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Erhöhtes Krankheitsrisiko durch Nachtarbeit

22. Dezember 2014

Interview mit Dr. Dieter Kunz, Institut für Physiologie, Charité Berlin zu "Neuen Erkenntnissen der Chronobiologie - und warum sie im täglichen Leben bislang kaum eine Rolle spielen

https://p.dw.com/p/17Nty

DW:
Herr Dr. Dieter Kunz, sind Sie gut ausgeschlafen? Ist Ihre innere Uhr im Lot?

Dieter Kunz:
Ja, es ist alles im Lot. Aber morgens komme ich nicht so gut zurecht.

Es könnte immer mehr Schlaf sein. Napoleon hat ja mal gesagt, der Mann braucht vier Stunden, die Frau fünf, nur der Idiot braucht sechs Stunden Schlaf. Ich glaube, ich bin schlimmer als ein Idiot. Wie viel brauchen Sie denn?

Ich brauche meine acht, neun Stunden und ich glaube, Napoleon hat geschummelt. Wenn Sie den sehen in seinem hohen Sattel, ich glaube, der hat viel geschlafen und bei der Schlacht gar nicht zugeguckt.

Acht, neun Stunden sind auch normal, oder?

Das ist ein Durchschnittswert. Das ist individuell sehr unterschiedlich. Es gibt Menschen, die kommen mit vier Stunden Schlaf bestens aus. Es gibt Menschen die brauchen 10 Stunden. Das wissen Sie aber im Alter von 20 Jahren. An diesem Muster ändert sich relativ wenig. Wenn sich etwas ändert, dann ist wahrscheinlich etwas faul.

Wie ist das denn eigentlich mit der inneren Uhr? Verschiebt die sich denn auch je nach dem, ob man ein Frühaufsteher ist oder wenn man lieber länger ausschläft?

Die meisten Menschen von uns sind so getaktet, dass ihr optimaler Schlaf zwischen zehn und sechs Uhr statt findet. Aber es gibt die Spät-Typen, es gibt die Früh-Typen. Und die sind etwas anders getaktet, weil deren innere Uhr nicht auf 24, sondern eher auf 25, 26 oder bei den Frühtypen auf 22, 23 Uhr steht. Und die müssen jeden Tag neu mit dem äußeren 24 Stundenrhythmus synchronisiert werden. Das ist eine Herausforderung und das machen Sie durch viel Licht am morgen, aber dann auch wirkliche Dunkelheit am Abend. Das sind die zwei wesentlichen Taktgeber.

Aber das haben wir natürlich nicht. Meistens haben wir ja nachts keine Dunkelheit und dafür haben wir tagsüber eben keine Helligkeit, weil wir in dunklen Büros sitzen. Was macht das mit uns?

Das ist genau so. Wir sagen das sind unsere wichtigsten Taktgeber. Alles andere ist zweitrangig. Und wir bekommen durch künstliches Licht vielleicht ein Promille von der Beleuchtungsstärke für die wir die letzten paar Millionen Jahre gebaut worden sind. Und erst seit dem wir künstliche Beleuchtung haben, haben wir diese kleinen Mengen und das ist sicher zu wenig. Das heißt, wir leben alle in einer Form von biologischer Dunkelheit am Tage. Wir bekommen den Taktgeber Licht nicht mehr. Was dazu führt, bei vielen Menschen, dass wir einem Schichtarbeitersyndrom gleich ein völliges Durcheinander dieser Rhythmen haben. Und das ist nicht gut.


Was bedeutet das? Was macht das, wenn unserer Rhythmus durcheinander kommt?

Schichtarbeitersyndrom heißt, dass alle Organe und jede einzelne Zelle einen eigenen 24-Stunden-Rhythmus hat und die müssen alle miteinander synchronisiert werden. Wenn die nicht synchronisiert werden, dann kann es Erkrankungen aus jedem Bereich der Medizin geben. Und das wissen wir bei Schichtarbeit beispielsweise für Tumorerkrankungen. Das wissen wir von psychiatrischen Erkrankungen, wie Depression, aber das wissen wir auch für Herz-/Kreislauferkrankungen, Herzinfarkt, gastrointestinalen Erkrankungen.

Das heißt, wer die Nacht zum Tag macht, der wird viel häufiger krank. Das ist ja eine total dramatische Erkenntnis!

Auf Dauer relativ sicher. Individuell gibt es Einige, die das besser durchstehen. Der Mensch ist eben nicht wie geklont. Aber im Schnitt können wir sagen, dass diejenigen, die nachts arbeiten, ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben.

Was kann man da tun?

Man muss versuchen diese Uhr stark zu halten, indem Sie ordentlich schwingt, die Hauptuhr. Das kriegen Sie dadurch hin, dass Sie gerade in den Morgenstunden bis mittags möglichst viel helles Licht bekommen, aber das es dann auch abends, nachts dunkel ist. Zum Beispiel keine Lampe vor dem Schlafzimmerfenster.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kunz.

(Interview: Ingolf Baur)