1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

'Es wird ein dauerhafter Aufenthalt'

10. März 2009

In den nächsten Wochen sollen 2500 irakische Flüchtlinge in Deutschland eintreffen. NRW-Integrationsminister Armin Laschet im Interview mit DW-WORLD.DE über ihre Eingliederung in die deutsche Gesellschaft.

https://p.dw.com/p/H98X
Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin LaschetBild: picture-alliance/ dpa

DW-WORLD.DE: Herr Laschet, wissen Sie schon, wer die Menschen sind, die nach Deutschland und nach Nordrhein-Westfalen kommen?

Armin Laschet: Noch nicht genau. Die Flüchtlinge werden zunächst nach Friedland in Niedersachsen gebracht, dort zwei Wochen aufgenommen und dann auf die einzelnen Bundesländer verteilt. Wir haben erste Hinweise darauf, was es für Menschen sind, aber noch keine abschließenden Namenslisten.

Nach welchen Kriterien wird denn entschieden, wer überhaupt nach Deutschland kommt?

Ich bin vor einigen Wochen in Jordanien und Syrien gewesen, um mich über die Aufnahmeverfahren zu informieren. Insgesamt gibt es mehrere 100.000 Flüchtlinge, die sich beim UNHCR registriert haben. Es gibt in Syrien 1,1 bis 1,5 Millionen Flüchtlinge, in Jordanien etwa 500.000, und etwa 300.000 insgesamt sind registriert. Der UNHCR wählt dann nach unterschiedlichen Kriterien aus: Es werden traumatisierte Menschen aufgenommen, es werden allein erziehende Mütter mit Kindern aufgenommen, und wir wollen vor allem die Menschen aufnehmen, die hier vielleicht auch Familienangehörige haben, die Gemeinden haben, in denen sie sofort Aufnahme finden können. Das sind vor allem irakische Christen, denn Sunniten haben an jedem Ort im Irak auch sichere Lebensmöglichkeiten - auch Schiiten haben das. Aber Christen sind im gesamten Irak verfolgt, und insofern wird das der Schwerpunkt sein.

Nehmen Sie ausschließlich Christen auf?

Nein, das sind nicht ausschließlich Christen. Ich habe ja am Anfang die ersten Kriterien beschrieben, also traumatisierte, verletzte Personen. Mütter mit Kindern, die allein erziehend sind, werden ebenfalls aufgenommen, aber es wird ein Schwerpunkt bei den Christen sein.

Wie genau sollen die Menschen denn in die deutsche Gesellschaft integriert werden? Sie sprachen schon die Gemeinden an - aber wie funktioniert das konkret?

Das ist ein ganz neues Verfahren. Es handelt sich ja um so genannte Kontingentflüchtlinge, die im Rahmen eines so genannten Resettlement-Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen kommen. Das heißt, es ist kein vorübergehender Aufenthalt, sondern ein dauerhafter Aufenthalt. Die Flüchtlinge werden von Anfang an arbeiten können, und sie sollen von Anfang an auch in die deutsche Gesellschaft integriert werden. Das beginnt natürlich mit Sprach- und Orientierungskursen, und das wird so angelegt, dass quasi eine dauerhafte Integration gelingt. Dazu braucht man vor Ort viele Akteure: die Städte, die Oberbürgermeister oder Landräte, dazu braucht man auch Kirchengemeinden, die sich dann individuell um die Menschen kümmern. Und man braucht alles, was wir an Beratungseinrichtungen für Einwanderer haben.

Sie sprachen die Arbeitserlaubnis für die Flüchtlinge schon an. Sie sollen zunächst eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis mit Arbeitserlaubnis bekommen. Andererseits leben in Deutschland ja auch viele Asylsuchende und Flüchtlinge aus dem Irak, von denen viele mit einer Abschiebung in den Irak rechnen müssen. Sind da nicht Spannungen innerhalb der irakischen Gemeinschaft in Deutschland vorprogrammiert?

Abgeschoben wird in den Irak überhaupt niemand, es sei denn er ist kriminell gewesen. Von 8.000 Asylbewerbern, die wir im Land haben, wurden im letzten Jahr zwölf abgeschoben – und zwar nicht irgendwo in den Irak, sondern in den kurdischen Teil des Iraks, wo man relativ sicher leben kann. Darauf wird schon geachtet. Und 80 Prozent der Asylbewerber, die hier sind, sind ebenfalls anerkannt. Das ist eine außerordentlich hohe Zahl an Anerkennungen, die bei den irakischen Asylbewerbern erteilt worden ist. Man muss in der Tat darauf achten, dass es nicht zu Spannungen kommt zwischen denen, die jetzt kommen, und denen, die schon hier sind.

Wie wollen Sie das machen? Es gibt ja schon Nachrichten aus nordeuropäischen Ländern, wo es durchaus Probleme gibt.

Es gibt eine schwedische Stadt, die 30.000 Einwohner hat und 8.000 Flüchtlinge. Dass das zu Spannungen führt, liegt eigentlich auf der Hand. Dazu braucht man eigentlich auch keine größeren Analysen. Sämtliche Flüchtlinge sind in den letzten Jahren in diese eine Stadt gebracht worden. Wenn wir 540 Menschen in Nordrhein-Westfalen aufnehmen, in den Städten, wo auch schon Gemeinden sind, wie in Essen, in Aachen, in Bonn, in Düsseldorf oder in Köln, dann sind das für jede Stadt 20 bis 30 Personen. Das wird eine Millionenstadt wie Köln wohl schon verkraften. In Aachen hat der ganze Stadtrat vor einiger Zeit beschlossen, dass man sich aktiv um eine Willkommenskultur kümmern und die Flüchtlinge auch aufnehmen will, so dass ich diese Spannungen bei uns nicht sehe.

Gibt es Erwartungen, die an die irakischen Flüchtlinge gestellt werden?

Ja, die Erwartung ist, dass man der Bereitschaft, sich zu integrieren, sich auf dieses Land einzulassen, auch Folge leistet. Man hat in den Gesprächen in den Botschaften in Damaskus und in Amman genau darauf geachtet: Sind das Personen, denen die Integration in Deutschland leicht gelingen könnte? Die erste Erwartung ist, die Sprache zu lernen, den Kindern den Bildungszugang zu ermöglichen und sich ganz auf diese neue Gesellschaft einzulassen.

Armin Laschet ist Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen.

Das Interview führte Anne Allmeling.