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"Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit"

Interview: Daniel Pelz, Berlin 1. Juni 2016

Sie arbeiten für den Frieden und werden so zur Zielscheibe für Terroristen. Der Ex-Chef der deutschen Polizei bei der UN-Mission in Mali, Meinolf Schlotmann, über das Leben in ständiger Gefahr und die Situation im Land.

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Polizeibeamte vor einem Jeep mit dem Schriftzug "Police" in Bamako.
Bild: H. Kouyate/AFP/Getty Images

DW: Zum "Tag des Peacekeepers" hat die Bundesregierung Ihnen einen Preis verliehen, herzlichen Glückwunsch! Sie haben bis 2015 die Arbeit der deutschen Polizisten in Mali geleitet. Erst am vergangenen Sonntag hat es dort wieder einen Anschlag auf UN-Friedenssoldaten gegeben. Wie ist es für die Mission überhaupt möglich, das Land zu stabilisieren, wenn man selbst der ständigen Terror-Gefahr ausgesetzt ist?

Meinolf Schlotmann: Die Mission bereitet sich natürlich vor. Man versucht "vor die Lage zu kommen", das heißt, Informationen zu sammeln, um diesen Bedrohungen auszuweichen oder begegnen zu können. Es gibt natürlich keine hundertprozentige Sicherheit. Insbesondere der Norden Malis ist ein Rückzugsort für terroristische Gruppierungen. Das ist schwer zu kontrollieren. Ein gewisses Grundrisiko muss man akzeptieren, um diese Arbeit vollziehen zu können.

Wie können Friedenstruppen arbeiten, wenn man sich ständig um seine eigene Sicherheit kümmern muss?

Das ist gerade für Polizisten nicht ganz ungewöhnlich. Das müssen wir in unseren Herkunftsländern auch, aber natürlich auf einem anderen Level. Bei unserer Arbeit als Polizeiberater werden wir beispielsweise von internationalen Polizei-Hundertschaften geschützt. Das ist man natürlich normalerweise so nicht gewöhnt. Auch das Militär schützt die Polizei-Tätigkeiten. Die werden schon mal durch einen äußeren Ring abgesichert, damit man nicht zum Anschlagsziel wird.

Was haben Sie in Mali für Fortschritte bei der Arbeit mit der malischen Polizei beobachtet?

Mali ist für mich ein sehr erfolgversprechendes, friedenssicherndes Projekt. Im Vergleich zu vielen anderen Staaten fängt man schon auf einem sehr hohen Niveau an. Mali war durch die Verfassung in den neunziger Jahren schon sehr demokratisch ausgerichtet. Wenn man mit der Polizei-Beratung anfängt, werden durch die unterstützenden Tätigkeiten der UN und der EU schon in relativ kurzer Zeit Qualifizierungsfortschritte erreicht. Das können Trainings seien in den Bereichen organisierte Kriminalität, Grenzsicherheit , Streifentätigkeit organisieren, Präsenz organisieren oder wie man das Sicherheitsgefühl der Bürger stärkt.

Auf der anderen Seite muss man auch eine Kultur der Korruption und der Vetternwirtschaft bei der Polizei bekämpfen.

Das ist so. Dementsprechend gibt es natürlich auch Programme, die darauf abzielen, Korruption zu bekämpfen. Das darf für uns als Praktiker natürlich nicht heißen: Wir warten jetzt mal ab, bis die Programme greifen und dann fangen wir erst mit unserer Tätigkeit an. Das muss schon parallel passieren. Korruptionsbekämpfung ist ein Thema, das jeden Polizeibeamten angeht, natürlich auch in Mali. Gleichwohl müssen wir mit unserer beratenden Tätigkeit parallel weitermachen.

Welche Reaktionen haben Sie bei ihren Kollegen in Mali auf diese neuen Konzepte bemerkt, die Sie und ihre Kollegen vermittlen?

Wir dürfen natürlich nicht glauben, dass wir der malischen Polizei unsere - in meinem Fall deutsche- Polizeikultur überstülpen können. Auch ich lerne natürlich von der malischen Polizei. Es ist ja nicht so, dass die malische Polizei vorher keine Konzepte hatte. Es geht darum, etwas zusätzlich anzubieten, zu fragen: Passt das in Euren malischen Einsatzraum, kann man das umsetzen, macht das Sinn? Das ist ein Geben und Nehmen und das macht das Ganze auch für uns sehr interessant.

