1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Polizist soll Flüchtlinge misshandelt haben

Naomi Conrad/Dagmar Breitenbach 18. Mai 2015

In Hannover sollen Bundespolizisten mindestens zwei Flüchtlinge körperlich misshandelt und erniedrigt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Flüchtlingsorganisationen sind entsetzt.

https://p.dw.com/p/1FRPY
Wache der Bundespolizeiinspektion in Hannover (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Eine menschenverachtende und grausame Nachricht, die einem den Magen umdreht: "Hab dem meine Finger in die Nase gesteckt. Und gewürgt. War witzig. Und an den Fußfesseln durch die Wache geschliffen. Das war so schön."

Die Nachricht soll ein Bundespolizist in Hannover im März vergangenen Jahres per WhatsApp an Kollegen geschickt haben. Sein Opfer: Ein 19-Jähriger Flüchtling aus Afghanistan. Das geht aus einem Bericht des Senders Norddeutscher Rundfunk (NDR) hervor. Demnach soll der Mann wegen geringfügiger Verstöße aufgefallen sein, unter anderem soll er bei einer Polizeikontrolle keinen Pass dabei gehabt haben. Die Polizisten nahmen ihn mit zur Polizeiwache im Hauptbahnhof von Hannover: Dort, in einer Polizeizelle, soll er dann misshandelt und gedemütigt worden sein.

Doch das ist nicht der einzige Fall: Ein halbes Jahr später, so die Recherchen des NDR, wurde ein 19-Jähriger Marokkaner aus Tanger von der Bundespolizei Hannover festgehalten, da er ohne Fahrkarte im Zug unterwegs war. Auch dieser Flüchtling soll in einer Zelle der Polizeistation misshandelt worden sein. Wieder belegt dies nach Angaben des NDR eine Nachricht des Polizisten, in der er mit seinen Taten prahlt. Der Marokkaner, so die vom NDR zitierte Nachricht, habe "geqikt wie ein Schwein. Dann hat der Bastard erst mal den Rest gammeliges Schweinefleisch aus dem Kühlschrank gefressen. vom Boden." [Schreibweise wie im Orginal; Anm. d. Red.]

Was wussten die Vorgesetzten?

Ein Handy-Photo, das ebenfalls von dem Polizisten stammen soll, zeigt einen Mann, der sich auf dem weiß gekachelten Boden krümmt, die Hände sind gefesselt, die Beine unnatürlich verdreht. Daneben sind zwei Stiefel zu sehen, möglicherweise von zwei Polizeibeamten. Wussten also andere Kollegen, sogar Vorgesetzte von dem Fall, haben gar Beihilfe geleistet bei den Misshandlungen?

Möglicherweise: In einer vom NDR zitierten Handy-Nachrichten wird ein Vorgesetzter erwähnt: "XY (der unmittelbar Vorgesetzte, Anm. d. Red.) hat gesagt, dass er ihn oben gehört hat."

Die Staatsanwaltschaft in Hannover ermittelt bereits gegen den Beamten der Bundespolizei wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt und des Verstoßes gegen das Waffengesetz. Bei einer Hausdurchsuchung in der Wohnung des Polizisten sei eine illegale Waffe sichergestellt worden, so Oberstaatsanwalt Thomas Klinge.

Flüchtlingsorganisation: erschreckendes Ausmaß an Rassismus

Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Nils Muiznieks, hat die mutmaßlichen Gewalttaten verurteilt. "Polizei-Misshandlung von Flüchtlingen in Hannover ist inakzeptabel", schrieb der lettische Politiker im Kurznachrichtendienst Twitter.

Bundespolizeipräsident Dieter Romann kündigte Konsequenzen an. Sollten sich "die zum Teil erheblichen Vorwürfe" auch nur ansatzweise bestätigen, werde die Bundespolizei "gegen den oder die betreffenden Beamten mit aller Konsequenz vorgehen", sagte Romann der "Bild"-Zeitung.

Der Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation ProAsyl zeigte sich im Gespräch mit der DW erschreckt über das "Ausmaß an Rassismus und Menschenverachtung. "Er könne", so Burkhardt, "sich immer noch nicht vorstellen, dass in Deutschland, einer Demokratie, ein Staatsbeamter Flüchtlinge foltert." Burkhardt fordert eine Überprüfung der Bundespolizei im Hinblick auf rassistischen Umgang mit Flüchtlingen, um auszuschließen, dass in anderen Dienststellen ähnliches vorkommen könne.

Polizeigewerkschaft: "Schwerwiegender Fall"

Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sprach von einem "schwerwiegenden Fall". Sollten andere Polizisten involviert gewesen sein, oder von dem Fall gewusst haben, dann müsste es durchaus Konsequenzen geben, so Wendt im Gespräch mit der DW. Gleichzeitig betonte er, dass die Gewerkschaft sich bemühe, "den Vorwurf gegen einen Polizisten nicht zur Krise gegen die Polizei werden zu lassen".

Ein Sprecher des Innenministeriums, das die Aufsicht über die Bundespolizei hat, erklärte unterdessen am Montag, dass die Vorwürfe "gravierend" seien. Die Aufklärung des Vorfalls liege bei der Staatsanwaltschaft in Hannover. Die Regierung aber unterstütze die Ermittlungen "mit voller Kraft". Bislang ist noch unklar, ob es weitere Opfer gibt.