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ESM: In Berlin steigt die Spannung

Sabine Kinkartz10. September 2012

Ist der geplante Euro-Rettungsschirm ESM mit dem Grundgesetz vereinbar? Vom Votum des Bundesverfassungsgerichts hängt wohlmöglich die Zukunft der Euro-Zone ab.

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Ein Regenschirm mit dem Logo der Europäischen Union liegt vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. Foto: Sebastian Kahnert dpa
Bild: picture-alliance/dpa

In Berlin hat die so genannte Haushaltswoche begonnen. Jedes Jahr um diese Zeit berät der Bundestag in erster Lesung über die geplanten Ausgaben und die Einnahmen des kommenden Jahres. Eine stets arbeitsreiche Woche, die am Mittwoch in der Generaldebatte, einem verbalen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition gipfelt.

Diesmal wird der Mittwoch noch turbulenter. In Karlsruhe wird das Bundesverfassungsgericht ab 10 Uhr (MESZ) verkünden, was es zu den Klagen gegen den geplanten neuen Euro-Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin zu sagen hat.

Zwar ist das Hauptverfahren, in dem geklärt werden soll, ob die europäischen Rettungs- und Stabilitätsmechanismen mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sind, noch gar nicht eröffnet. Die Partei Die Linke, der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler und andere Kläger wollen mit einem Eilantrag die Ratifizierung des ESM in Deutschland indes vorsorglich stoppen und verhindern, dass Bundespräsident Joachim Gauck die Ende Juni von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Gesetze unterzeichnet.

Linke hofft zumindest auf Teilerfolg

Linken-Parteichef Bernd Riexinger zeigte sich in Berlin selbstbewusst. Sowohl der ESM als auch der Fiskalpakt seien verfassungswidrig. Durch die Verträge werde etwas zementiert, das durch keine gewählten Vertreter mehr rückgängig gemacht werden könne. Die Politik ordne sich damit dem Diktat der Finanzmärkte unter. "Es gilt zu verhindern, dass durch diese Verträge die Demokratie in Deutschland und in ganz Europa ausgehöhlt wird", so Riexinger. Ob das Gericht dieser Ansicht folgt, das kann er natürlich nicht wissen. "Wir hoffen doch sehr stark auf zumindest einen Teilerfolg der Klage." Die Linke wäre schon zufrieden, wenn in Zukunft sichergestellt sei, "dass kein Euro gewährt wird, ohne dass das die Parlamente verabschieden".

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, v.l. Sibylle Kessal-Wulf, Monika Hermanns, Michael Gerhardt, Peter Huber, Andreas Voßkuhle (Vorsitz), Gertrude Lübbe-Wolff, Herbert Landau, und Peter Müller. Foto: Uli Deck dpa/lsw
Aus Karlsruhe wird eine Entscheidung von weitreichender Bedeutung erwartetBild: picture-alliance/dpa

Das wäre sicherlich eine Entscheidung, mit der auch die Bundesregierung leben könnte. Regierungssprecher Steffen Seibert jedenfalls versucht den Eindruck zu erwecken, als habe die Regierung ohnehin keinen Zweifel daran, dass der ESM wie geplant in Kraft treten kann. Die Entscheidung am Mittwoch werde "mit einem guten Gefühl" erwartet. "Wir als Bundesregierung sind überzeugt, dass der ESM verfassungsgemäß ist." Diese Haltung habe die Regierung auch in Karlsruhe vor dem Gericht vertreten. Der von der Europäischen Zentralbank (EZB) in der vergangenen Woche beschlossene Ankauf von Staatsanleihen überschuldeter Euro-Länder habe an der Auffassung der Bundesregierung "nichts geändert", so Seibert mit offensiv zur Schau getragener Gelassenheit.

Neuer Eilantrag in Karlsruhe eingereicht

Peter Gauweiler ist da völlig anderer Meinung. Wenn es nach dem Willen des CSU-Bundestagsabgeordneten geht, dann werden nicht nur ESM und Fiskalpakt nie in Kraft treten, sondern es wird am Mittwoch noch nicht einmal eine Entscheidung in Karlsruhe geben. Gauweiler hat beim Bundesverfassungsgericht einen entsprechenden weiteren Eilantrag eingereicht. Mit der Entscheidung der EZB sei eine völlig neue Situation für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des ESM entstanden, so der CSU-Politiker. Eine Ansicht, für die Gauweiler in seiner Partei, die immerhin an der Bundesregierung beteiligt ist, sogar Rückendeckung findet. Er habe "große Sympathie dafür", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt.

Auch Linksfraktionschef Gregor Gysi unterstützt den neuen Antrag Gauweilers. "Wenn er damit Erfolg hat, ist es letztendlich auch ein Erfolg für uns", so Gysi. Die Linke habe sogar überlegt, einen ähnlichen Antrag zu stellen.

Der CSU-Politiker Peter Gauweiler im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Foto: Uli Deck dpa/lsw
Will ESM und Fiskalpakt stoppen: CSU-Politiker Peter GauweilerBild: picture-alliance/dpa

Zwist in der Regierung

Innerhalb der Regierungskoalition sorgt das Vorgehen Gauweilers, vor allem aber auch die Reaktion des CSU-Generalsekretärs indes für mehr als nur Irritationen. "Jeder wäge seine Worte", mahnte der Generalsekretär der Schwesterpartei CDU, Hermann Gröhe, am Montag nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei in Berlin. Man befinde sich im Moment in einer nicht einfachen Situation in Europa und da sollte man die Diskussion "nicht mit Schärfen gegen die EZB in unangemessener Weise erschweren".

Auch FDP-Generalsektretär Patrick Döring nannte Dobrindts Sympathiebekundung "nicht gerade hilfreich". Aufgabe einer Zentralbank sei stets, auch die externe Geldstabilität zu wahren. Auch die Bundesbank habe in den 70er Jahren Staatsanleihen aufgekauft. Die EZB bewege sich zwar an der Grenze, aber immer noch im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten. Nach Ansicht von Döring ist auch durchaus sichergestellt, dass der ESM nicht gegen den Willen des Bundestags tätig werden kann. "Der von Deutschland entsandte Vertreter im Gouverneursrat braucht ein Votum des Bundestages für jedes einzelne ESM-Programm", so Döring.

Respekt und Gelassenheit

Der Deutsche Bundestag hat mit Blick auf den Mittwoch nun erst einmal seine Tagesordnung geändert. Statt wie üblich um neun Uhr morgens wird das Parlament erst um 10 Uhr zusammentreten und dann zunächst über den kommenden Etat des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit debattieren. Erst um 11.30 Uhr wird die Generaldebatte beginnen. Bis dahin, davon geht Bundestagspräsident Norbert Lammert aus, werde das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung sicher verkündet haben. Dass der Abgeordnete Gauweiler dies verhindern kann, davon geht Lammert nicht aus. "Wir sehen der Entscheidung am kommenden Mittwoch mit Respekt und Gelassenheit entgegen", so der Bundestagspräsident.

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