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Politik

Erfolg für niederländische Migrantenpartei

Wolfgang Dick
16. März 2017

Mit der Wahl in den Niederlanden wird die Partei "Denk" voraussichtlich mit drei Abgeordneten ins Parlament einziehen, die einen muslimischen Hintergrund haben. Kritiker werfen ihr eine zu große Nähe zu Erdogan vor.

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Niederlande Gründer der Partei Denk Ozturk und Kuzu
Selcuk Öztürk (l.) und Tunahan Kuzu (r.) - Gründer der Partei "Denk"Bild: picture-alliance/AA/Y. Yagci

"Denk" ist eine noch sehr junge Partei. Gegründet wurde sie in den Niederlanden Ende 2014 von den türkischstämmigen Abgeordneten Tunahan Kuzu und Selcuk Öztürk, die sich - wie viele junge Migranten - zunächst in der sozialdemokratischen Partei der Arbeit engagiert hatten. Bis ihnen deren Integrationspolitik zu schwach erschien. Sie wollten vor allem ein deutliches Gegengewicht zu Geert Wilders' rechtspopulistischer und fremdenfeindlicher Partei ins Leben rufen. Die Aufforderung "Denk" hat im Niederländischen dieselbe Bedeutung wie im Deutschen. Die Partei möchte ein Denk-Anstoß für junge Niederländer mit Migrationshintergrund sein. "Wir wollen für alle Nationalitäten da sein, die das Gefühl haben, dass andere Parteien nicht genügend für sie eintreten", sagt Denk-Mitglied Farid Azarkan, der aus Marokko stammt, im Gespräch mit der Deutschen Welle.     

Zum Wahlprogramm gehörten viele ungewöhnliche Ideen: Die Wörter "Integration" und "Ausländer" sollen zum Beispiel in den Niederlanden ganz abgeschafft werden und künftig nur noch von "gegenseitiger Akzeptanz" und "Mitbürgern" die Rede sein. Jede Form von Rassismus will man streng untersagen und in einem "Rassismus-Register" alle Personen festhalten, die sich in öffentlichen Ämtern rassistisch oder islamfeindlich äußern. Solche über soziale Medien verbreiteten Punkte brachten nach Angaben der Gründer zum einen mehrere tausend Parteimitglieder und zogen auch Prominente an, wie zum Beispiel die TV-Moderatorin Sylvana Simons mit Wurzeln in Surinam. Sie allerdings zog sich später wieder zurück, nachdem sie sich wegen rassistischer Angriffe in der Öffentlichkeit durch die Mitgliedschaft bei "Denk" zu wenig geschützt sah.

Niederlande - DENK-Partei - Sylvana Simons
Sylvana Simons fand an "Denk" den Einsatz für mehr Gleichberechtigung gutBild: picture alliance/AP Photo/M. Corder

Unter dem Einfluss von Erdogan?  

"Wir sind keine islamische Partei", verteidigt Farid Azarkan die Linie von "Denk". Das stellte er klar, weil es in den Niederlanden Vorwürfe gab, die Partei würde anfällig sein für den Einfluss des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Öffentlich wurde bemängelt: Die Partei schweige immer wieder, wenn es um Kritik an Erdogan gehe. Eine klare Stellungnahme fehlte zum Beispiel in den Debatten über die Völkermord-Vorwürfe an den Armeniern im Osmanischen Reich. Als die niederländisch-türkische Bloggerin Ebru Umar nach Erdogan-kritischen Äußerungen im Internet verhaftet wurde, habe sich das Parlament in den Niederlanden für ihre Freilassung eingesetzt - doch eine Stellungnahme der Partei "Denk" habe gefehlt, geben Kritiker zu bedenken. 

Eine Forderung der Partei lautet auch: Mehr Imame und Islamunterricht. Wie steht es dabei um die Einflussnahmen von außen?  "Wir haben klargestellt, dass wir keine Fremdzahlungen annehmen", sagt Farid Azarkan. Er sei jetzt über ein Jahr dabei und habe Beeinflussung noch nicht erlebt. 

Niederlande - Wahlen - DENK-Partei
Auch in einer Moschee in Amsterdam wurde am 15. März gewähltBild: Reuters/F. Lenoir

Vorwurf des Populismus 

In den Niederlanden sieht sich "Denk"  weiterer Kritik ausgesetzt. Die Partei soll sich ähnlich radikaler und populistischer Methoden bedienen wie die Kräfte, die "Denk" eigentlich ablehnt: Die Zeitung "NRC Handelsblad" berichtete vom Einsatz von Trollen im Internet. Über soziale Medien würde versucht, vor allem Jugendliche zu beeinflussen. Unter anderem sollen dazu auch Videos manipuliert worden sein.    

"Nicht alle Denk-Mitglieder sind Erdogan-Anhänger" 

Der niederländische Orientalist Bertus Hendriks hat sich die Partei in ihrem Auftreten nach der Wahl genau angesehen und kommt im DW-Gespräch zu dem Schluss: "Alles, was Denk bisher gesagt hat, war politisch korrekt. Bisher. Natürlich wird Erdogan sicher versuchen, diese Partei für seine Sache zu gewinnen, aber es gibt in den Niederlanden auch bei Denk keine homogene Gruppe von Türken, sondern ebenso Aleviten und Kurden und viele andere Migranten, die keine Erdogan-Anhänger sind."

Noch sei es zu früh für eine abschließende Bewertung der Haltung in der Partei, meint Henrike Post. Sie untersucht an der Universität Münster im Zentrum für Niederlande-Studien die Partei für eine Forschungsarbeit näher. "Es gibt etliche Punkte, die zurzeit in der Tat noch etwas unklar sind, aber das gilt auch für andere junge Parteien, die sich erst noch finden müssen." Bedenklich erscheine, dass auf Kritik nicht immer von der Partei offen und umfassend reagiert worden sei. Der Partei-Erfolg bedürfe daher sicher der weiteren kritischen Beobachtung, so Post.