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Epochenwende bei Rückversicherern

Johannes Beck2. Dezember 2001

Die Anschläge vom 11. September haben die Arbeit des weltgrößten Rückversicherers Münchener Rück verändert.

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Bild: AP

Damit hatte Larry Silverstein, der Pächter des World Trade Centers, nicht gerechnet: Dass beide der über 415 Meter hohen Türme des World Trade Centers nach einem Terroranschlag einstürzen könnten, hatte er nicht für möglich gehalten. Daher hat er sich auch nur gegen den Einsturz eines Gebäudes versichert.

Doch nicht nur für Silverstein, auch für den weltweit größten Rückversicherer, die Münchener Rück - sozusagen die Versicherung der Versicherungen -, sprengten die Anschläge vom 11. September alle bisherigen Vorstellungen über das Ausmaß von Terrorschäden.

Insgesamt werden die Schäden der Anschläge vom 11. September auf etwa 40 Milliarden US-Dollar geschätzt - der größte Versicherungsfall der Geschichte. Das schlägt sich auch in den jüngsten Quartalszahlen der Münchener Rück nieder. Vorstandschef Hans-Jürgen Schinzler: "Bei einer unveränderten Schadenserwartung von 2,1 Milliarden Euro vor Steuern wird der 11. September 2001 tiefe Spuren in unserem Jahresabschluss und unserem Ergebnis für das Gesamtjahr hinterlassen."

Quartalsergebnis bricht ein

Die genauen Zahlen: Mit einem Verlust nach Steuern von 1,2 Milliarden Euro sank die Münchener Rück im dritten Quartal tief in die roten Zahlen. Ohne die Anschläge hätte man einen Gewinn von 250 Millionen Euro gemacht.

Es drückten aber auch noch andere Ereignisse auf die Bilanz: Im August musste die Chemiefirma Bayer das cholesterinsenkende Medikament Baycol/Lipobay wegen befürchteter Nebenwirkungen vom Markt nehmen. Im September havarierte zudem der Nachrichtensatellit PAS 7. Im selben Monat verwüstete der Taifun "Nari" Taiwan, und im französischen Toulouse explodierte eine Fabrik des Ölkonzerns TotalFinaElf.

Gestärkt durch die Anschläge

Nach dieser ungewöhnlichen Häufung von Großschäden innerhalb des dritten Quartals hofft die Unternehmensführung nun darauf, dass sich im vierten Quartal die Lage beruhigt. Sollte es dabei bleiben, will man das Gesamtjahr 2001 mit einem Gewinn abschließen.

Insgesamt rechnet Vorstand Stefan Heyd sogar damit, dass die Anschläge auf das World Trade Center die Münchener Rück langfristig stärken werden: "Die Terrorschäden vom 11. September sind durch ihre Art und ihre Dimension eine Bewährungsprobe für den ganzen Markt." Die Anschläge hätten demonstriert, wie unverzichtbar Rückversicherung gerade heute sei, betont Heyd: "Sie trennen gleichzeitig die Spreu vom Weizen, zwingen nämlich die Erstversicherer zu der Überlegung, wo die Sicherheit wirklich liegt und wo sie künftig nachzufragen ist."

Die Münchener Rück ist überzeugt, aus diesem Prozess als Gewinner hervorzugehen. Mit seiner 120jähriger Erfahrung und Rückstellungen von über 140 Milliarden Euro sieht sich das weltgrößte Rückversicherungsunternehmen auch für zukünftige Großschäden wie Wirbelstürme, Erdbeben oder weitere Terrorattacken gut gerüstet.

Das Unternehmen will in Zukunft weiter Marktanteile gewinnen. Das soll aber nicht auf Kosten des Gewinns gehen, sagt Vorstandsvorsitzender Schinzler: "Beim Underwriting - also der Übernahme von Risiken - stellen wir Ergebnis vor Wachstum. Wir werden dementsprechend hart über Preise und Bedingungen verhandeln. Und von Kunden, die sich einer risikogerechten Neubewertung der gemeinsam mit uns getragenen Risiken entziehen, werden wir uns trennen."

Harte Zeiten für die Erstversicherer

Überhaupt werden auf die Rückversicherungs-Kunden härtere Zeiten zukommen. Zum einen werden in Zukunft die Prämien, also die Preise, steigen - derzeit sind sie bereits um etwa ein Viertel gestiegen. Zum anderen will die Münchener Rück die Kündigungsfristen bei Terrorrisiken deutlich verkürzen.

Und manche Risiken, die bisher einfach mitversichert wurden, werden die Rückversicherer zukünftig gar nicht mehr abdecken, kündigte Vorstand Stefan Heyd an: "Flächengreifende Kontaminationen durch atomare, biologische oder chemische Verseuchung als Folge terroristischer Angriffe lassen sich beim besten Willen nicht kalkulierbar machen. Entsprechende Ausschlüsse, die teilweise heute schon existieren, müssen daher künftig zum Standardinhalt unserer Rückversicherungsverträge gehören."