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Frauenfilmfest in Kairo

Nelly Youssef (Stefanie Gsell), Qantara.de3. Mai 2007

Vergewaltigung weiblicher Familienmitglieder, Prostitution oder das Bedürfnis nach Liebe - dies sind die Themen der Filme, die auf dem ersten internationalen Frauenfilmfestival in Kairo gezeigt wurden.

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Das Plakat zum Filmfest
Das Plakat zum Filmfest

Organisiert wurde das erste internationale Frauenfilmfestival in Kairo von der Organisation "The Cadre Foundation", einem Zusammenschluss hauptsächlich junger Ägypter, die dem zunehmenden Regierungsdruck auf die Kunst- und Kulturszene Ägyptens etwas entgegen setzen wollen.

Geringes Interesse und Finanzierungsprobleme

Es gab zwar an einigen Festivaltagen sehr positive Rückmeldungen durch das Publikum, insgesamt aber waren die Filmvorführungen eher spärlich besucht. Alia el-Bialy, Festivalleiterin und ägyptische Regisseurin, führte diesen Umstand darauf zurück, dass die Zielgruppe der Intellektuellen und Kinoliebhaber durch die in Ägypten derzeit vorherrschende erdrückende Atmosphäre stetig kleiner werde.

Vielleicht, so Alia el-Bialy, werde dieses erste Frauenfilmfestival zugleich das letzte gewesen sein, da kein Sponsor gefunden und kein Interesse bei offiziellen Kreisen geweckt werden konnte. Das ursprünglich für Werbezwecke geplante Budget musste von 60.000 auf 20.000 ägyptische Pfund gekürzt werden; alle an der Organisation des Festivals Beteiligten waren unentgeltlich tätig. Immerhin, sagt el-Bialy, die selbst auch keine finanzielle Entschädigung erhielt, sei das ägyptische Kulturministerium bei der Bereitstellung eines Veranstaltungsortes behilflich gewesen.

Nur für Erwachsene

Weil man dem Ministerium für Kultur deshalb allerdings verpflichtet war, mussten die Filme von der Zensurbehörde geprüft werden. Ungekürzt durften sie daraufhin nur unter der Bedingung gezeigt werden, dass ausschließlich erwachsenes Publikum Zugang zu den Vorführungen erhielt.

Zwei der Filme, die von Mitgliedern der Filmhochschule produziert worden waren, dürfen normalerweise nicht gezeigt werden: Zum einen der Kurzfilm "Beruf: Frau" von Hiba Youssri, sowie der Film "Stimmen" von Usama Abu al-Ata. In dem zwölfminütigen Dokumentarfilm "Beruf: Frau" zeigt Hiba Youssri den Alltag dreier ägyptischer Prostituierter unterschiedlichen Alters. Bei der Suche nach geeigneten Protagonistinnen für ihren Film in den Straßen Kairos musste Hiba Youssri sich als Mann ausgeben.

Das Publikum äußerte nach dem Film seine Verwunderung über den Umstand, dass dieser bedeutende Film verboten ist. Er ist die Abschlussarbeit der Regisseurin am Institut für Film, das den Film auch produzierte. Dennoch hatte das Institut den Film ohne expliziten Grund von der Liste der Filme genommen, die auf dem internationalen Filmfestival in Ismailiyya für fiktionale und Dokumentarfilme gezeigt worden waren. Hiba Youssri sieht den Grund darin, dass die Ägypter es nicht ertragen würden, mit der Wahrheit konfrontiert zu werden. "Beruf: Frau" wurde übrigens auch 2006 auf dem Arabischen Filmfestival in Rotterdam vorgestellt und ausgezeichnet.

Ein weiterer Film von Hiba Youssri, "Eine andere Liebe", wurde bei der Eröffnung des Festivals gezeigt. Es ist ihre eigene Lebensgeschichte, und die junge Regisseurin spielt sich selbst: Ein junges Mädchen liebt die Schauspielerei und träumt davon, die Welt der Kunst zu erobern. Ihr Vater und ihre Familie aber stellen sich ihr in den Weg, da ihrer Meinung nach die Beschäftigung mit Kunst schändlich und verwerflich ist.

