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Erstmals seit sieben Jahren: Moskau hat demnächst wieder einen ungarischen Regierungschef zu Gast

2. Dezember 2002

- Auch Rückgabe ungarischer Kulturschätze klärungsbedürftig

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Budapest, 27.11.2002, NEPSZABADSAG, ungar., S.3

Ungarns Premierminister Peter Medgyessy soll am 19. Dezember zu einem ein- oder zweitätigen Besuch in Moskau eintreffen. So ist es zumindest geplant. Obwohl der beabsichtigte offizielle Besuch ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass das Verhältnis beider Länder besser geworden ist (der letzte Besuch eines ungarischen Premierministers in der russischen Hauptstadt fand vor sieben Jahren statt), müssten, um die Qualität dieser Beziehungen weiter zu verbessern, die umstrittenen Fragen, die seit nahezu einem Jahrzehnt immer wieder ein Problem in den bilateralen Beziehungen darstellten, geklärt werden. Die ungarische Seite hat gewisse Schritte in dieser Richtung unternommen. Budapest ist beispielsweise bereit, die von Moskau forcierten Abkommen über militärtechnische Zusammenarbeit und Lizenzen zu unterzeichnen. Ungarn ist auch für eine Diskussion des Beitritts zu den Öl-Pipeline-Netzen "Adria" und "Freundschaft" offen, die für russische Unternehmen billige Transportkanäle darstellen würden.

Moskau ist jedoch offenbar nicht geneigt, diesen offensichtlichen Gesten mehr als nur Worte entgegenzusetzen. Mehr noch, seit dem vergangenen Sommer ist die mögliche Rückgabe der Bibliothek von Sarospatak, die Ende des Zweiten Weltkriegs nach Russland gebracht wurde, fraglicher denn je. Der russische Ausschuss aus Vertretern einzelner Ministerien, der sich mit dieser Angelegenheit befasst, entschied am 30. September, dass die Bibliothek, die aus ungarischer Sicht wertvoll ist, nicht zurückgegeben wird, bevor das Parlament in Budapest ein Gesetz über die Rückgabe der Kulturschätze verabschiedet, die nach Ungarn verbracht worden sind. Ungarn hat Moskau mehrfach aufgefordert, alle Schätze zu benennen, die während des Krieges nach Ungarn gebracht wurden und die ihm bekannt sind und Ungarn wäre bereit, dafür zu bezahlen (sic) und die Gegenstände zurückzugeben. Eine solche Liste ist bisher nicht vorgelegt worden. Da über die Rückgabe der Bibliothek von Sarospatak auch die Duma entscheiden muss, ist es zweifelhaft, ob Präsident Putin dem ungarischen Premierministers bei seinem Moskau-Besuch symbolisch auch nur eines dieser Bücher wird überreichen können.

Die Begleichung der Staatsschulden macht ebenso langsam Fortschritte. Die APV Rt. (Staatliche Gesellschaft für Privatisierung und Vermögensverwaltung), die ungarischerseits dafür zuständig ist, nicht gerade schnell. Beobachtern zufolge prüft Russland gegenwärtig gerade die ungarische Haltung mit dem Ziel, Budapest dazu zu bewegen, sich mit der so genannten tschechischen Alternative einverstanden zu erklären; das bedeutet, Moskau zu gestatten, die Schulden zu einem niedrigeren Satz zurückzukaufen.

Was weitere Wirtschaftsfragen angeht, so ist auch keine Lösung für das ungarische Handelsdefizit in Höhe von nahezu zwei Milliarden Dollar in Sicht. Andererseits scheint Russland nicht zu begreifen, warum die ungarische Opposition die russischen Kapitalinvestitionen offenbar zu einem der wichtigsten Diskussionsthemen machen will. Ungarn ist als U-Kandidat wegen der Partnerschaft zwischen der EU und Russland in der Energieindustrie strategisch wichtig. Da Kapital keine Grenzen kennt, ist es kaum möglich, die Kapitalinvestitionen russischer Unternehmen zu begrenzen. Es ist im Interesse beider Seiten, diese Investitionen transparent zu gestalten. Transparenz könnte in der Tat dazu führen, dass russische Investitionen sich vorteilhaft auswirken, denn die russischen Unternehmen würden langfristig wahrscheinlich ihre Gewinne in Ungarn lassen.

Der bevorstehende Winter hat die Frage der Einweihung des zentralen ungarischen Militärfriedhofs in Rudkino im wörtlichen und im übertragenen Sinne auf Eis gelegt. Obwohl Moskau offiziell erklärt hat, dass es sich genau an die Regierungsvereinbarungen halte, hat die zentrale Administration in Wirklichkeit dem Gouverneur von Woronesch gestattet, die Inbetriebnahme des Friedhofs zu verhindern. In Anbetracht der russischen Empfindlichkeiten bezüglich des sowjetischen Denkmals auf dem (Budapester) Szabadsag-Platz mutet dies besonders seltsam an. (TS)