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"Er wird Wert darauf legen, akzeptiert zu werden"

14. Juni 2004

- Ivan Gasparovic neuer Präsident der Slowakischen Republik

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Bonn, 14.6.2004, DW-RADIO, Vladimir Müller

Mit seinem Sieg hatte kaum jemand gerechnet: Ivan Gasparovic schlug schon in der ersten Runde der Präsidentenwahl in der Slowakei den Favoriten und langjährigen Außenminister Eduard Kukan. In der Stichwahl am 17. April triumphierte er dann auch über den umstrittenen Ex-Ministerpräsidenten Vladimir Meciar. Am Dienstag (15.6.) wird Ivan Gasparovic in das höchste Amt der jüngsten Republik Europas eingeführt. Wer ist dieser Politiker, der im Ausland so gut wie unbekannt ist? Vladimir Müller stellt den neuen slowakischen Staatspräsidenten

Gewählt wurde der 63-jähriger Jurist als das so genannte "kleinere Übel" - die Vorstellung eines eventuellen Come-back des autoritären Meciar hatte zum Schluss doch auf viele Wähler mobilisierend gewirkt. Dass er das Präsidentenamt auch und vor allem mit Hilfe politischer Gegner errungen hat, weiß Gasparovic: Gleich nach der Wahl verkündete er, Präsident aller Bürger werden zu wollen.

Der leidenschaftliche Sportsfreund war seit 1968 Hochschullehrer, bald nach der "samtenen Revolution" 1989 wurde Gasparovic zum Generalstaatsanwalt der damaligen Tschechoslowakei ernannt. Mit wenig Erfolg: Präsident Vaclav Havel musste ihn nach zwei Jahren wegen Untätigkeit entlassen.

Politische Karriere machte Gasparovic in der "Bewegung für eine demokratische Slowakei" (HZDS), in der er zehn Jahre - bis 2002 - engster Weggefährte Vladimir Meciars war. Als Parlamentspräsident beteiligte sich Gasparovic an fragwürdigen, ja verfassungswidrigen Entscheidungen. Aufgrund dessen wurde die Slowakei - die inzwischen NATO- und EU-Mitglied ist - zunächst von den Beitrittsverhandlungen mit beiden Organisationen ausgeschlossen.

Droht dem Land mit dem Präsidenten Gasparovic ein Rückfall in die Zeit der Isolation und EU-Protestnoten? Die Politologin Sonja Szomolányi ist gelassen:

"Ich sehe das nicht so dramatisch, obwohl ich mir natürlich einen Präsidenten vorstellen könnte, der für die Slowakei repräsentativer wäre. Gasparovic hat schon in der Meciar-Ära auf keinen Fall eine extreme Position vertreten. Und ich glaube nicht, dass er jetzt so agieren wird, dass die Slowakei erneut negative Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnte."

Erst vor zwei Jahren trennte sich Gasparovic von Meciar, weil ihm dieser einen aussichtsreichen Listenplatz vor der Parlamentswahl 2002 verweigert hatte. So gründete Gasparovic eine eigene Partei - die "Bewegung für Demokratie" (HZD) -, die allerdings den Einzug ins Bratislaver Parlament verpasst hat. Bei den Präsidentenwahlen im April erhielt Gasparovic Unterstützung von kleinen rechts-nationalen Parteien. Vor allem aber: der Linkspopulist Robert Fico rief zu seiner Wahl auf. Dessen Protestpartei "Smer" ("Richtung") hat zurzeit mit etwa 25 Prozent die stärksten Sympathien unter den 4,2 Millionen slowakischen Wählern.

Wo steht also politisch der neue Präsident, der sich selbst als "eher links" bezeichnet?

"Ich glaube nicht, dass Gasparovic sich voll auf die Seite all der Gruppen und Parteien schlägt - auch der nationalistischen -, die ihn vor der Wahl unterstützt haben. Schließlich haben wir schon Erfahrungen damit: Wenn man als Staatspräsident gewählt wird und entsprechende Vollmachten erlangt, wird man unabhängig und man wird sich nicht auf irgendwelche marginale Gruppierungen stützen."

Für die regierende Koalition des christdemokratischen Ministerpräsidenten Mikulas Dzurinda könnte der neue Präsident trotzdem unangenehm werden. Gasparovic hat bereits einen Tag nach der Wahl erklärt, dass ihm die radikalen wirtschafts-liberalen Reformen der Mitte-Rechts-Regierung zu weit gingen. Bei Verabschiedung von Gesetzen könnte er also sein Veto einlegen, das das Parlament dann nur mit absoluter Mehrheit überstimmen könnte. Diese Mehrheit hat die Dzurinda-Regierung inzwischen verloren.

Trotzdem kein Grund zur Beunruhigung, meint die Politologin Sonja Szomolányi, in der Slowakei seien doch die Bedingungen für eine stabile Minderheitsregierung gegeben:

"Die Opposition ist zersplittert, so dass sie als Ganzes keine Mehrheit hat und die Regierung nicht ablösen kann. Es werden von Fall zu Fall wechselnde Mehrheiten entstehen, doch angesichts der hohen Zahl von so genannten unabhängigen Abgeordneten, gibt es im Parlament ein großes Reservoir von Regierungsunterstützern."

Ausgestattet mit hauptsächlich repräsentativen Vollmachten könnte dann Ivan Gasparovic wenig gegen die Reformvorhaben der Regierung ausrichten.

Außenpolitisch hat sich Ivan Gasparovic nur sporadisch geäußert. Kritiker verweisen auf seine halbherzige Unterstützung des Integrationsprozesses der Slowakei in die EU und NATO. Ein Glückwunsch-Telegramm aus Brüssel erhielt Gasparovic auch erst mit einigen Tagen Verspätung. Doch überraschte der neue Präsident Freund und Feind, als er es kurz nach seiner Wahl abgelehnt hatte, die etwa 100 slowakischen Soldaten eventuell aus dem Irak abzuziehen. Eine solche Haltung gehört auch in der Slowakei eher zu den unpopulären.

Für Sonja Szomolányi sind deshalb Befürchtungen, die Slowakei könnte außenpolitisch einen eigenen Weg gehen, fehl am Platz:

"Ich denke, Gasparovic wird Wert darauf legen, nicht nur von seinen Kollegen im Mitteleuropa akzeptiert zu werden, sondern auch von denen in den alten EU-Ländern. Vielleicht wird er mehr Kritik an Brüssel üben als der bisherige Präsident, doch als 'Euro-Skeptiker' geht Gasparovic nicht durch." (fp)