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Politik

Entsetzen über mutmaßlichen Giftgasangriff

8. April 2018

Vermutlich ist der Einsatz von Giftgas in Ost-Ghuta für den Tod von zahlreichen Menschen verantwortlich. Die EU hält die Berichte für glaubwürdig. Syriens Staatsmedien weisen jedoch jegliche Schuld zurück.

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Konflikt in Syrien Duma
Bild: picture-alliance/dpa/A. Safarja

Bei Angriffen der syrischen Armee auf die letzte noch verbliebene Rebellenhochburg in Ost-Ghuta sind zahlreiche Menschen getötet worden. Hilfsorganisationen berichteten in der Nacht zum Sonntag von einem mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen. Nach Angaben der Rettungsorganisation Weißhelme soll von einem Hubschrauber aus eine Fassbombe mit Chemikalien über der Stadt Duma abgeworfen worden sein. Dabei seien mindestens 150 Menschen getötet und mehr als 1000 verletzt worden.

Schockierende Fotos

Ganze Familien seien in ihren Schutzunterkünften erstickt. Die Zahl der Opfer steige beständig. Auf ihrem Twitter-Konto veröffentlichten die Helfer schockierende Fotos der mutmaßlichen Opfer. Auch die Hilfsorganisation UOSSM geht von einem Giftgasangriff aus. Retter hätten große Probleme, an die Opfer zu gelangen.

Darunter sei eine beträchtliche Zahl von Kindern, sagte ein Sprecher. Es sei über den Geruch von Chlor berichtet worden, Retter glaubten jedoch an die Verwendung von Sarin-Gas. "Das ist eine der schlimmsten chemischen Attacken in der syrischen Geschichte", betonte der UOSSM-Vorsitzende Ghanem Tayara.

UN sind "tief besorgt"

Für die EU deutet alles darauf hin, dass die syrische Regierung erneut Chemiewaffen eingesetzt hat, wie der Auswärtige Dienst in Brüssel erklärte. Die EU forderte Russland und den Iran als Unterstützer von Syriens Machthaber Baschar al-Assad dazu auf, ihren Einfluss zu nutzen, weitere derartige Angriffe zu verhindern. Das Auswärtige Amt in Berlin forderte, die Verantwortlichen für diese Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. 

UN-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich "tief besorgt" und "beunruhigt". Zwar könnten die Vereinten Nationen die Berichte nicht überprüfen, aber ein nachgewiesener Einsatz von Chemiewaffen wäre "abscheulich", teilte Guterres mit. Er forderte alle Parteien in dem Bürgerkrieg auf, die Kämpfe einzustellen und humanitäre Hilfe für die Bevölkerung in Syrien zu ermöglichen.

Die US-Regierung erklärte, man folge den beunruhigenden Nachrichten über einen weiteren mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien genau. Sollten sich die grauenerregenden Berichte bestätigen, sei eine sofortige Antwort der internationalen Gemeinschaft gefordert, teilte die Sprecherin des Außenministeriums, Heather Nauert, mit. Es gehe darum, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die Chemiewaffen einsetzten - in Syrien oder anderswo, so Nauert.

Trump kündigt Vergeltung an 

Auch US-Präsident Donald Trump meldete sich zu Wort: In einem Tweet verurteilte er den "sinnlosen Chemieangriff" in Syrien. Die Verantwortlichen müssten einen "hohen Preis" dafür bezahlen. Der US-Präsident wies Russland und dem Iran eine Mitverantwortung zu, da sie Staatschef Baschar al-Assad unterstützten. Trump nannte Assad ein "Vieh". 

Papst Franziskus verurteilt Einsatz von Chemiewaffen 

Papst Franziskus hat den Einsatz von Chemiewaffen in scharfen Worten verurteilt. Vor tausenden Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom beklagte das Kirchenoberhaupt, nichts könne den Einsatz solcher Mittel gegen "wehrlose Menschen" rechtfertigen. Es gebe weder einen "guten" noch einen "schlechten" Krieg. Franziskus forderte die Gläubigen zum Gebet für die politischen und militärischen Anführer auf, damit diese den Weg der Verhandlungen beschritten.

Rebellen geben Ost-Ghuta auf

Lügen vor der Niederlage?

Die syrische Nachrichtenagentur Sana wies die Berichte als unwahr zurück. "Einige Medien, die für ihre Unterstützung der Terroristen bekannt sind, behaupten, dass die Armee chemische Waffen in der Stadt Duma benutzt habe." Derartige Berichte dienten aber nur dazu, das Vorrücken der syrischen Armee zu behindern. Die Rebellen stünden vor der Niederlage und würden jetzt Unwahrheiten verbreiten.

Das russische Militär wies ebenfalls Vorwürfe von Aktivisten und Hilfsorganisationen zurück, nach denen syrische Truppen Giftgas im umkämpften Duma eingesetzt hätten. Es handele sich um "fabrizierte Anschuldigungen", sagte Generalmajor Juri Jewtuschenko der Agentur Interfax. 

Die syrische Armee hatte mit Unterstützung Russlands in den vergangenen Wochen einen massiven Militäreinsatz im Rebellengebiet Ost-Ghuta durchgeführt. Das Gebiet, das an die Hauptstadt Damaskus angrenzt, war jahrelang belagert. Ein Großteil der Rebellen hat sich nach Absprachen mit der syrischen Führung inzwischen aus der Region zurückgezogen. Lediglich die Stadt Duma wird noch von Kämpfern der Gruppe Dschaisch al-Islam gehalten.

Syriens Regierung verkündet Einigung auf Evakuierung von Duma

Derweil haben sich Regierung und Rebellen nach staatlichen Angaben darauf geeinigt, dass die Kämpfer die letzte von ihnen kontrollierte Stadt in Ost-Ghuta verlassen. Alle Kämpfer der Gruppe Dschaisch al-Islam (Armee des Islam), die Duma kontrollieren, könnten die Stadt sicher verlassen, berichtete die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana. Zudem würden alle Gefangenen, die sich in der Gewalt der Gruppe befänden, übergeben. Die Rebellen sollten schließlich in die nordsyrische Stadt Dscharablus gebracht werden, zitierte die staatliche Agentur eine "offizielle Quelle". Die ersten Busse zum Abtransport der Kämpfer seien bereits in Duma angekommen. Die Rebellengruppe äußerte sich zunächst nicht zu der Übereinkunft. Duma ist das letzte Gebiet in der Region Ost-Ghuta, das bislang noch in der Hand der Aufständischen ist.

haz/wa/as (dpa, rtr, afp)