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Erdogan lässt Panzer rollen gegen die PKK

20. Dezember 2015

Diyarbakir brennt: Mitten in Wohngebieten gibt es schwere Kämpfe, Jugendliche errichten Barrikaden. Der Konflikt mit den Kurden in der Türkei erreicht einen neuen Höhepunkt. Viele befürchten einen Bürgerkrieg.

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Türkische Panzer gegen die PKK in Sirnak (foto: picture alliance/Anadolu)
Bild: picture alliance/AA/Str

Mit Panzern und Scharfschützen seien die Sicherheitskräfte gegen die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) vorgerückt, und das mitten in Wohngebieten. Anwohner in der südosttürkischen Metropole Diyarbakir berichteten Korrespondenten, wie Armee und Polizei mit Knüppeln und Tränengas Jagd auf Demonstranten gemacht oder auch unbeteiligte Bürger schikaniert und mishandelt hätten.

Aktivisten der PKK-Jugendorganisation YDG-H heben Gräben aus, bauen Barrikaden und liefern sich Gefechte mit der Staatsmacht. Seit dem 2. Dezember gilt - mit einer kurzen Unterbrechung - rund um die Uhr eine Ausgangssperre in weiten Teilen der Altstadt. Das Militär kündigte an, die Operationen würden fortgesetzt, "bis öffentliche Ordnung hergestellt ist".

Bei der Armeeoffensive gegen die linksgerichtete PKK sind nach Medienberichten seit Mittwoch mehr als 100 Menschen getötet worden. 102 kurdische Milizionäre seien in den Provinzen Sirnak, Diyarbakir und Mardin gefallen, meldeten die Nachrichtenagenturen Anadolu und DHA unter Berufung auf Sicherheitskreise. Nach Angaben der Armee erhöhte sich die Zahl der getöteten Soldaten am Samstag auf zwei. Die PKK-nahe Agentur Firat berichtete, auch acht Zivilisten seien ums Leben gekommen.

Noch im Frühjahr hatte die islamisch-konservative Führung unter Recep Tayyip Erdogan mit der PKK über Frieden verhandelt. Inzwischen herrschen in Teilen der Südosttürkei bürgerkriegsähnliche Zustände. Erdogan sucht offenbar im Konflikt mit den radikalen Kurden eine Vorentscheidung. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu drohte, die kurdischen Extremisten - die auch in der EU und den USA auf der Liste der Terrororganisationen stehen - "Viertel um Viertel, Haus um Haus und Straße um Straße" zu bekämpfen.

Nach regierungsfeindlichen Kundgebungen liefern sich Jugendliche und Polizei in Diyarbakir Straßenschlachten (foto: dpa/PA)
Nach regierungsfeindlichen Kundgebungen liefern sich Jugendliche und Polizei in Diyarbakir StraßenschlachtenBild: picture-alliance/dpa

"In diesen Häusern sind keine Terroristen, sondern Zivilisten", meinte Abdusselam Inceören von der Menschenrechtsvereinigung IHD in Diyarbakir. Er hält die tagelangen Ausgangssperren für illegal - und wirft Erdogan und der Armee Menschenrechtsverletzungen vor. "Sie setzen Raketen und Panzer ein. Sie nehmen keine Rücksicht auf Frauen, Kinder und Alte." Der IHD-Vertreter für die Südosttürkei ist überzeugt: "Die Angriffe gelten dem kurdischen Volk."

Wie andere Bürgerrechtler in Europa beklagt Inceören ein großes Schweigen bei der Europäischen Union angesichts dieser Eskalation. "Es gibt keine Reaktion der EU. Europa verurteilt die Gewalt nicht einmal." Tatsächlich ist Kritik aus der EU am Beitrittskandidaten und NATO-Partner Türkei leise geworden, seit Ankara als Partner in der Flüchtlingskrise hofiert wird.

Auch der Chef der deutschen Grünen, Cem Özdemir, warnte die EU davor, Kritik an Staatspräsident Erdogan zurückzuhalten, damit dieser kooperiere: "Das Ziel, Flüchtlinge um jeden Preis aus der EU fernzuhalten, trägt zum Machtzuwachs Erdogans bei. Der Abbau von Freiheiten wird achselzuckend zur Kenntnis genommen. Es darf keinen Persilschein für Erdogan geben."

SC/pg (dpa, APE, ARD)