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Erster Schritt zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Ukraine?

28. Juli 2005

Das ukrainische Parlament hat in erster Lesung das Gesetz über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschlossen. Geplant ist eine staatliche Finanzierung. Der Einfluss der Politik sei zu groß, warnen Kritiker.

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Ukrainischer TV- und Radiomarkt vor ReformenBild: AP

Gemäß dem Gesetzentwurf soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf der Basis der bestehenden staatlichen Radio- und Fernsehkanäle aufgebaut werden. Das erste, was im Gesetzentwurf auffällt, ist die Namensänderung. Die Bezeichnungen „Nationale Fernsehgesellschaft“ und „Nationale Radiogesellschaft“ werden durch „Ukrainisches Fernsehen“ und „Ukrainisches Radio“ ersetzt.

Rundumerneuerung

Die Umbenennung erläutert der Erste Vizepräsident der Nationalen Fernsehgesellschaft, Andrij Schewtschenko, der bis vor kurzem als Chefredakteur beim TV-Sender 5. Kanal tätig war. Er sagte der Deutschen Welle: „Die Autoren des Gesetzes wollten damit deutlich machen, dass es sich vom staatlichen Fernsehen unterscheiden wird.“ Schewtschenko betonte, das neue Fernsehen werde sich in seinem Wesen und in der Art, wie es geleitet würde, verändern. Deswegen fehlten die Worte „national“ und „staatlich“.

Die neuen Manager sind zuversichtlich, dass schon bald das landesweite Fernsehen erneuert werden kann. Schewtschenko sagte: „Die Nachrichtensendungen werden sich durch neue Moderatoren, neue Grafiken, ein neues Studio und vor allem durch neue Herangehensweisen unterscheiden. Das sollen angesehene Nachrichten sein. Wir werden sie als die Hauptnachrichtensendungen des Landes präsentieren.“

Unabhängigkeit gewährleistet?

Ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Unterschied zum staatlichen tatsächlich unabhängig sein wird, hängt vor allem von der Finanzierung ab. In den Jahren 2006 bis 2008 soll die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgebaut werden. Die notwendigen Mittel sollen sich aus Einnahmen aus dem Glücksspielgeschäft, dem Lotto- und Totogeschäft, aus Gebühren, aus der Werbung und aus Sponsorengeldern zusammensetzen. Darüber hinaus soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk aus dem Staatshaushalt mitfinanziert werden.

Der Leiter der Ukrainischen Presseakademie, Walerij Iwanow, sagte, die Absicht, die staatliche Finanzierung beizubehalten, sei ein Schritt, zu dem man gezwungen sei. Iwanow sagte der Deutschen Welle: „Die Bevölkerung ist derzeit nicht bereit, eine Gebühren-Finanzierung wie in Deutschland oder Großbritannien zu akzeptieren.“

Im vergangenen Jahr erhielt die Nationale Fernsehgesellschaft etwa 52 Millionen Hrywnja (gut acht Millionen Euro) aus dem Staatshaushalt. Weitere 45 Millionen Hrywnja verdiente sie mit Werbung, vor allem dank der Wahlen. Gleichzeitig sind aber die offiziellen Löhne der Mitarbeiter des staatlichen Rundfunks die niedrigsten im ukrainischen Medienbereich.

Der Aufsichtsrat

Die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens vom Staat soll ein so genannter Aufsichtsrat gewährleisten, dem 30 Personen angehören sollen. Diese sollen sich aus einer paritätischen Anzahl von Vertretern der im Parlament vertretenen Parteien und aus Vertretern gesellschaftlicher Organisationen zusammensetzen. Die Kandidaten für den Aufsichtsrat sollen in einem offenen Wettbewerb von einem Parlamentsausschuss ausgewählt werden. Dem Gremium sollen weder Abgeordnete noch Staatsbedienstete angehören dürfen. Formal werden der Präsident und die Regierung der Hebel beraubt, das Fernsehen zu beeinflussen. Der Leiter des Fernsehens soll vom Aufsichtsrat ernannt werden.

Kritik der OSZE

Taras Schewtschenko, Direktor des Kiewer Instituts für Medienrecht, sagte, es liege bereits ein OSZE-Gutachten vor, in dem darauf hingewiesen werde, dass der Gesetzentwurf in einigen Punkten demokratischen Standards nicht genüge. Unter anderem wies er auf den Einfluss der Politik auf den Aufsichtsrat hin, der sich zur Hälfte aus Vertretern der Parteien zusammensetze. Insgesamt sind die Bewertungen seitens Nichtregierungsorganisationen aber positiv ausgefallen.

Gründung nach Parlamentswahl erwartet

Zum weiteren Verfahren sagte der Erste Vizepräsident der Nationalen Fernsehgesellschaft, Schewtschenko: „Der realistische Zeitplan ist wie folgt: Im Herbst verabschiedet der Oberste Rat das Gesetz und im Herbst werden die Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gebildet.“ Schewtschenko betonte, der öffentlich-rechtliche Rundfunk werde dann wohl erst nach den Parlamentswahlen im Frühjahr 2006 tatsächlich gegründet werden können. Wenn die Diskussion über das öffentlich-rechtliche Fernsehen in den Wahlkampf fallen würde, wäre es viel schwieriger, ausgewogene Beschlüsse zu fassen, unterstrich Schewtschenko.

DW-RADIO/Ukrainisch, 11.7.2005, Fokus Ost-Südost