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Erasmus-Programm in Geldnot

Jannis Papadimitriou27. Oktober 2012

Seit 1987 gibt es das europäische Erasmus-Programm: Es unterstützt Studenten und Dozenten bei einem Studienaufenthalt im europäischen Ausland. Doch jetzt wird das Geld für Erasmus knapp.

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Studentin im Ersasmus-Programm mit dem Stadtplan (Foto: DW/lightpoet)
Erasmus-Programm ist sehr erfolgreichBild: lightpoet/Fotolia

Nach Angaben der EU-Kommission zeichnet sich im laufenden Erasmus-Etat eine Finanzierungslücke von 90 Millionen Euro ab, die durch einen Nachtragshaushalt abgedeckt werden soll - andernfalls würden den Studierenden bereits im Studienjahr 2012/13 Kürzungen drohen. Im Klartext: Wer einen Erasmus-Austauschplatz für 2013 erhalten hat, weiß im Moment noch gar nicht, ob sein Auslandsaufenthalt im nächsten Jahr tatsächlich stattfindet.

Damit würde Erasmus zum Opfer seines Erfolgs werden: 99 Prozent der für das ganze Jahr 2012 vorgesehenen Finanzmittel waren bereits im Oktober abgerufen, weil das Programm immer mehr an Attraktivität gewinnt. Nun stößt der Nachtragshaushalt in vielen europäischen Hauptstädten auf Vorbehalte. Dabei hätten die Mitgliedstaaten bei jeder sich bietenden Gelegenheit die europäischen Bildungsprogramme gerühmt und deren Finanzierung zugesichert, klagen die EU-Abgeordneten.

Streit ums Geld in Europa

Hätte man sich nicht lieber früher um eine Einigung mit dem Rat bemühen sollen? Klare Ansage von der Vorsitzenden des Kulturausschusses im Europäischen Parlament Doris Pack (CDU): "Es geht ja gar nicht um eine Einigung. Wir müssen ja nichts verhandeln. Man muss uns geben, was uns zusteht und man muss den Studierenden das geben, was ihnen versprochen wurde", erklärt die deutsche EU-Abgeordnete. Es müsse einen Nachtragshaushalt geben, in den das Geld eingestellt werde - und zwar im Rahmen dessen, was vor fünf Jahren zugesichert wurde, nicht mehr und nicht weniger.

Doris Pack, Vorsitzende des Kulturausschusses im Europäischen Parlament. (CDU/CSU) (Foto: Reiner Voß)
Doris Pack: Erasmus-Programm muss erhalten und ausgeweitet werdenBild: picture-alliance/dpa

In Europa wird zurzeit viel gestritten ums liebe Geld. Gefeilscht wird nicht nur um das Budget der EU-Bildungsprogramme, sondern auch um den Haushalt für 2013 und vor allem um die mehrjährige Finanzplanung Europas für den Zeitraum 2014 bis 2020, von den möglichen Rettungspaketen für Krisenländer ganz zu schweigen.

Die EU-Abgeordnete und haushaltspolitische Sprecherin der europäischen Grünen, Helga Trüpel, ist der Auffassung, man müsse nur an der richtigen Stelle sparen - etwa bei Tabaksubventionen. In ungewöhnlich scharfer Form kritisiert die Politikerin den EU-Rat für seine bisherige Weigerung, einem Nachtragshaushalt für Erasmus zuzustimmen: "Sie sind vertragsbrüchig geworden. Sie haben nämlich Zahlungen zugesagt, die sie jetzt nicht leisten und das untergräbt die Glaubwürdigkeit des Europäischen Rates und leider damit auch die Glaubwürdigkeit der gesamten Europäischen Union. Das ist ein schwerer politischer Fehler", erklärt Helga Trüpel in Straßburg.

Der zypriotische Europaminister und amtierende EU-Ratsvorsitzende Andreas Mavroyannis verspricht eine schnelle Lösung. Einen konkreten Zeitrahmen wollte er jedoch nicht nennen. "Die Programme für lebenslanges Lernen, einschließlich Erasmus, gehören zu den erfolgreichsten EU-Programmen im Bildungsbereich. Seien Sie also versichert, dass die Finanzierung dieser Programme im universitären Jahr 2012/2013 nicht in Gefahr geraten wird", verspricht Mavrogiannis.

