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Bildung

Etappensieg für Nigers Studenten

Gwendolin Hilse
19. April 2017

Nigers Studenten fordern bessere Lernbedingungen. Nachdem ein Student bei den jüngsten Protesten getötet wurde, signalisiert die Regierung Dialogbereitschaft und ersetzt Bildungsminister Ben Omar Mohamed.

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Niger Niamey Studentenproteste
Bild: DW/Abdoulaye Mamane Amadou

Nach gut einer Woche scheinen die Massenproteste der Studenten in Nigers Hauptstadt Niamey Wirkung zu zeigen: Der nigrische Bildungsminister Ben Omar Mohamed tauscht mit sofortiger Wirkung das Amt mit dem bisherigen Arbeitsminister Yahouza Sadissou. Dies entschied Präsident Mahamadou Issoufou am Dienstagabend (18.04.2017) per Dekret. "Diese technische Umstrukturierung erwächst aus der Notwendigkeit, die der Präsident sah, den Frieden im Bildungssektor nach den in jeder Hinsicht bedauerlichen Ereignissen vom 10. April wiederherzustellen", wird Gandou Zakara, Generalsekretär der nigrischen Regierung, in einer Pressemitteilung zitiert. Außerdem ordnete die Regierung die Freilassung von vier inhaftierten Studentenvertretern sowie die unabhängige Untersuchung des Todes eines Demonstranten an. Damit erfüllt sie weitere Forderungen der Studenten.

Studenten fordern bessere Lernbedingungen

Für den 10. April hatten nigrische Studenten zu einem Protestmarsch aufgerufen. Sie fordern die Auszahlung ihre Stipendien, bessere Lernbedingungen und höhere Standards in den Wohnheimen. Dozenten werden schlecht oder oft gar nicht bezahlt, was immer wieder zu Streiks führt. Vorlesungen fallen aus, Studienzeiten werden unnötig verlängert. Seit vergangenem Jahr kommt es in dem Wüstenstaat immer wieder zu Protesten. Bisher hat sich jedoch nichts geändert, Löhne und Stipendien wurden immer noch nicht ausgezahlt. "Seit sechs Monaten bekommen die nigrischen Studenten an der öffentlichen Universität und den Berufsschulen keine Stipendiengelder mehr. Das wäre im Ausland nicht denkbar", so Husseini Sumaila Sambo, Vertreter der Studentenschaft, im DW-Gespräch.

Niger Niamey Studentenproteste
Kein Durchkommen mehr: Studenten verbarrikadieren Straßen in NiameyBild: DW/Abdoulaye Mamane Amadou

Als die Demonstranten Straßenbarrikaden errichteten und Reifen in Brand setzten, eskalierte die Situation. Polizisten feuerten Tränengas auf Studenten, die wiederum Steine auf die Beamten warfen. Offizielle Statistiken zählen 313 Verhaftungen und 109 Verletzte; ein Soziologiestudent wurde getötet. Während die Polizei alle Vorwürfe von sich weist, beharrt die Studentenschaft darauf, ihr Kommilitone sei von einer Tränengaspatrone getroffen worden.  

Die Proteste seien nicht genehmigt gewesen, hieß es von Seiten der Regierung. Bildungsmister Ben Omar Mohamed griff hart durch und ließ den Campus, auf dem mehr als 11.000 Studenten leben, noch am selben Abend räumen. Sicherheitskräfte stürmten Fakultäten, Bibliotheken und Wohnheime. "Wir haben friedlich gelernt, als auf einmal die Sicherheitsbeamten hereinkamen. Sie fingen an, auf uns einzuschlagen und Tränengas zu versprühen", berichtet der Student Adamou Abubakar der DW. "Sie sagten, sie handelten im Befehl von 'denen da oben'."

Polizeigewalt verhindert Schlichtung

Der Campus in Niamey blieb für mehrere Tage geschlossen, tausende Studenten waren ohne Obdach. Sie schliefen auf der Straße, in Moscheen und Restaurant oder kamen bei Verwandten und Kommilitonen unter. Auch die Universität in Maradi, der drittgrößten Stadt des Landes, blieb aufgrund von Protesten geschlossen.

Niger Niamey Studentenproteste
Trotz der bald anstehenden Examen durften die Studenten die Lehranstalt nicht mehr betretenBild: DW/Abdoulaye Mamane Amadou

Als Präsident Issoufou am vergangenen Samstag die Wiedereröffnung der zwei Universitäten des Landes anordnete und den Dialog mit Vertretern der Studentenschaft suchte, schien eine Schlichtung in Sicht. Doch dann zirkulierte ein Video in den sozialen Netzwerken, in dem zu sehen ist, wie Polizisten mit Knüppeln auf einen unbewaffneten Studenten einschlagen. Wehrlos liegt dieser auf der Lagefläche eines Pick-Ups und wird von seinen Peinigern gezwungen, "lang lebe die Polizei" zu rufen. Dokumentiert und online gestellt haben die betroffenen Polizisten ihre Gewaltorgie selbst. 

"Bildung als Entwicklungschance für den Niger"

Die Nigrer sind schockiert über die Gewalt, mit denen die Uniformierten gegen die Jugendlichen vorgehen. "Dieselben Regierungsvertreter, die damals von diesen Stipendien profitiert haben und dadurch jetzt hochrangige Positionen haben, ordnen nun an, gegen wehrlose Studenten vorzugehen", sagt der Menschenrechtsaktivist Mohammadou Nuhu Arzuka. "Sie sollten sich darum kümmern, die Studienbedingungen zu verbessern, damit junge Nigrer davon profitieren und zur Entwicklung des Langes beitragen können."

Niger Niamey Studentenproteste
Auch die Klassenzimmer bleiben eine Woche lang unbesetztBild: DW/Abdoulaye Mamane Amadou

Der Bildungssektor im Niger zählt zu den am schlechtesten entwickelten in Subsahara-Afrika. Es mangelt an gut ausgebildeten Lehrern, ausreichend Schulen und Unterrichtsmaterialien. Die Alphabetisierungsrate der über 15-Jährigen liegt laut UNESCO bei rund 19 Prozent und ist damit eine der niedrigsten weltweit.

Polizisten vor Gericht

Drei der Polizisten aus dem Video seien identifiziert und am Sonntag festgenommen worden, wird der Sprecher der nationalen Polizei, Adily Toro, in einer Pressemitteilung zitiert: Die Kollegen "haben gegen das Gesetz verstoßen und werden sich vor dem zuständiges Gericht verantworten müssen."

Zur Schlichtung konnte die Festnahme der Polizisten jedoch nicht beitragen: Tausende Studenten gingen am Montagabend erneut auf die Straße. Die Vertreter der Studentenschaft brachen die Gespräche mit der Regierung ab. Sie machten Bildungsminister Ben Omar Mohamed für die Gewalt verantwortlich und drohten damit, ihren Streik auf unbegrenzte Zeit fortzusetzen.

Mit der Absetzung des ungeliebten Ministers hat die Regierung eine wichtige Forderung der Studenten erfüllt. Sie symbolisiert damit ihre Bereitschaft zu weiteren Verhandlungen. Die Studentenvertretung hat derweil angekündigt, ihren Streik fortzusetzen, bis die Stipendien wieder ausgezahlt werden.

Mitarbeit: Abdoulaye Mamane Amadou, Mahaman Kanta (Niamey)