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Erfolgreicher Protest in Hongkong

Rainer Sollich9. Juli 2003

Nach anhaltenden Protesten hat die Regierung der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong die für Mittwoch (9.7.) geplante Verabschiedung eines umstrittenen Sicherheits- und Staatsschutzgesetzes verschoben.

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Massendemonstration in HongkongBild: AP

Als Chinas Machthaber vor sechs Jahren den Schiffsreeder Tung Chee-Hwa zum Hongkonger Regierungschef machten, verbanden sie damit eine bestimmte Hoffnung: Tung gilt als loyaler Verbündeter der Zentralregierung in Peking und sollte nach Rückgabe der britischen Kronkolonie an China vor allem für eines sorgen - Stabilität.

In Peking träumte man von einem prosperierenden Hongkong unter einem dynamischen Verwaltungschef, die der Welt eindrucksvoll den Erfolg des Prinzips "Ein Land, zwei Systeme" vor Augen führen - ein Prinzip, das Hongkong 50 Jahre lang autonome Selbstverwaltung garantiert und nach dem später auch einmal das widerspenstige Taiwan mit China wiedervereinigt werden soll. Wobei Autonomie in beiden Fällen natürlich bedeuten soll: möglichst große Selbstverwaltung - aber ohne dabei gegen die Interessen Pekings zu verstoßen.

Hongkong Jubiläumsfeier Wen Jiabao und Tung Chee-hwa
Der chinesische Premierminister Wen Jiabao und Regierungschef Tung Chee-Hwa von HongkongBild: AP

Gescheiterter Regierungschef

Inzwischen dürfte man auch in Peking eingesehen haben: Tung Chee-Hwa ist auf ganzer Linie gescheitert. Ob bei der Bewältigung der asiatischen Finanzkrise oder beim Management der Lungenseuche SARS - immer wenn er gefordert war, machte Tung eine unglückliche Figur. Die Folge: Sein Ansehen bei der Bevölkerung ist auf dem Tiefpunkt.

Mit dem jüngsten Hickhack um das Hongkonger Sicherheitsgesetz hat Tung sein Ansehen noch weiter ramponiert. Erst versuchte er, das von Peking geforderte Gesetz mit seinen beängstigenden Einschränkungen von Bürgerrechten und Meinungsfreiheit gegen alle Widerstände durchzuboxen. Als er merkte, dass die Widerstände zu groß sind, entschärfte er den Entwurf. Und am Montag (7.7.) schließlich zog Tung Chee-Hwa die Notbremse und verkündete, die Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes erst einmal bis auf weiteres zu verschieben.

Es geht nicht nur um Wohlstand

Die Verschiebung der Abstimmung kommt überraschend und ist ein bemerkenswerter Erfolg für Hongkongs Demokratiebewegung, die Anfang Juli über 500.000 Demonstranten gegen das Gesetz mobilisierte - immerhin fast zehn Prozent der Bevölkerung. Es war die größte Demonstration in Hongkong seit 1989. Und sie räumte gründlich mit der Vorstellung auf, den Hongkong-Chinesen gehe es letztlich gar nicht um demokratische Freiheiten und Transparenz, sondern einzig und allein um Wohlstand und wirtschaftlichen Erfolg. Ein Klischee, in das übrigens auch die Festland-Chinesen gern hineingepresst werden - nicht nur von ihrer eigenen, kommunistischen Regierung, sondern auch immer wieder von westlichen Beobachtern.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Hongkong ist auch unter britischer Herrschaft niemals eine echte Demokratie gewesen. Aber es ist eine Gesellschaft, in der wirtschaftlicher Erfolg immer auch an rechtsstaatliche Prinzipien und ein gewisses Maß an Transparenz geknüpft war. Das sollte für ganz China Vorbildcharakter haben.

Sicherheit und Demokratisierung

Das Sicherheitsgesetz wird trotzdem kommen müssen: Hongkong hat sich in seinem Grundgesetz sogar dazu verpflichtet. An sich spricht ja auch gar nichts gegen ein solches Gesetz - solange fundamentale Freiheiten nicht außer Kraft gesetzt werden. Genau dafür muss Hongkongs Demokratiebewegung weiter kämpfen. Und wenn dieser Kampf geschickt geführt wird, also ohne Peking über Gebühr zu brüskieren, dann könnte dies letztlich auch reformfreudigen Kräften auf dem Festland zugute kommen.

Nicht nur, weil eine zufriedene Bevölkerung in Hongkong das beste Mittel ist, um gegenüber Taiwan für eine Wiedervereinigung nach dem Motto "Ein Land, zwei Systeme" zu werben. Sondern auch, weil das kommunistische Herrschaftssystem auf dem chinesischen Festland dringend reformbedürftig ist: In Zeiten gesellschaftlicher Modernisierung und wirtschaftlicher Umbrüche dürfte man künftig auch dort immer öfter die Erfahrung machen, dass der Wille der Bevölkerung nicht beliebig übergangen werden kann.