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"Etwas stimmt nicht mit den Ungarndeutschen"

14. Mai 2002

- "Jugend spricht ausnahmslos ungarisch"

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Budapest, Mai 2002, SONNTAGSBLATT 2/2002, S. 7, deutsch, Georg Krix

Ich kann nicht umhin, ich muss immer wieder betonen: Etwas stimmt nicht mit uns Ungarndeutschen. Aber was und warum? Bei uns gibt es doch die beste Minderheitenpolitik auf dieser Welt. Dabei werden in anderen Ländern, z. B. in Rumänien die Minderheiten unterdrückt. Bei uns wird schon immer und überall in den Schulen, sogar in Kindergärten, die deutsche (Mutter-)Sprache unterrichtet. Doch unsere ungarndeutsche Jugend deutscher Abstammung spricht ausnahmslos ungarisch.

In Rumänien gibt es noch viele deutsche Schulen von jeher, doch kaum mehr eine deutsche Bevölkerung. In den deutschen Schulen finden wir überwiegend nichtdeutsche Kinder. Aber diese Kinder, z. B. rumänischer Abstammung, sprechen deutsch in der Schule, auf der Gasse, untereinander, überall. Merkwürdig!

So ähnlich ist die Lage auch auf dem Gebiet der Volkskultur. Wie bei uns in Ungarn Identität und Tradition verstanden und gehandhabt werden – von uns und dem Staatsvolk – wissen wir. Deshalb nur ein Beispiel aus Rumänien. Auszug aus der Ansprache des Vorsitzenden des Vereins "Bergschule" in Schässburg/Sighisoara/Segesvar, Dr. med. Ovidiu Capatina, anlässlich des Bergschuljubiläums am 20. Oktober 2001:

‚Selbst wenn man mir Nostalgie nachsagt, meine Meinung als jetziger Vorsitzender des Bergschulvereins und als Rumäne - der hier in Schässburg geboren wurde, aufgewachsen ist, 40 Jahre als Arzt gearbeitet hat und dazu der Sohn eines der ersten rumänischen Absolventen des ehemaligen Bischof-Teutsch-Gymnasiums ist – ich wiederhole: Meine feste Meinung ist, dass wir verpflichtet sind, uns mit allen Kräften einzusetzen, damit diese alte Stadt erhalten bleibt, damit die deutsche Sprache, Kultur und Tradition weiter leben, mithin auch die charakteristischen Eigenschaften der sächsischen Bevölkerung: Ehrlichkeit, Fleiß, Vertrauenswürdigkeit und Pflichtgefühl.

Die Erinnerung an die Bevölkerung, die diese Stadt gegründet, diese Jahrhunderte überdauernde Burg gebaut hat, an diejenigen, die die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung dieser Gemeinschaft gefördert haben, die unter dem kommunistischen Regime deportiert, erniedrigt und enteignet wurden – diese Erinnerung, aber auch Menschlichkeit und Anstand begründen jene Pflicht.‘

Dazu kann man auch als Beispiel sagen, dass die Größen der von Herrn Capatina gemeinten "Bevölkerung" auch heute noch, ja auch in der Geschichte Johann, Stefan und ... heißen, auch ihre in Rumänien lebenden Nachkommen heute noch ihre Namen in dieser Form, also Johann, Stefan u. a. schreiben. Merkwürdig!

Also, was stimmt bei uns Ungarndeutschen nicht? Merkwürdig, dass wir noch immer nicht selber draufkommen! (me)