1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ermittler sehen Schuld bei Air-France-Piloten

29. Juli 2011

Können Bedienungsfehler dazu führen, dass ein modernes Fluggerät wie der Airbus A330 abstürzt? Diese These vertreten zumindest die Ermittler, die das Air-France-Unglück von 2009 untersuchen. Dennoch bleiben Fragen offen.

https://p.dw.com/p/126GC
Nach dem Absturz eines Air France-Airbus wird im Atlantik ein Wrackteil geborgen (Foto: AP)
Der Absturz schien rätselhaft, die Ermittlungen sind schwierigBild: picture-alliance/ dpa

Der rätselhafte Absturz einer Air-France-Maschine vor zwei Jahren über dem Atlantik ist auf falsche Cockpit-Anzeigen und mehrere Pilotenfehler zurückzuführen. So steht es im dritten Zwischenbericht der Pariser Untersuchungsbehörde BEA, der am Freitag (29.07.2011) veröffentlicht wurde. Demnach haben die Flugzeugführer nicht richtig auf den Geschwindigkeitsverlust reagiert und auch nicht erkannt, dass es zu einem Strömungsabriss kam. Der Airbus A330 der französischen Fluggesellschaft war am 1. Juni 2009 auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris ins Meer gestürzt. Alle 228 Menschen an Bord, darunter auch 28 Deutsche, kamen ums Leben.

Piloten waren nicht hinreichend trainiert

Archivfoto eines Airbus A330-200 der Air France (Foto: AP)
Air-France-Airbus A330: Irritierten falsche Anzeigen die Piloten?Bild: AP

Die Ermittlungsbehörde listet eine Serie von Fehlern auf, die zu dem Unglück geführt haben. Als der Flugkapitän kurz vor zwei Uhr nachts das Cockpit für eine Ruhepause verließ, habe er keine klaren Anweisungen für seine Abwesenheit gegeben. Schon wenige Minuten später gab es in 11.500 Metern Höhe Probleme mit der Geschwindigkeitsmessung, weil die Sensoren vereist waren. "Wir haben die Geschwindigkeit verloren", hört man einen der beiden Co-Piloten auf dem Stimmenrekorder sagen.

Die hilflosen Piloten hätten das Flugzeug dann in fataler Weise nach oben gezogen, weil sie für eine solche Situation nicht geschult gewesen seien. Zudem gab es im Cockpit keine Anzeige für den Anstellwinkel der Tragflächen, die Aufschluss über die Lage des Flugzeugs im Raum hätte geben können. So habe keiner der Piloten die Situation erfasst, obwohl der sogenannte Überziehalarm 54 Sekunden lang lief. Denn das Flugzeug flog längst nicht mehr, sondern sackte nur noch durch.

Manuelle Manöver brachten den Airbus zu Fall

Die Passagiere dürften in dieser Zeit in höchster Panik in ihren Sitzen gesessen haben, denn der Airbus A330 schwankte um bis zu 40 Grad hin und her. Eine Durchsage machte die Besatzung während des gut dreiminütigen Absturzes nicht. In weniger als einer Minute nach dem Abschalten des Autopiloten hätten die manuellen Manöver des fliegenden Co-Piloten den Airbus aus seiner stabilen Fluglage gebracht. Die Maschine habe auf alle Befehle des Piloten ohne technische Probleme reagiert.

Am 1. Mai 2011 konnte der Flugdatenschreiber der AF447 vom Meeresgrund geborgen werden (Foto: AP)
Der lange gesuchte Datenschreiber brachte neue ErkenntnisseBild: AP

Die Angehörigen der Opfer kritisieren den Bericht: Die Interpretation der Flugdaten sei zu sehr auf die Fehler der Piloten ausgerichtet. So weist die Vereinigung der Angehörigen der deutschen Opfer HIOP auf die zahlreichen Probleme hin, die es mit den Geschwindigkeitsmessern, den sogenannten Pitot-Sonden, schon seit 2005 gegeben habe. Air France habe diese Schwierigkeiten nicht in seiner Piloten-Ausbildung berücksichtigt.

Air France sieht den Schwarzen Peter bei Airbus

Die französische Luftfahrtgesellschaft verteidigte die Besatzung des Flugs AF447. Sie habe ihre Professionalität bewiesen: "Nichts rechtfertigt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt, die technischen Kompetenzen der Besatzung in Frage zu stellen". Stattdessen verweist Air France auf das Alarmsystem des Airbus: "Das irreführende und unangebrachte mehrfache An und Aus des Überziehalarms" habe stark zu den Schwierigkeiten der Besatzung beigetragen, heißt es in einer Stellungnahme der Fluglinie.

Die brasilianische Marine findet 1200 Kilometer vor der Küste ein Wrackteil der Unglücksmaschine (Foto: Xinhua)
Die Suche nach dem Wrack der AF447 dauerte fast zwei JahreBild: picture alliance / landov

Die französische Justiz ermittelt sowohl gegen Airbus als auch gegen Air France wegen fahrlässiger Tötung. Es sei Sache der Justiz, nicht der BEA, die Verantwortlichen des Unglücks zu finden, sagte Verkehrsministerin Nathalie Kosciusko-Morizet.

Behörde veröffentlicht neue Sicherheitsempfehlungen

Die BEA hat erste Konsequenzen aus ihren Ermittlungen gezogen und neue Sicherheitsempfehlungen herausgegeben. Konkret empfiehlt die BEA, im Trainingsprogramm der Linienpiloten den schnellen Wechsel vom automatischen auf den manuellen Flug in großen Höhen zu üben. Zudem sollen neue Richtlinien ein besseres Teamwork im Cockpit gewährleisten. Bei den technischen Einrichtungen geht es um die mögliche Installation einer bestimmten Anzeige. Sie soll beim manuellen Fliegen die Lage des Flugzeugs im Raum verdeutlichen. Zudem könnten Bildrekorder die Anzeigen im Cockpit festhalten.

Die Ermittler stützten sich bei ihrem Bericht auf den Flugdatenschreiber und den Stimmenrekorder des Unglücksflugzeugs. Beide Geräte waren erst im Frühjahr von Tauchrobotern aus 4000 Metern Meerestiefe geborgen worden. Die Auswertung der Daten trug entscheidend dazu bei, dass die letzten Minuten des Fluges rekonstruiert werden konnten.

Autor: Rolf Breuch (afp, dapd, dpa)
Redaktion: Martin Schrader