1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Lernen will gelernt sein

Antje Binder25. Mai 2012

Die Bachelor- und Master-Studiengänge sind vollgepackt mit Anforderungen an die Lernfähigkeit der Studenten. Eine neue Studie zeigt: Nicht, wer viel, sondern wer konzentriert und strukturiert lernt, hat Erfolg.

https://p.dw.com/p/151r8
University library © olly #40158476
Bild: Fotolia/olly

Nach Stress sieht Vera Göttlicher nicht aus. Sie sitzt auf dem Rasen vor dem Unigebäude. Die Sonne scheint, es riecht nach Sommer und Sonnencreme. "Heute bin ich nur wegen der großen Wiese da", sagt sie. Es ist ein vorlesungsfreier Tag, und die Lehramtsstudentin genießt ihre freie Zeit. Entspannt ist sie dennoch nicht, denn in knapp zwei Monaten sind die nächsten Klausuren.

Die 22-jährige Studentin ist im zweiten Semester und erinnert sich noch gut an ihre ersten Klausuren im letzten Halbjahr. Fünf Arbeiten schrieb sie in zwei Wochen. "Ich habe davor anderthalb bis zwei Monate fast täglich gelernt. Von morgens bis abends", sagt sie. Um das Lernpensum zu bewältigen, nahm sie sich für jede Prüfung eine Woche Zeit und stellte sich einen genauen Lernplan auf. "Wenn ich so für die Schule gelernt hätte, hätte ich wahrscheinlich ein Einser-Abitur gemacht", erzählt die Studentin. "An der Uni hat es nur für eine mittelmäßige Note gereicht."

Es sind alles Studenten der Uni Bonn an der Uni Bonn. Autor: Antje Binder, Bonn. Vera_Göttlicher2.JPG
Pause auf der Uniwiese: Vera GöttlicherBild: DW

Auf die Lernmotivation kommt es an

Eigentlich hatte Vera Göttlicher alles richtig gemacht: Sie hat rechtzeitig angefangen und strukturiert gearbeitet. Dennoch ist sie unzufrieden. Dorothea Elsner von der Studienberatung der Universität Bonn kennt die Probleme von Studierenden, wenn es in die heiße Lernphase geht. Sie machen sich enormen Druck, weil jede Prüfung für die Abschlussnote relevant ist. "Das weckt natürlich Ängste, dabei macht eine Prüfung letztlich nur ein Zweiundsiebzigstel der Abschlussnote aus." Elsner hilft, indem sie Veranstaltungen für effizientes Lesen und Zeitmanagement vermittelt und gestresste Studis berät, wie sie besser lernen können.

Denn nicht die Zeit, die Studierende über ihren Büchern verbringen, ist entscheidend, sondern wie sie lernen. Das hat jetzt auch eine neue Studie des Hamburger Pädagogen Rolf Schulmeister belegt. Drei Jahre lang ließ der emeritierte Professor Hunderte von Studenten in seiner "ZeitLast-Studie" Lerntagebücher führen und prüfte dann nach, mit welchen Noten sie ihre Prüfungen bestanden. Das Ergebnis war ernüchternd. "Nicht der Fleiß ist entscheidend", sagt Schulmeister. "Es ist die Lernmotivation." Wer kontinuierlich, konzentriert und strukturiert lernt, sich dabei auch immer wieder mal Pausen gönnt, schreibt in der Regel die besten Noten.

Prof. Dr. Rolf Schulmeister, Universität Hamburg, Zentrum für Hochschul- und Weiterbildung (ehem. IZHD) --- Copyright: Rolf Schulmeister
Rolf SchulmeisterBild: Rolf Schulmeister

Last-Minute-Lernen vermeiden

Jeder Student muss allerdings selbst herausfinden, wie er konzentriert arbeiten kann. Wirtschaftsstudent Alexander Schreck zum Beispiel lernt am liebsten im Café der Unibibliothek. Die Stille in einer Uni-Bibliothek könne er nicht aushalten, erzählt er. "Da geht mir jedes Mini-Geräusch auf den Geist." Im Café ist es zwar lauter, aber den gleichmäßigen Geräuschpegel empfindet Alexander als angenehm.

Der Wirtschaftsstudent ist im zweiten Semester seines Masters. Mindestens acht Stunden am Tag investiert er in sein Studium, besucht Vorlesungen und Seminare oder sitzt über seinen Büchern. Als "Musterstudent" würde er sich nicht bezeichnen. Schon im Bachelorstudium hat er gelernt, dass sich kontinuierliches Lernen auszahlt. "Wenn man erst kurz vor den Prüfungen den Stoff übt, merkt man zu spät, ob man alles verstanden hat oder nicht."

Es sind alles Studenten der Uni Bonn an der Uni Bonn. Autor: Antje Binder, Bonn. Alexander Schreck
Lernen im Café: Alexander SchreckBild: DW

Individuelle Lernhilfen

Doch wie der einzelne Student lernt, hängt nicht nur von den persönlichen Vorlieben ab, sondern auch vom Studienfach. Im Wirtschaftsstudium komme es eher darauf an, Aufgaben zu üben, sagt Alexander. Jura- und Medizinstudenten müssen viele Inhalte auswendig lernen, während es bei den Geisteswissenschaften auch auf das Reflektieren ankommt. Studienberatungen an den Universitäten hören deshalb genau hin, wo die Probleme liegen, um dann individuelle Lernhilfen vorzuschlagen. Rolf Schulmeister dagegen plädiert für eine andere Lehrorganisation an den Hochschulen. "Viele Studenten wären erfolgreicher, wenn sie nicht so viele verschiedene Lehrveranstaltungen in einer Woche besuchen müssten." Der Pädagoge plädiert daher für Blockveranstaltungen, in denen ein wissenschaftliches Thema ausführlich behandelt wird und direkt anschließend die Prüfungen folgen.

Johanna Düren studiert Lateinamerikastudien und hat mit den klassischen Karteikarten ihre perfekte Stütze gefunden. Sie notiert das Thema der Lehrveranstaltung und stichpunktartig alles Wesentliche dazu. Die Karten kann sie überall mit hin nehmen, und durch das wiederholte Aufschreiben verbessert sich der Lerneffekt. Doch nicht nur das. Die Karten, so verrät sie, müssen auch eine bestimmte Farbe haben. "Meine Mutter hat mir mal gesagt hat, dass man den Stoff besser behalten kann, wenn die Karten nicht weiß sind, sondern gelb", erzählt Johanna. "Und da glaube ich irgendwie dran."

Es sind alles Studenten der Uni Bonn an der Uni Bonn. Autor: Antje Binder, Bonn. Johanna Düren
Übt am liebsten mit Karteikarten: Johanna DürenBild: DW