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Entzweit das Flüchtlingsproblem Europa?

Bernd Gräßler17. Juni 2015

Italien und Deutschland drängen auf eine gerechte Aufteilung der Ankommenden. Langfristig müssten Fluchtursachen bekämpft und die staatliche Ordnung im größten Transitland Libyen wieder hergestellt werden.

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Flüchtlinge in St. Ludovic am Mittelmeer (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/E. Gaillard

Im Streit um die Verteilung der im Süden Europas ankommenden Flüchtlingsströme sieht Außenminister Frank-Walter Steinmeier die 28 EU-Staaten "bei weitem noch nicht beieinander". Er habe sogar die Sorge, dass dies ein Thema werden könne, "das Europa entzweit", meinte Steinmeier nach einem Gespräch mit seinem italienischen Amtskollegen Paolo Gentiloni in Berlin. Zuvor war er mit den Botschaftern aller EU-Staaten in Berlin zusammengekommen.

Deutschland, Italien und andere Länder sind für verpflichtende Aufnahme-Quoten. Ein Vorschlag der EU-Kommission, zunächst 40.000 Flüchtlinge aus den Mittelmeerländern Italien und Griechenland auf andere EU-Staaten zu verteilen, stieß aber am Dienstag bei einer Innenministerkonferenz in Brüssel vor allem auf den Widerstand von mittel- und osteuropäischen Staaten.

Steinmeier und Gentiloni sind skeptisch, dass es bis zum EU-Gipfel kommende Woche zu einer Einigung kommt. Der italienische Außenminister sagte während eines Vortrags vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin, er rechne eher mit einer Einigung im Juli auf dem nächsten Treffen des Europäischen Rates. Gentiloni wies mit Blick auf die Verweigerungshaltung osteuropäischer Länder zugleich darauf hin, dass sich Flüchtlingsströme in Zukunft auch ändern könnten. Dann seien vielleicht andere Länder auf europäische Solidarität angewiesen.

"Wir brauchen keine Weckrufe mehr"

Die Umverteilung von 24.000 Flüchtlingen auf andere Länder innerhalb von zwei Jahren ist aus Sicht der Italiener ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein. So viele Menschen kämen derzeit pro Monat in seinem Land an, sagte Gentiloni. Aber eine Einigung wäre ein wichtiges politisches Signal angesichts des Widerstandes gegen die Migration, der sich auch in den Wahlergebnissen rechter Parteien in verschiedenen Ländern zeige.

Wer die Nachrichten über die Flüchtlingskatastrophen auf dem Mittelmeer im Oktober 2013 und im April 2015 vergleiche, der lese jeweils das Wort "Weckruf", sagte Gentiloni und betonte." Wir brauchen keine Weckrufe mehr, wir müssen hellwach sein." Das Abkommen von Dublin müsse grundlegend diskutiert werden. Es sieht vor, dass jene Länder die Flüchtlinge aufnehmen müssen, in denen sie zuerst ankommen. So gelangten im vergangenen Jahr 170.000 Flüchtlinge nach Italien. Der italienische Außenminister forderte mehr Engagement Europas an den südlichen Grenzen und im Mittelmeerraum, wo sich Migration, Terrorismus, Gesetz- und Staatenlosigkeit, religiöse Konflikte, Jugendarbeitslosigkeit, Armut und Ungleichheit ballten.

Treffen von Außenminister Steinmeier und dem italienischen Außenminister Gentiloni (Foto: AP Photo/Markus Schreiber)
Wenigstens Deutschland und Italien sind sich einigBild: picture-alliance/AP/M. Schreiber

Problemfall Libyen

Steinmeier sprach von der Notwendigkeit einer "aktiven Migrations-Außenpolitik" der EU, die über verstärkte Seenot-Rettung und Bekämpfung von Menschenschmuggel hinausgehe. Neben der oft zitierten Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern nannte Steinmeier die Wiederherstellung organisierter Staatlichkeit in Libyen, dem wichtigsten Transitland für Flüchtlinge. Die in Libyen konkurrierenden Machteliten müssten gezwungen werden, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Außerdem müsse das Management an den Grenzen zu Libyen verbessert werden, damit die Flüchtlinge gar nicht erst in das libysche Kriegsgebiet gelangten.

Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, wollen Deutschland, Frankreich und Italien den in der zweiten Jahreshälfte in Malta stattfindenden EU-Afrika-Gipfel nutzen, um die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Herkunfts- und Durchgangsländern zu verbessern. Außerdem soll die Beratung und Ausbildung der Sicherheitskräfte in Mali und Niger durch die EU intensiviert werden. Die jeweilige "Capacity Building Mission" der Europäischen Union (EUCAP) in diesen Ländern soll um den Bereich des Grenz- und Migrationsmanagements erweitert werden. An beiden Missionen ist auch Deutschland bisher mit einigen Experten beteiligt.