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Entwicklung durch Sprache

19. August 2009

In Köln treffen sich derzeit Sprachwissenschafter aus aller Welt. Sie diskutieren die Möglichkeit, die afrikanischen Sprachen mehr zu fördern.

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Sierra Leone Schule Schülerinnen und Schüler (Foto:dpa)
Unterricht in einer Fremdsprache?Bild: picture-alliance/dpa/T. Schulze

Der südafrikanische Sprachwissenschaftler Neville Alexander will sich beim 6. Weltkongress der Afrikanistik dafür einzusetzen, dass die afrikanischen Sprachen sowohl in der Bildungspolitik, wie auch in der Wirtschaft und in den internationalen Beziehungen stärker berücksichtigt werden. Denn die meisten Afrikaner sähen sich heutzutage gezwungen, immer häufiger in einer Fremdsprache kommunizieren zu müssen. Ein Grund dafür, warum die Entwicklung in Afrika so schleppend vorangehe, sagt Neville Alexander.

Der Einfluss der Sprache

afrikanisches Kind an Tafel (Foto: picture-alliance
Die spätere Karriere hängt von der Sprache abBild: picture-alliance/ ZB

Mehr als 2000 afrikanische Sprachen werden auf dem Kontinent gesprochen, doch obwohl allein 50 Millionen Menschen zum Beispiel Kisuaheli sprechen, sind Englisch, Französisch und Portugiesisch dominant. Die meisten Kinder auf dem afrikanischen Kontinent werden nicht länger als drei Jahre in ihrer Muttersprache unterrichtet. Das hat verheerende Folgen, denn ein Großteil der Schüler schafft die Prüfungen nicht, kann nicht aufs Gymnasium wechseln und schon gar nicht studieren. Wer zum Beispiel in Südafrika nicht mit Englisch oder Afrikaans als Muttersprache aufwächst, hat kaum eine Chance, später Karriere zu machen. Das treffe auf die meisten schwarzen Kinder im Land zu, sagt Alexander. "Wenn das System nicht auf den Muttersprachen der Kinder und der Lernenden basiert, werden wir tatsächlich sehr wenig Fortschritte machen können." Nur durch solch eine Abstimmung könne ein Fortschritt in Afrika erzielt werden, davon ist Alexander überzeugt.

Fremdsprachen grenzen aus

Der Afrikanist Mathias Brenzinger, der den Weltkongress im Rheinland organisiert hat, formuliert es noch drastischer. Sprache sei das politischste überhaupt, denn nur durch Sprache könne eine Entwicklung stattfinden. Durch das Ausschließen afrikanischer Sprachen werde gleichzeitig einem Großteil der Bevölkerung jegliche intellektuelle Entwicklung verwehrt, sagt Brenzinger. "Es sind Eliten, die untereinander in Fremdsprachen Entscheidungen treffen, Entscheidungsprozesse herbeiführen, und die Masse der afrikanischen Bevölkerung ist davon ausgeschlossen." Welchen Einfluss die Linguisten auf die Politik nehmen können, das diskutieren die Experten diese Woche in Köln. Mehr als 500 Sprachwissenschaftler sind angereist, um sich auszutauschen und gemeinsame Strategien zu entwickeln. Neville Alexander, einer der bekanntesten afrikanischen Sprachwissenschaftler, hat bereits eine konkrete Vorstellung davon. Denn alleine in seinem Land gibt es elf offizielle Sprachen. "Wir brauchen Mehrsprachigkeit, also alle Südafrikaner und Südafrikanerinnen der nächsten Generation sollen mindestens drei Sprachen können, südafrikanische Sprachen, wobei Englisch immer eine der drei Sprachen sein wird."Die Europäische Union habe heute eine ähnliche Vision, vermutet der Sprachwissenschaftler. Wie lange es jedoch dauere, bis man dieses Ziel verwirklichen könne, sei eine andere Frage. Doch wünschenswert sei es in jedem Fall, sagt Alexander.

Der Kampf geht weiter

(Foto:Matthias Brenzinger)
Neville Alexander kämpft für die afrikanischen SprachenBild: Matthias Brenzinger

Schon in den 60er Jahren hat der auch in Deutschland ausgebildete Sprachwissenschaftler gegen die Apartheid und für die benachteiligten Bevölkerungsschichten Südafrikas gekämpft. Damals jedoch als Guerilla-Kämpfer und mit einer Waffe in der Hand. Nach zehn Jahren Haft auf Robben Island, wo er auch seinen damaligen Mitgefangenen Nelson Mandela kennen gelernt hat, und weiteren Jahren unter Hausarrest, konnte sich Alexander Ende der 70er Jahre auf seine Arbeit als Linguist konzentrieren. Dieses Mal gewaltfrei, aber mit denselben Zielen wie zuvor. "Es geht um die Ermächtigung der ärmsten Leute, der benachteiligten Schichten, in meinem Fall der südafrikanischen Bevölkerung, aber überhaupt der afrikanischen Bevölkerung auf dem Kontinent." Deswegen sei der Kampf von heute eigentlich immer noch derselbe wie der Kampf damals, sagt Alexander und fügt hinzu: "In dem Sinne kann ich sagen: der Kampf geht weiter."

Autorin: Anne Allmeling

Redaktion: Michaela Paul