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Estland und Russland schließen Grenzabkommen

Vladimir Müller18. Mai 2005

Die Beziehungen zwischen Russland und den baltischen Ländern sind auch 14 Jahre nach der Neugründung dieser Staaten schwierig. Ein Grenzvertrag zwischen Estland und Russland soll alte Wunden heilen.

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Jetzt ohne Probleme? Passkontrolle an der estnisch-russischen GrenzeBild: dpa - Bildarchiv

Zuletzt stritt man über das Datum und den Ort der Unterzeichnung. Estland bestand auf dem 2. Februar in Tartu - an diesem Tag im Jahr 1920 wurde in dieser estnischen Stadt der Vertrag über die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen Estland und der Sowjetunion geschlossen. Russland dagegen schlug Moskau vor und als Datum den 9. Mai - im Rahmen der Feierlichkeiten zum Sieg im Zweiten Weltkrieg sollte der schon so lange unterschriftsreife Grenzvertrag besiegelt werden. Estlands Präsident Arnold Rüütel sagte jedoch ab. Sein Land - zusammen mit den zwei weiteren baltischen Ländern Litauen und Lettland - habe ja am 9. Mai keinen Grund zu feiern. Der Sieg der Roten Armee 1945 brachte für die Balten 45 weitere Jahre Besatzung und Unterwerfung. Hunderttausende wurden verschleppt, Zehntausende ermordet. Putin verzichtete schließlich auf das symbolische Datum und willigte in den 18. Mai ein, Ort der Unterzeichnung blieb jedoch die russische Metropole.

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Es sind also historische Ereignisse des 20. Jahrhunderts, die nach wie vor die baltisch-russischen Beziehungen im Griff halten. Auch wenn offiziell andere Gründe genannt werden. So war die Regierung in Moskau bisher noch nicht bereit, diesen Vertrag zu unterschreiben, weil von dort aus immer gesagt wurde, dass die russischen Minderheiten in Estland und Lettland nicht so behandelt werden, wie es den Konventionen der Menschenrechte entspräche.

Sprache verbindet

Etwa ein Drittel der Bevölkerung Estlands und sogar 40 Prozent der Bewohner Lettlands sind russischsprachig. Vielen von ihnen wird die Staatsbürgerschaft verweigert - solange sie die entsprechenden Anforderungen nicht erfüllen, vor allem die Beherrschung der jeweiligen Sprachen. Keine leichte Aufgabe: Das Estnische und das Lettische sind mit dem Russischen nicht verwandt. Zudem entstehen bei einem so großen Anteil an russischsprachigen Minderheiten Parallelgesellschaften, in denen es nicht notwendig ist, die Landessprache zu beherrschen.

Hinderlich ist auch die staatliche Regelung in Lettland, dass auch die nach 1991, also nach der Erlangung der Unabhängigkeit, im Land Geborenen nicht automatisch Staatsbürger werden können. So hat auch die Europäische Union ihre baltischen Neumitglieder wiederholt aufgefordert, bürokratische Hindernisse bei der Erteilung der Staatsbürgerschaft abzubauen. Moskau wollte Lettland und Estland sogar von der UN-Menschenrechtsversammlung verurteilen lassen.

Ein anderer Kritikpunkt, den Moskau vor allem gegen Lettland erhebt, ist die angebliche "Lobpreisung" von Kollaborateuren des Nazi-Regimes. "Es stimmt natürlich, dass auch Letten in der Zeit des Nationalsozialismus mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet haben", erklärt der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung im Baltikum, Andreas von Below. "Das überwiegende Motiv dieser Menschen war nicht so sehr, den Nationalsozialismus zu unterstützen, sondern das überwiegende Motiv war, die lettische Nationalität gegen sowjetische Angriffe zu verteidigen."

Es geht um Geld

Ein für Russland bedrohliches Signal hat das lettische Parlament am Freitag (13.5.) gesandt: Der Sejm, das lettische Parlament in Riga, verurteilte in einer Deklaration die Besetzung des Landes durch die Sowjetunion. Zugleich wird von Russland als Rechtsnachfolger Schadenersatz bis zu 100 Millionen Dollar verlangt. Ein neuer Stoff für weitere Konflikte?

Im Vorfeld der Siegesfeier am 9. Mai hatte es schon einen Konflikt gegeben: Nachdem Lettland Territorialforderungen an Russland stellte, verzichtete Russland auf die Unterzeichnung des Grenzvertrags mit Riga. Die neuerlichen Forderungen aus Riga werden wohl keine Entspannung in die beiderseitigen Beziehungen bringen.

Wirklich entspannt kommt dagegen ein russisch-schwedisch-estnisches Projekt daher: Zwischen der estnischen Stadt Narwa und dem russischen Iwangorod soll ein Badepark entstehen - im Tal des Grenzflusses Narwa. Die Besucher von "Waterjoy" - wie das Freizeitzentrum heißen soll - hätten von beiden Seiten her visafreien Zugang.