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Mazedonien wählt Staatschef

19. März 2009

Die Mazedonier wählen einen neuen Staatspräsidenten. Sieben Kandidaten bewerben sich um das Amt. Auch eine Frau ist erstmals darunter. Ein Kandidat hat bereits den Beinamen „Obama“ bekommen.

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Die Kandidaten, v. li.: Selmani, Budzaku, Ivanov, Boskovski, Ruzin und FrckoskiBild: DW / Petr Stojanowski

Mazedonien wählt einen neuen Präsidenten, aber auch die Vertreter der kommunalen Selbstverwaltung. Vor allem wird es eine Nachprüfung in Sachen demokratische Reife nach dem Debakel bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr ablegen. Deren Bilanz nach Ausschreitungen war verheerend: ein Toter, acht Verletzte, mehrere bewaffnete Zwischenfälle.

Diese Ereignisse hätten das Balkanland von dem Ziel entfernt, NATO- und EU-Mitglied zu werden. Dies sagte Ex-Innenminister Ljube Boskovski der Deutschen Welle. Boskovski war bis vor kurzem noch Häftling des Haager Kriegsverbrechertribunals. Er tritt jetzt als unabhängiger Präsidentschaftskandidat bei den Wahlen an. „Es ist wichtig, dass die Wahlen fair und demokratisch verlaufen, um unsere demokratischen Fähigkeiten zu beweisen. Das Schicksal von zwei Millionen Bürgern liegt in unserer Hand. Wir dürfen nicht die Zukunft Mazedoniens aufs Spiel setzen." Vor dem Hintergrund der schlechten Erfahrungen im letzten Jahr werden die Wahlen an diesem Sonntag umso genauer von mehreren hundert internationalen Wahlbeobachtern verfolgt.

Thema euroatlantische Integration

Seit mehr als fünf Jahren ist Mazedonien offiziell ein EU-Beitrittskandidat. Doch bislang gab es noch kein Datum für den Beginn der Beitrittsverhandlungen. Ob Skopje noch in diesem Jahr ein konkretes Datum für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der EU genannt bekommt, hängt möglicherweise auch von dem Verlauf der Wahlen ab. Ein großes Thema im Wahlkampf ist daher die europäische Integration. Insbesondere die Frage der bald erhofften Visafreiheit spielt für die Mazedonier eine große Rolle. Ljubomir Frckoski, Präsidentschaftskandidat der oppositionellen Sozialdemokraten, warnt vor den Folgen, wenn es nicht zu Veränderungen in der Visafrage kommt: „Die Hälfte des Volkes hat schon jetzt ausländische Pässe. Das ist eine schreckliche Gefahr für das Land und eine Folge der Isolation."

Ein großes Wahlkampfthema ist auch der Streit mit Griechenland um den Namen Mazedoniens. Der Namensstreit hat den NATO-Beitritt Mazedoniens im vergangenen Jahr blockiert und gefährdet auch eine EU-Mitgliedschaft. Die Opposition zeigt sich kompromissbereit, die regierende national-konservative Partei VMRO-DPMNE dagegen eher unnachgiebig. Ihr Präsidentschaftskandidat, der Jura-Professor Gorge Ivanov, dem die größten Chancen in der ersten Wahlrunde zugeschrieben werden, kündigte an: „Ich werde um jeden Preis darauf bestehen, dass ein Gipfeltreffen der Präsidenten der Republik Mazedonien und der Republik Griechenland vorbereitet und organisiert wird, um ein Signal des guten Willens und ein Signal an die einfachen Menschen zu senden." Einen konkreten Vorschlag, wie die Lösung des Namensstreits aussehen könnte, bieten jedoch weder er noch ein anderer Präsidentschaftskandidat.

Ein mazedonischer „Obama“?

Im Vergleich zu den früheren Wahlen wecken dieses Mal die Wahlkampf-Veranstaltungen weniger Interesse. Der Wahlkampf ist eher glanzlos und fade, die Kandidaten äußern meistens verschwommene Wahlversprechen. Die Wähler haben erstmals die Möglichkeit, zwischen sieben Kandidaten zu entscheiden. Drei sind ethnische Albaner. Imer Selmani, Politiker und Geschäftsmann, ist aufgefallen durch seine ausgewogenen und besonnenen Auftritte. Selmani kann sogar mit Stimmen ethnischer Mazedonier rechnen. Damit hätte er eine Chance bei Stichwahlen. Eine Entscheidung nach der ersten Wahlrunde ist eher unwahrscheinlich. Im Land wird er als „mazedonischer Obama“ gehandelt. Selmanis Stellungnahme dazu: „Allein dadurch, dass viele Bürger Mazedoniens schon im Wahlkampf gesagt haben, dass sie mir ihre Stimme geben, ist das Phänomen Obama in Mazedonien präsent. Wir überwinden ethnische Hürden, was sehr wichtig für unseren Staat und ein sehr wichtiger Indikator unserer demokratischen Reife ist."

Erstmals kandidiert eine Frau

Das größte Novum ist jedoch, dass zum ersten Mal eine Frau, obendrein noch eine ethnische Albanerin, für den höchsten Posten kandidiert. Mirushe Hoxha, Universitätsdozentin mit zwei Doktortiteln, ist sich bewusst, dass der Staat noch nicht reif ist für eine Frau als Präsidentin. Sie rechnet aber mit einem nachhaltigen Effekt ihrer Kandidatur. „Mit meiner Entscheidung, die politische Szene in einer Rolle zu betreten, in der bis dato weder eine albanische noch eine mazedonische Frau war, beeinflusst sehr das Unterbewusstsein jedes einzelnen Menschen. Ich bleibe hier aber nicht stehen. Ich habe nur diesen ersten Schritt gemacht. Jetzt sollten wir alle versuchen, das Selbstbewusstsein der Frauen weiter zu entwickeln", so Mirushe Hoxha.

Der Schlüssel für inneren Frieden und Zusammenhalt der mazedonischen Gesellschaft sind gute interethnische Beziehungen, darin sind sich alle Präsidentschaftskandidaten einig. „Der Ohrider Rahmenvertrag gewährt allen ethnischen Gemeinschaften in der Republik Mazedonien einen Platz", betont Imer Selmani. Mit diesem Rahmenvertrag aus dem Jahr 2001 wurde der Konflikt zwischen den ethnischen Albanern und dem mazedonischen Staat, der zu einem Bürgerkrieg zu eskalieren drohte, überwunden.

Autor: Zoran Jordanovski / Mirjana Dikic

Redaktion: Bernd Johann