentar, dass die Gesellschaft auf diese Ereignisse reagieren müsse. "Es reicht nicht mehr aus, die Stimme der Vernunft zu beschwören. Die Bedrohung der Berliner Juden ist ein nicht hinzunehmender Angriff auf den sozialen Frieden."

Auch Berlins Regierender Bürgermeister, Klaus Wowereit, kritisierte die Vorfälle scharf und forderte die Berliner auf, Farbe zu bekennen. "Über die konsequente Reaktion der Sicherheitsbehörden hinaus bleibt es auch immer wieder Aufgabe der Zivilgesellschaft, jede Form von Antisemitismus und Fremdenhass zu ächten", sagte er in einer offiziellen Pressemitteilung auf seiner Internetseite.

Klaus Wowereit (Foto: dpa)
Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit äußerte sich nach den Vorfällen kritischBild: picture-alliance/dpa

Die Vorfälle ereigneten sich am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Ob das eine Motivation hinter den Vorfällen war, bleibt unklar. Regierungssprecher Steffen Seibert wünschte an diesem Tag im Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel allen Juden in Deutschland einen guten Jom Kippur.

Schlechtes Timing

Levi Salomon glaubt, dass die aktuelle politische Debatte über religiös begründete Beschneidungen ein Grund ist, warum antisemitische Vorfälle in Deutschland zurzeit zunehmen. Ein Kölner Landgericht hatte im Mai Beschneidungen von Jungen aus religiösen Gründen als strafbare Körperverletzung gewertet. Die Entscheidung wurde sowohl von jüdischen als auch muslimischen Verbänden kritisiert. Der Bundestag hatte im Juli einen Antrag angenommen, wonach die Bundesregierung bis zum Herbst eine gesetzliche Grundlage für religiöse Beschneidungen schaffen soll.

Teilnehmer des Flashmobs (Foto: dpa)
Kippa-Flashmob auf dem Berliner Ku'damm - ein Protest gegen Intoleranz gegenüber Menschen jüdischen GlaubensBild: dapd

Auch wenn viele Politiker über Antisemitismus aufgeklärt seien, sähen einige in der Gesellschaft die Möglichkeit "sich jetzt mehr zu trauen", glaubt Salomon. Der beste Weg, die antisemitischen Attacken und Vorfälle zu reduzieren, sei es, die Gesellschaft langsam zu ändern. "Eine gesamt-gesellschaftliche Debatte über die Zukunft des Judentums in Deutschland ist nicht nur empfehlenswert - sie ist notwendig."