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Es bleibt beim Vakuum

Filip Slavkovic28. Januar 2004

Nach der gescheiterten Wahl eines Parlamentspräsidenten bleibt das Machtvakuum zunächst erhalten - zumindest bis zur zweiten Abstimmung am Freitag (30.Januar 2004).

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Wählen, nicht herschen: Vojislav KostunicaBild: AP

Vier Wochen nach der Parlamentswahl bleibt das Machtvakuum in Serbien weiter bestehen: Bei der konstituierenden Sitzung des Abgeordnetenhauses am Dienstag (27. Januar 2004) in Belgrad scheiterte die Wahl eines neuen Parlamentspräsidenten an der Zerstrittenheit der reformorientierten Parteien. Keiner der beiden Kandidaten erhielt die erforderliche absolute Mehrheit. Die Sitzung wurde daraufhin abgebrochen, die zweite Wahlrunde auf den Freitag (30. Januar 2004) vertagt. Falls es dann erneut zu keiner Entscheidung kommt, könnten das Parlament aufgelöst und nochmals Neuwahlen angesetzt werden. Da Serbien zurzeit keinen Staatspräsidenten hat, wäre es Aufgabe des Parlamentsvorsitzenden, einen Ministerpräsidenten vorzuschlagen und mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Von den 248 anwesenden Abgeordneten stimmten nur 107 für den Kandidaten der Demokratischen Partei Serbiens (DSS) des früheren jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica, Dragan Marsicanin. Die Kandidatin der ultranationalistischen Radikalen Partei (SRS), Gordana Pop-Lazic, erhielt 80 Stimmen. Die Demokratische Partei (DS) des ermordeten Ministerpräsidenten Zoran Djindjic und die sozialistische SPS des jugoslawischen Ex-Staatschefs Slobodan Milosevic enthielten sich.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Das Scheitern der Parlamentssitzung hatte sich schon am Montagabend (26. Januar 2004) abgezeichnet, als auch ein letztes Vorbereitungstreffen der tief zerstrittenen Reformer-Parteien ohne Ergebnis blieb. Kostunicas DSS und Djindjics DS wiesen sich gegenseitig die Schuld zu. Bei der Parlamentswahl am 28. Dezember 2003 waren sechs Fraktionen gewählt worden, von denen jedoch keine genug Stimmen für eine eigene Regierungsmehrheit erhalten hatte. Als stärkste Kraft war die ultranationalistische Radikale Partei (SRS) hervorgegangen. Kostunicas DSS wurde zweitstärkste Fraktion. Der Ex-Präsident will eine Minderheitsregierung mit sich selbst als Regierungschefs bilden. Die DS lehnt dies jedoch ab und fordert die Beteiligung an einer Regierungskoalition.

DS und DSS waren die wichtigsten Mitglieder des Viel-Parteien-Bündnisses DOS, das vor mehr als drei Jahren den Belgrader Machthaber Slobodan Milosevic stürzte. Wegen anhaltender Differenzen stieg zuerst die DSS aus der Allianz aus, später folgten weitere Parteien. Unter ihnen waren die Gruppe 17 plus (G 17 plus) und Neues Serbien (NS). DSS, G17, NS und die Serbische Erneuerungsbewegung (SPO) sollten jetzt eine Minderheitsregierung bilden - mit Unterstützung von Tadics Demokraten.

G 17 plus, SPO und NS hätten eigentlich nichts gegen eine Regierungsbeteiligung von Tadics DS gehabt. Doch Kostunicas Partei wirft der DS vor, während ihrer Regierungszeit unter dem Deckmantel der Reformen Vetternwirtschaft betrieben, enge Kontakte zur Mafia gepflegt und Druck auf politische Gegner ausgeübt zu haben. Tadics DS weist die Vorwürfe entschieden zurück und fühlt sich deswegen beleidigt.

Rechnerische und sonstige Mehrheiten

Das verhindert nicht nur die Regierungsbildung, sondern auch die Wahl des Parlamentspräsidenten und seiner Stellvertreter. Die gesetzliche Frist für deren Wahl und für die Bestätigung der Mandate der insgesamt 250 Abgeordneten läuft am Dienstag (27.1.) ab. Wie die konstituierende Sitzung der Nationalversammlung verlaufen wird, ist daher noch ungewiss.

Rein rechnerisch brächte eine Fünf-Parteien-Regierung eine solide Mehrheit mit 146 von insgesamt 250 Parlaments-Sitzen. Eine demokratische Minderheitsregierung, die von der DS nur toleriert würde, käme auf 109 Mandate. Demgegenüber steht eine starke Opposition: Die Serbische Radikale Partei des Ultranationalisten Tomislav Nikolic und die Sozialisten des in Den Haag sitzenden Slobodan Milosevic kommen zusammen auf 104 Sitze.

Eine gesetzliche Frist für die Regierungsbildung gibt es in Serbien nicht. Die DSS hat kein Problem damit noch zu warten. Ihr Parteichef Vojislav Kostunica, der auch Anwärter für den Posten des Ministerpräsidenten ist, geht davon aus, dass die Regierung wahrscheinlich erst nach der Wahl des Parlamentssprechers steht: "Ein Datum ist sehr wichtig und entscheidend für die Regierungsbildung: Es ist die Vereidigung des Parlaments."