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Interview mit Rainer Zobel, Trainer der Moroka Swallows

1. Juni 2010

Rainer Zobel ist Trainer des südafrikanischen Fußballvereins Moroka Swallows. Der Ex-Profi von Bayern München rechnet mit einer bunten, lauten und tanzenden WM 2010. Zobel äußerte sich im Interview der Deutschen Welle.

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Orlando Pirates Fans beim Derby gegen Kaizer Chiefs. (Foto: Ulrich Reimann)
Bild: DW
Der deutsche Trainer Rainer Zobel führte 1999 den ägyptischen Spitzenklub Al Ahly Kairo zum zweitenmal in Folge zum nationalen Meistertitel. (Foto: dpa)
Als Trainer ist Rainer Zobel international sehr erfahrenBild: picture-alliance/dpa

Rainer Zobel ist Kenner der südafrikanischen Fußball-Szene. Der 61-Jährige trainiert seit 2009 die Moroka Swallows (Moroka-Schwalben), einen Club der Premier Soccer League. Moroka ist ein Stadtteil von Soweto in Johannesburg. Zobel hat 246 Bundesligaspiele für Hannover 96 und Bayern München bestritten. Mit den Bayern gewann er zwischen 1970 und 1976 dreimal die Deutsche Meisterschaft. Einmal holte er den DFB-Pokal und dreimal den Europapokal der Landesmeister. Als Trainer arbeitete Zobel unter anderem für den 1. FC Kaiserslautern und den 1. FC Nürnberg. Nach zahlreichen internationalen Stationen zog es ihn nach Südafrika.

DW-World: Rainer Zobel, zum ersten Mal findet eine Weltmeisterschaft in Afrika statt. Was für eine WM wird das werden?

Rainer Zobel: Eine sehr sehr bunte, eine tanzende und eine laute WM, vor allem in den Stadien wird es eine etwas andere WM geben.

Was meinen Sie mit einer anderen WM?

Ich denke an Bilder aus den Stadien, die wir so bisher noch nicht gesehen haben. Ich habe gerade meinen Söhnen diese traditionellen Fanhelme aus Südafrika mitgebracht. Die werden aufgeschnitten und dann werden da bunte Embleme draufgemalt, dazu die großen Brillen. Wenn das in der Masse auftritt, ist das schon ein unglaublich verrücktes Bild.

Verrückt nach Fußball

Sie sind Trainer bei den Moroka Swallows, einem Verein der Premier Soccer League in Soweto. Ist Fußball in Südafrika ein Sport der Schwarzen?

Mittelfeldspieler Rainer Zobel (r) kämpft mit zwei Spielern von Atletico Madrid um den Ball. Der FC Bayern München gewinnt am 17.05.1974 in Brüssel den Europapokal der Landesmeister durch ein 4:0 im Wiederholungsspiel. (Foto: dpa)
Zobel (rechts) hatte großen Erfolg mit dem FC BayernBild: picture-alliance/dpa

Ja, so ist es augenscheinlich. Alle sind verrückt nach Fußball. Aber es gehen keine Weißen in die Stadien. Das hat mehrere Gründe. Ich denke, dass es nach der Apartheid so deklariert worden ist. Es gibt zwei Sportarten: Rugby und Fußball. Fußball ist für die Schwarzen und Rugby für die Weißen. Das ist natürlich völliger Quatsch. Beide Sportarten sind für beide Hautfarben da. Es gibt da noch das Problem der Colored People. Die gehören ja weder zu weiß noch zu schwarz. Aber ich denke, dass der Sport das überwinden sollte, und ich hoffe, dass die WM dazu beiträgt.

Wie wird die südafrikanische Nationalmannschaft abschneiden?

Wenn man das rein fachlich betrachtet, kommt sie vom Potential her nicht über die Vorrunde hinaus. Doch wenn man es emotional sieht, wird sie möglicherweise auf einer Riesen-Begeisterungswelle getragen. Dann ist es auch möglich, bis ins Viertelfinale vorzustoßen.

Wie wird der deutsche Fußball in Südafrika gesehen?

Sehr gut! Das zeigt auch die neue Zusammenarbeit zwischen Südafrikas Profiliga PSL und der Deutschen Fußball Liga DFL. Auch die Fernsehsender übertragen jetzt Bundesliga live, weil der deutsche Fußball einen hohen Stellenwert hat. Der deutsche Fußball wird auf der ganzen Welt merklich stärker und somit auch stärker angesehen.

"Die Qualität der Verbrechen ist anders"

Ein Thema dieser WM in Südafrika ist die Sicherheit. Wie sehen sie das?