Was haben Sie von den malischen Kollegen gelernt?

Ein ganz praktisches Beispiel: Wir organisiere ich mich in einem Raum, zum Beispiel im Norden Malis, der riesig ist? Unsereins klagt schon mal, wenn der nächste Streifenwagen 15 Minuten entfernt ist. Das sind Distanzen, die in Mali völlig anders sind. Da muss der Polizeibeamte, der irgendwo eine Maßnahme trifft, die bis zum Ende ohne Unterstützung durchführen.

Das heißt, ihr Respekt vor den malischen Kollegen ist gewachsen?

Absolut. Auch logistisch, von der Infrastruktur her, ist das ein Arbeiten, das mir Respekt abverlangt. Das ist einfach so.

Die Bundeswehr wird jetzt auch im Norden Malis stationiert werden. Sie kennen die Gegend. Was wird die Bundeswehr dort erwarten?

Ich bin ein glühender Verfechter davon, dass wir uns personell an UN-Missionen beteiligen, so wie wir es von der Polizei auch tun. In Gao ist die Bundeswehr als Verband in den Sektor eingebunden. Es wird interessant für die Kameraden. Wenn man außerhalb der Stadt im tiefen Sand Streife fährt, dann ist das fordernd. Da wird auch das Gerät mal richtig getestet. Es wird eine gute Erfahrung. Es ist für die Bundeswehr auch wegweisend, eine solche Stärke in eine UN-Mission einzubinden.

Und es ist sicherlich gefährlich.

In dem Maße gefährlich, dass ein erhöhtes Gefahrenpotential in jeder friedenssichernden Mission steckt, sonst gäbe es sie ja nicht. Es gibt eine terroristische Gefahr. Das weiß man,;darauf bereitet man sich sehr professionell vor. Darauf wird sich die Bundeswehr, genau wie die Polizei, wie alle anderen Verbände, ensprechend vorbereiten. Wobei man nie ausgeschließen kann, dass man in Kontakt mit terroristischen Gruppierungen kommen kann.

Sie sagten vorhin, dass Mali ein vielversprechendes Land ist. Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?

Portraitfoto von Meinolf Schlotmann in einer blauen Polizeiuniform.
Meinolf Schlotmann war ein Jahr für die UN-Polizei in Mali im EinsatzBild: DW/D. Pelz

Ich glaube, die malische Bevölkerung ist generell sehr offen, Dinge anzunehmen, von denen sie glaubt, dass sie sie weiter bringen. Mali ist sehr international ausgerichtet, hat einen grenzübergreifenden Blickwinkel. Ich denke, dass sind gute Voraussetzungen für eine Entwicklung. Man muss aber realistisch sein. Nachhaltige Ergebnisse in friedenserhaltenden Missionen werden nicht in fünf Jahren generiert. Auch nicht in zehn Jahren. Da muss man realistisch sein und sagen: Diese Hilfe läuft auch mal 20 oder 25 Jahre. Nicht unbedingt im Rahmen einer UN-Mission. Polizei-Aufbau oder Polizei-Unterstützung kann ja auch anschließend in anderer Form fortgesetzt werden. Aber man muss realistisch sein.

Wagen Sie eine Prognose, wie lange der UN-Einsatz noch dauern wird?

Wir sind ja noch in der Stabilisierungsphase. Dann schon über die Exit-Strategie zu reden, verbietet sich eigentlich. Auch da gibt es natürlich auch in anderen Missionen verschiedene Erfahrungen. Je nach der innerstaatlichen Entwicklung können plötzlich ganz andere Probleme auftauchen. Zu sagen: "Wir sind in fünf oder in zehn Jahren definitiv wieder raus", ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös. Da muss man noch abwarten.

Polizeioberrat Meinolf Schlotmann wurde am "Tag des Peacekeepers" von der Deutschen Bundesregierung für seine Arbeit in Mali ausgezeichnet. Er arbeitet bei der Polizei im nordrhein-westfälischen Iserlohn. Von November 2014 bis November 2015 war er Leiter des deutschen Polizeikontingents bei der UN-Mission MINUSMA in Mali. Zuvor war er bereits bei den UN-Missionen in Darfur und auf dem Kosovo im Einsatz.

Das Interview führte Daniel Pelz.