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Streiken, dann verhandeln

14. November 2007

Bereits am ersten Tag des Generalstreiks in Frankreich zeichnet sich Bewegung ab. Regierung und Gewerkschaften verhandeln miteinander und rücken von Maximalforderungen ab. Dennoch geht der Streik vorerst weiter.

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Mehrere Personen führen ein großes Banner, gehen auf einem Bahnsteig. Im Gleis daneben ein Schnellzug (Quelle: AP)
Stillstand: Bahnbedienstete demonstrieren im Bahnhof von ToulouseBild: AP

Mit ihrem zweiten Streik gegen die geplante Rentenreform haben Frankreichs Eisenbahner und die Beschäftigten der Pariser Nahverkehrsbetriebe am Mittwoch (14.11.2007) ihre Kraftprobe mit Staatspräsident Nicolas Sarkozy zugespitzt. In und um Paris bildeten sich zur Hauptverkehrszeit mehr als 200 Kilometer Stau. Zahlreiche Bahnhöfe blieben verwaist. Nur jeder sechste der TGV-Schnellzüge verließ das Depot. Sarkozy ging aber überraschend auf Gewerkschaftsforderung nach Verhandlungen ein, um eine unbefristete Verlängerung des Streiks zu verhindern.

Für den Präsidenten ist es der härteste Machtkampf seit seinem Amtsantritt vor sechs Monaten, sein Reform-Image steht auf dem Spiel. Bis zum Mittwoch hatte er die Kernpunkte der Rentenreform, die Erhöhung der Beitragszahlungen für Staatsbedienstete von 37,5 auf 40 Jahre wie im öffentlichen Dienst, für "nicht verhandelbar" erklärt.

Beide Seiten nähern sich an

Nahaufnahme Sarkozy, hält sich die Hände an beide Schläfen (Quelle: AP)
Sarkozy: Rentenreform ist 'unverhandelbar' (Archivbild)Bild: AP

Nun beauftragte er Arbeitsminister Xavier Bertrand, das weitere Vorgehen mit den Gewerkschaften abzusprechen, wie sein Sprecher David Martinon mitteilte. Bertrand empfing bereits am Morgen erste Gewerkschaftsvertreter. Einzelheiten über eventuelle Zugeständnisse wurden zunächst nicht bekannt. "Es geht voran", urteilte Premierminister François Fillon.

Daten und Fakten zu Frankreich

Der Präsident sehe Chancen für ein verantwortungsbewusstes Verhalten und einen Ausweg aus dem Streit, erklärte Sarkozys Sprecher. Der hochrangige Sarkozy-Berater Claude Gueant lobte den Chef der einflussreichsten Gewerkschaft CGT, Bernard Thibault: Dieser habe es ermöglicht, die Krise am ersten Tag des Konflikts zu entwirren", sagte er der Tageszeitung "Le Monde". Die Gewerkschaft lenkte in einem zentralen Streitpunkt ein und gestand der Regierung zu, die geplante Verlängerung der Beschäftigungsjahre vor einem Rentenanspruch nicht national, sondern direkt in den Unternehmen auszuhandeln.

Weniger Rückhalt für Gewerkschaften

Menschenmenge, im Hintergrund ein großes Bahnhofsgebäude (Quelle: AP)
Knappe Verkehrsmittel: Menschen warten auf Busse am Gare du Nord Bahnhof in ParisBild: AP

Nach Angaben der Bahngesellschaft SNCF beteiligten sich 61,5 Prozent der Belegschaft an dem Streik, am ersten Aktionstag vor vier Wochen waren es noch 73,5 Prozent gewesen. Die Pariser Verkehrsbetriebe RATP meldeten, die Störungen seien nicht so stark wie befürchtet, statt jeder zehnten fahre jede fünfte Metro. 1000 Sonderbusse waren im Großraum Paris im Einsatz, um die Pendler in die Stadt zu bringen. Zahlreiche Menschen stiegen auf Roller und Fahrräder um oder gingen zu Fuß.

Bei der Reform geht es um die Beschneidung von Rentenprivilegien für insgesamt 1,6 Millionen Menschen. Der letzte Versuch, die so genannten Régimes Spéciaux abzuschaffen, scheiterte vor zwölf Jahren an wochenlangen Massenstreiks. Anders als damals ist die Bevölkerungsmehrheit (rund 60 Prozent) inzwischen aber für die Reform, was die Macht der Gewerkschaften erheblich einschränkt. Gleichwohl stimmten die Bahnbeschäftigten in zahlreichen Städten am Mittwoch für eine Fortsetzung des Streiks.

Kein Strom für Sarkozys Partei

Junge Frau hält Plakat hoch (Quelle: AP)
Auch Studenten demonstrierenBild: AP

Auch die Energieversorger GDF und EDF werden seit Mittwoch bestreikt. Die Beschäftigten kündigten an, dass sie den Büros der konservativen Regierungspartei UMP den Strom abschalten wollten. Bei der Comédie Française und der Pariser Nationaloper wurden die Vorstellungen abgesagt – auch die Rentenprivilegien ihres künstlerischen Personals will Sarkozy beschneiden. Wegen der geplanten Kürzungen öffentlicher Mittel für die Universitäten gab es auch an 26 der 85 Hochschulen in Frankreich Streikmaßnahmen. (rri)