Na ja, ich sag mal, die Qualität der Verbrechen ist anders. Wenn ich in Berlin, Frankfurt, Hamburg oder München in Gegenden hinein gehe, wo man besser nicht hingeht, werde ich möglicherweise überfallen. Mir fehlen dann das Handy und die Geldbörse. Das kann ich vermeiden, indem ich da nicht hingehe. Auch in Johannesburg, Kapstadt oder Durban sollte man vermeiden, in Gegenden zu gehen, wo es gefährlich ist. Denn dann fehlt nicht nur die Geldbörse, dann fehlt vielleicht auch das Leben. Die Qualität des Verbrechens ist leider schrecklicher als in Europa. Aber wenn man dort nicht hingeht und sich daran hält, was alle Fremdenführer, Einheimischen oder auch die Reiseveranstalter einem sagen, dann ist es ein ähnliches Leben wie in Europa.

Es gibt zehn Stadien in neun Städten. Die Arenen haben einen hohen Standard und wurden alle rechtzeitig fertiggestellt. Hat sie das überrascht?

Green Point Stadion in Kapstadt (Foto: Marcus Bredt)
Green Point Stadion in KapstadtBild: Marcus Bredt

Nein, überhaupt nicht. Ich bin ja auch nicht das erste Mal auf dem afrikanischen Kontinent. So etwas überrascht mich nicht. Da gibt es die witzigsten Beispiele, auch aus meinem persönlichen Leben. Da machen zwölf Männer etwas innerhalb von einer Stunde richtig gut fertig. Es hätte aber auch vor zwölf Tagen fertig sein können, wenn nur ein Mann allein kontinuierlich durchgearbeitet hätte. Aber das ist auch typisch afrikanisch, da wird bis zum letzten Moment gewartet. Zur WM hat die FIFA ein bisschen Druck gemacht und schon ist alles eher fertig. Das habe ich auch so erwartet. Bei den Straßen bin ich mir noch nicht ganz so sicher, ob wirklich alle fertig werden. Ich stand jetzt oft genug im Stau. Ich glaube aber, es wird hart dran gearbeitet.

Stehen Sie im Kontakt mit dem DFB und haben Tipps geben können, wie die Mannschaft sich verhalten sollte?

Nein, ich dränge mich da auch nicht auf. Ich hätte sicherlich vor einigem warnen können. Ich hätte sicherlich etwas anders gemacht. Zum Beispiel hätte ein DFB-Mitarbeiter mindestens sechs Monate im Hotelquartier vor Ort sein müssen. Der hätte da wohnen müssen und darauf achten können, was alles passiert. Dann hätte es auch keine Klagen wegen des Hotels gegeben. Nein, man hat mich nicht gefragt und ich dränge mich auch nicht auf.

Nach der Vorrunde ist alles möglich

Wie wird das deutsche Team abschneiden?

Wenn es die Vorrunde übersteht, ist alles möglich. Dann kann es bis zum Endspiel gehen. Die Vorrunde wird auch nicht ganz einfach. Aber ich denke mal: Deutschland ist eine Turniermannschaft.

Und wenn Deutschland ins Endspiel kommt, wer ist dann der Gegner?

Dann könnte es schon die Elfenbeinküste werden oder eine europäische Mannschaft, Spanien vielleicht. Wegen der klimatischen Bedingungen tippe ich mal nicht auf eine südamerikanische Mannschaft, allenfalls vielleicht Argentinien.

Wie sehen Sie die Niederlande mit Arjen Robben und Co.?

Ach, die sollen für deutsche Mannschaften ihr bestes geben, aber nicht unbedingt für die Nationalmannschaft. Ich glaube, Holland hat immer ein gutes Nationalteam, aber ich schätze England dieses Jahr noch stärker ein als die Holländer. Aber ich glaube nicht, dass die Engländer bis ins Endspiel kommen.

Ein "Tanzmärchen" in Südafrika

Fans der Kaizer Chiefs mit den Vuvuzelas (Foto: dpa)
Laut und Bunt: die Vuvuzelas sind für europäische Ohren gewöhnungsbedürftigBild: dpa

In Deutschland hat man ja von einem Sommermärchen gesprochen, was wird man nach der WM in Südafrika sagen?

Na ja, man wird in Deutschland natürlich nicht von einem Wintermärchen sprechen, weil es ja hier auch im Winter keinen Schnee gibt, höchstens in den Drachenbergen. Vielleicht spricht man ja von einem Tanzmärchen.

Wegen der Menschen, die in den Stadien so bunt feiern?

Rund um das Stadion wird getanzt, im Stadion selbst wird auch getanzt. Sowie Musik erklingt, sind die Leute in Bewegung, manchmal mehr als die Spieler auf dem Platz.

Sind Sie auch Gegner der Vuvuzela-Tröten?

Überhaupt nicht. Es wird für Trainer nur schwierig, sich zu verständigen. Da muss man schon einen Weg finden, die Spieler ranwinken oder auch selber laut pfeifen können. Aber ich bin überhaupt kein Gegner der Vuvuzelas. Die gehören einfach dazu und sind auch gar nicht so schlimm und eintönig, wie immer behauptet wird. Je nachdem, wer da rein bläst, gibt es unterschiedliche Töne, und man kann sogar Lieder drauf spielen.

Die Fragen stellte Arnulf Boettcher

Redaktion: Wolfgang van Kann