Ein europäischer Erfolgsprojekt

Seit 25 Jahren bietet Erasmus jungen Menschen aus ganz Europa die Möglichkeit, einen Teil ihres Studiums in einem anderen europäischen Land zu absolvieren. Mehr als 30.000 Deutsche haben von dieser Möglichkeit im Studienjahr 2010/2011 Gebrauch gemacht. Für Europa sei Erasmus ein Stück europäischer Erfolgspolitik, ebenso wichtig wie der Binnenmarkt und der Euro, erklärten EU-Abgeordnete aus mehreren Fraktionen bei der Debatte in Straßburg. Selbstverständlich sei man sich dessen bewusst, dass die Studierenden während ihres Auslandsaufenthalts nicht unbedingt die ganze Zeit an der Hochschule verbrächten, sondern auch Zeit für Muße in Anspruch nähmen. Aber das sei auch gut so, erklärt die griechische EU-Abgeordnete und Professorin für Archäologie an der Universität Thessaloniki Chryssoula Paliadelli.

Die Grüne Europapolitikerin Helga Trüpel (Foto: Foto: Tim Brakemeier (c) dpa)
Das Geld ist da, mann muss nur an der richtigen Stelle sparen, meint Helga TrüpelBild: picture-alliance/ dpa

"Allein der Gedankenaustausch kann unser Bild vom Anderen ändern und nachhaltig prägen. Das sehe ich aus eigener Erfahrung: Ich hatte viele ausländische Studenten an der Universität (Thessaloniki) und merkte, dass sich ihr Bild von Griechenland zum Besseren veränderte", sagt Paliadelli. Erasmus sei wichtig für die europäische Integration, weil es dazu beitrage, Gegensätze zu mildern und einem Streit die Spitze zu nehmen. Allein schon wegen dieser Horizonterweiterung sei das Programm wertvoll und zudem biete es auch die Chance, eine Fremdsprache viel besser zu lernen, meint die Hochschulprofessorin aus Thessaloniki.

Neue Ideen für Erasmus-Programm

Vom Erasmus-Budget werden die Verwaltungskosten für Verbindungsstellen an europäischen Universitäten und vor allem die Stipendien für Austauschstudenten finanziert. 200 Euro monatlich bekommt ein Erasmusstudent im Schnitt, und das sei leider nicht mehr als ein bescheidener Zuschuss, beklagt die deutsche EU-Abgeordnete Doris Pack. Sie habe schon öfters eine Erhöhung des Geldes vorgeschlagen, bisher ohne Erfolg. Immerhin hoffe sie auf Besserung im neuen Erasmus-Programm ab 2014, wenn bis dahin alle Finanzierungsfragen geklärt würden, sagt die Vorsitzende des Kulturausschusses im Europäischen Parlament.

Studenten im Erasmus Austauschprogramm (Foto: (DW / Roman Horbyk)
Auch Zeit für Muße muss sein - Studenten im Erasmus AustauschprogrammBild: DW

"In dem laufenden Programm ist das überhaupt nicht mehr möglich, denn da haben wir 200 Euro festgelegt und eigentlich ist das ungerecht, eigentlich bedeutet das ja auch, dass Erasmus eben nicht für alle ist, weil nur die gehen können, die zu den 200 Euro noch andere Möglichkeiten der Finanzierung haben - etwa die Eltern oder Großeltern oder vielleicht haben sie ja gearbeitet zwischendrin", klagt die deutsche Politikerin. Das sei dem Parlament immer schon ein Dorn im Auge gewesen. Um dem entgegenzutreten, solle es im neuen Programm für die Masterstudienzeit etwas Neues geben, nämlich, dass man sein ganzes Masterstudium in einem anderen Land machen kann und das mit einem günstig finanzierten Darlehen bezahlt. Die EU würde die Garantie hierfür übernehmen, erklärt Doris Pack.