Undurchsichtige Zensur

Ebenfalls verboten, aber in der Gunst des Publikums hoch stehend, war der 22minütige Film "Stimmen" von Usama Abu al-Ata nach dem gleichnamigen Roman des ägyptischen Schriftstellers Sulaiman Fayyad. Der Film erzählt die Geschichte eines Emigranten, der nach 30 Jahren mit seiner französischen Frau Simone in sein Heimatdorf zurückkehrt. Simone wird in Abwesenheit ihres Ehemanns von den Frauen der Familie beschnitten und stirbt.

Usama Abu al-Ata, der Regisseur, wurde nach der Vorführung mit viel Applaus bedacht. Der Film zeige die Einstellung des orientalischen Mannes gegenüber ausländischen Frauen und dem Westen im Allgemeinen, so al-Ata. Die Beschneidung sei ein Symbol für die Beziehung zum Anderen und ein Beispiel für eine verbohrte orientalische Mentalität, die jegliches Anderssein ablehne und versuche, dem Anderen die eigene Sichtweise aufzuzwingen.

Usama Abu al-Ata wies auch auf die Inkonsequenz hin, dass das Institut den Film zwar produziert habe, ihn gleichzeitig jedoch verbot. Wie kann man einen Film verbieten, so fragte der Regisseur, der auf einem Roman basiere, der in 32 Sprachen übersetzt wurde, und dessen Autor dafür mit einem Preis ausgezeichnet wurde?

Tabus brechen

Ein weiterer herausragender Film des Festivals war der Film "Blick in den Himmel" von Kamla Abu Zikri. Erzählt wird die Geschichte eines jungen verschleierten Mädchens, das verstohlen einen Moment der Liebe mit einem Jungen auf der "Brücke des Sechsten Oktobers" in Kairo genießt. Dabei wird sie von ihrem Onkel beobachtet und daraufhin gezwungen, ihren Vater zu belügen.

Auch der Film "Ein blaues Tischtuch" des Regisseurs Michael Beyouh erfreute sich großer Anerkennung. In eindringlicher Weise wird der als "Zina al-Maharim" bezeichnete Tatbestand dargestellt, bei dem ein Vater seine Tochter vergewaltigt. Michael Beyouh ist sein eigener Produzent, da kein unabhängiger Produzent den Mut hat, Filme über Themen zu machen, die die Gesellschaft lieber totschweigen will.

Eröffnet wurde das Festival unter anderem mit dem ägyptischen Film "Sabah al-Full" ("Einen wunderschönen guten Morgen"). Regisseur Sherif El Bendary wusste das Publikum zu fesseln, indem er zeigte, wie seine Heldin, die tunesische Schauspielerin Hind Sabri, das tägliche Leid ägyptischer Frauen durchlebt, das geprägt ist von finanziellen Nöten und der Suche nach einem kurzen Augenblick der Liebe mit ihrem Ehemann.

Palästinensische und saudi-arabische Filme

Unter den Filmen aus der arabischen Welt war unter anderem der palästinensische Dokumentarfilm "Hinter dem letzten Himmel" zu sehen, dessen Regisseurin Alia Arsaghli selbst das Drehbuch geschrieben hatte. Erzählt wird die Geschichte der Palästinenserin Nahida aus dem Dorf Bar'am. Das Dorf wird zerstört und an seiner Stelle ein israelischer Kibbuz errichtet. Im Folgenden entwickelt sich zwischen Nahida und zwei israelischen Frauen eine Bekanntschaft.

Außerdem lief der saudi-arabische Dokumentarfilm "Frauen ohne Schatten" von Haifa al-Mansur. Der Film hatte bereits für einiges Aufsehen gesorgt, als er zum ersten Mal im Haus des französischen Konsuls in Dschidda gezeigt worden war und die Empörung der saudi-arabischen Gesellschaft erregt hatte. Es ist der erste Film einer Saudi-Araberin, in dem die Beziehung zwischen Mann und Frau in der saudi-arabischen Gesellschaft thematisiert wird.

65 Filme aus verschiedenen Ländern wurden auf dem Festival vorgestellt, 46 davon aus Ägypten, sechs aus der arabischen Welt, der Rest bestand aus internationalen Beiträgen.