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Frau entwirft modernes Gotteshaus in Istanbul

8. April 2009

Rund 80.000 Moscheen gibt es in der Türkei – und eine davon ist von einer Frau entworfen worden. Das Gebetshaus soll modern und anders sein. Doch beten darf die Designerin selbst dort nur in einem abgetrennten Raum.

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Die im Bau befindliche Moschee im Istanbuler Stadtteil Üsküdar (Foto: dpa)
Die im Bau befindliche Moschee im Istanbuler Stadtteil ÜsküdarBild: picture-alliance/ dpa

Die Gebetsteppiche sind eingetroffen: Zwei Arbeiter tragen die riesigen Rollen in den Hauptraum unter der tonfarbenen Kuppel der Moschee. Zeynep Fadillioglu schaut zufrieden durch ihre schwarz umrandete Brille. Sie ist eine weltweit renommierte Designerin, die Häuser, Hotels und Bars in zahllosen Ländern der Erde ausgestattet hat. Der Auftrag, eine Moschee in Istanbul zu entwerfen habe sie überrascht und gerührt, erzählt Fadillioglu. "Mich hat einmal ein Fernsehsender gefragt, was ich schon immer einmal gerne gestalten wollte. Ich antwortete, dass ich gerne eine Moschee machen würde. Aber das war damals bloß ein frommer Wunsch."

Die erste Moscheearchitektin der islamischen Welt

Die türkische Designerin Zeynep Fadillioglu arbeitet in ihrem Büro in Istanbul (Foto: dpa)
Zeynep Fadillioglu glaubt, sie sei sogar weltweit die erste Frau, die eine Moschee bautBild: picture-alliance/ dpa

Oft sehen Moscheen in der Türkei aus wie Kopien traditioneller osmanischer Architekturwerke. Das wollten die Spender der Moschee im Istanbuler Stadtteil Üsküdar, eine wohlhabende türkisch-arabische Familie, ändern. Sie machten darum Zeynep Fadillioglu zur ersten Moscheearchitektin der islamischen Welt.

Fadillioglu will modernes Design mit der islamischen Kultur verschmelzen. Fast alles an dieser Moschee ist anders, als es der Gläubige in der Türkei gewohnt ist: Die Glasfassaden verstecken sich hinter einem dezenten schmiedeeisernen Schleier. Im Hof des Gotteshauses, mitten in dem Brunnen für die rituelle Waschung, glänzt eine Edelstahl-Kugel als Symbol für das Universum. Und das Mihrab, jene Nische, die den Betenden die Richtung nach Mekka anzeigt, ist ein dicker Bogen aus Blau und Gold. Von der Decke fallen beleuchtete Glastropfen und die Fenster zieren goldene Schablonen von Koransuren. "Das ist eines von vielen Sinnbildern, die ich verarbeitet habe – aber eben auf eine andere Weise als üblich", sagt Zeynep Fadillioglu.

Manche religiöse Zirkel verspotteten den Bau als "High-Society-Moschee", doch im Stadtteil Üsküdar herrscht überwiegend Zustimmung zu dem Experiment.

Die Moschee als Brücke

Ortakoy Moschee am Bosporus
Der Moscheebau - hier die Ortakoy Moschee am Bosporus - ist bislang MännerdomäneBild: AP

Rund 80.000 Moscheen gibt es in der Türkei, doch nur wenige entsprechen dem Geschmack der modernen Türken. Fadillioglu wollte das ändern und damit auch eine Brücke zwischen traditionellen und modernen Türken schlagen. Die erfolgreiche Geschäftsfrau macht sich über den wachsenden Einfluss der Religion auf die Politik in ihrem Land Sorgen - gerade als Frau. "Wer sich ein Kopftuch aufsetzen möchte, der soll das tun. Mein Verständnis von Religion ist ein anderes: Mir ist wichtig, dass auch weiterhin verschiedene Interpretationen von Glaube in der Türkei nebeneinander zugelassen sind", erklärt sie. Ohne Zwänge könne die Religion für den Einzelnen ein gutes Hilfsmittel bei der spirituellen Suche nach Gott sein.

Anfang Mai 2009 soll "ihre" Moschee eröffnet werden. Das erste Gebet dort wird Zeynep Fadillioglu jedoch mit den anderen Frauen wie üblich auf der Galerie sprechen müssen – der Hauptraum bleibt den Männern vorbehalten. Aber auch das, so hofft die Architektin, werde sich eines Tages in der Türkei ändern.

Autor: Gunnar Köhne
Redaktion: Julia Kuckelkorn