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"Es ist doch nur Fußball"

Andreas Sten-Ziemons21. Juni 2012

Die Griechen sind auf uns Deutsche nicht gut zu sprechen. Das EM-Viertelfinale hat daher nicht nur eine sportliche Bedeutung, glauben viele. DW-Sportredakteur Andreas Sten-Ziemons erlebt das auf Kreta aber ganz anders.

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Sonnenuntergang in Kalamaki auf Kreta. Foto: Andreas Sten-Ziemons
Fußball EM 2012 Kreta KalamakiBild: DW

Die Sonne strahlt, die Wellen rauschen. Türkisblaues Wasser, die Brandung gekrönt von kleinen, weißen Schaumkämmen und immer ein leichter Wind, der die Hitze sehr erträglich macht. Bei 27 Grad im Schatten lässt es sich leben, hier am Strand von Kalamaki an der Nordküste von Kreta. Vor allem dank Kostas, der direkt am Wasser eine kleine Strand-Bar betreibt und seinen Gästen die kalten Getränke bis an den Liegestuhl bringt.

"Everything okay - alles in Ordnung?" - das fragt er jedes Mal, wenn er seine Runde macht, um leere Gläser abzuräumen, neue Bestellungen aufzunehmen oder einfach nur ein bisschen zu reden. "Zum ersten Mal hier", möchte er weiter wissen. "Woher kommst Du?" Da war sie also, die Frage, über deren Beantwortung ich mir vor meiner Reise ins vermeintlich feindlich gesinnte Ausland wohl am meisten Gedanken gemacht hatte. Sollte ich in Griechenland sagen, dass ich aus Deutschland komme? Immerhin war vor etwa einem Monat ein niederländischer Rentner in einem griechischen Ferienort brutal zusammengeschlagen worden, weil zwei betrunkene Griechen ihn für einen Deutschen gehalten hatten. Da aber Kostas sehr freundlich wirkt und wohl kaum auf seine Gäste einschlagen würde, entscheide mich für eine ehrliche Antwort: "Ich komme aus Deutschland", gebe ich zu. "Tut mir sehr leid!" Kostas lacht: "Oh, kein Problem. Gutes Land!"

DW-Redakteur Andreas Sten-Ziemons mit dem griechischen Barmann Kostas am Strand von Kalamaki. Foto: Andreas Sten-Ziemons
Wer ist der echte Grieche? Barmann Kostas (r.) und Andreas Sten-Ziemons am Strand von KalamakiBild: DW

Sofort erzählt er mir von seinem letzten Aufenthalt in meiner Heimat. "Ich war in Hamburg. Sehr schön. Und dann bin ich weiter nach Norden gefahren." In Dänemark ist er auch gewesen: "Sehr flach da." Und schon muss er wieder weiter, die anderen Gäste warten.

"Es sind die Politiker, die streiten"

Na, wer hätte gedacht, dass das so einfach werden würde? Viele Freunde und Bekannte hatten mich noch gewarnt, mich bloß nicht als Mann aus Germania zu outen. Und möglicherweise hatten sie damit auch Recht: Denn hätte ich dieses Gespräch in den Arbeitervierteln von Athen oder in einer Hafenkneipe in Piräus geführt, wäre die Reaktion vielleicht anders ausgefallen – weniger entspannt. Wer weiß?

Hier auf Kreta aber ist meine Herkunft kein Problem. Auch nicht für Theo, bei dem ich im Restaurant nebenan zu Mittag esse. "Die Leute in Griechenland und in Deutschland haben kein Problem miteinander", sagt er. "Es sind die Politiker, die sich streiten." Außerdem gebe es doch wichtigere Themen als den Euro und die neue griechische Regierung. Den Fußball zum Beispiel. Immerhin spielen wir doch im Viertelfinale gegeneinander.

Strand von Kalamaki auf Kreta. Foto: Andreas Sten-Ziemons
Entspannte Stimmung auf Kreta – das Viertelfinale gegen Deutschland ist schließlich nur ein FußballspielBild: DW

"Ihr habt eine sehr gute Mannschaft", meint Theo. "Ich denke, Ihr werdet dieses Mal Europameister." Ob er jetzt nur freundlich sein möchte? Ich versuche mich direkt zu revanchieren: "Aber Ihr habt Karagounis", sage ich. "Den mag ich sehr. Er gibt nie auf." Leider ist mir dabei entgangen, dass Griechenlands Kapitän Georgios Karagounis im abschließenden Gruppenspiel gegen Russland nicht nur das entscheidende 1:0 geschossen, sondern auch seine zweite Gelbe Karte bekommen hat. Gegen Deutschland wird er daher fehlen. Theo klärt mich auf. "Aber auch ohne Karagounis – es geht bei 0:0 los und wir werden sehen, wer am Ende gewinnt." Darauf können wir uns einigen. Auch bei den Fußballphrasen scheinen Deutsche und Griechen nicht weit auseinander zu liegen.

"Kleingeld bitte!"

Zurück am Strand folgt ein weiterer Hinweis dafür, dass meine Integration in Griechenland schnelle Fortschritte macht: Als ich meinen Eiskaffee mit einem 50-Euro-Schein zahlen möchte, nimmt mich Kostas auf den Arm: "Ihr Deutschen", sagt er. "Immer nur mit großem Geld unterwegs. So kennt man das..." Aber kein Problem, sagt er, ich darf später zahlen, wenn ich Kleingeld habe. Ich scherze zurück: "Nicht schlecht! Wir kennen uns erst so kurze Zeit und schon gibst Du mir Kredit. Das ist doch normalerweise andersherum." Wir lachen.

Später spreche ich auch mit Kostas über das anstehende Spiel. Dass Karagounis nicht dabei sein kann, macht ihm ein bisschen Sorgen: "Ihr habt die bessere Mannschaft", gibt er nachdenklich zu. "Aber man weiß ja nie. In jedem Fall wird es guter Fußball." Sein Tablett schwingend zieht er weiter – andere Gäste warten auf Getränke und ein bisschen Smalltalk. Dann aber dreht er sich im Weggehen doch noch einmal um und ruft: "Aber es ist nur Fußball! Und nicht mehr."