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EU-Beitritt im Visier

Gerwald Herter21. März 2002

- Guter Stand der deutsch-ungarischen Beziehungen

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Köln, 21.3.2002, DW-radio

Ungarns Präsident Ferenc Madl hält sich am Donnerstag (21.3.) zu offiziellen Gesprächen in Berlin auf. Geplant sind Treffen mit Bundespräsident Johannes Rau und Bundeskanzler Gerhard Schröder. Viel Kritisches gibt es nicht zu besprechen, die bilateralen Beziehungen haben sich in den vergangenen Jahren nach beiderseitiger Einschätzung positiv entwickelt. Zudem strebt Ungarn in die Europäische Union - auch dies wirkt sich förderlich auf das zwischenstaatliche Verhältnis aus, vor allem wirtschaftlich. (...)

Zuallererst hatte Ungarn den eisernen Vorhang durchtrennt, und seitdem hat das keine deutsche Regierung vergessen, die Wirtschaft schon gar nicht. Audi zum Beispiel montiert in Györ sportlich edle Coupés, die badische Firma Lug lässt in Westungarn Kupplungen, Pumpen sowie Getriebe produzieren - Joint Ventures, Tochterunternehmen, zumindest aber florierender Handel. Deutsche Betriebe investieren hier mehr als Firmen aus jeder anderen Nation. In ihrer Mitgliederliste führt die deutsch-ungarische Handelskammer inzwischen fast 1.000 Unternehmensnamen. Florierende Geschäfte im Zeichen eines guten politischen Verhältnisses, das fast schon Tradition hat.

Der deutsch-ungarische Vertrag ist im letzten Monat zehn Jahre alt geworden - ein günstiger Moment also, um Zwischenbilanz zu ziehen. Der Bundestagsabgeordnete Markus Meckel nutzte die Gelegenheit, um dabei ein wenig Kritik zu üben.

"Ich glaube, dass im Kontakt der Menschen mehr geschehen kann und mehr geschehen sollte." Meckel, bekannt geworden als letzter Außenminister der DDR, will deshalb zum Beispiel den Austausch von Jugendlichen voranbringen. Nicht gerade Defizite also, die die große Politik erschrecken. Ohnehin ist eines klar: Das deutsch-ungarische Verhältnis steckt schon längst in einem weiteren Rahmen, dem der Europäischen Union. Der ungarische Premierminister Viktor Orban hat vor ein paar Tagen deutlich gemacht, dass seine Regierung nach wie vor mit dem EU-Beitritt Mitte übernächsten Jahres rechnet. In Gedanken befindet sich die Regierung längst in der Union. Das zeigt sich zum Beispiel an den klaren Vorstellungen, die Orbans Kabinettschef Andonocz von der Rolle seines Landes in der EU entwickelt hat.

"Nach dem Beitritt Ungarns wären wir - also die ungarische Nation in Ungarn - daran interessiert, dass unsere Nachbarländer hauptsächlich wegen unserer Minderheiten auch mit in die Europäische Union aufgenommen werden. Und wir können sehr gut davon profitieren, dass wir Ungarischsprachige in diesen Nachbarländern haben. Das könnte vielleicht der wichtigste Beitrag Ungarns sein, in der Stabilität beziehungsweise in dem Frieden in dieser Region."

Die Stärkung der Rechte von Auslandsungarn in ihrem Heimatland, das sogenannte Status-Gesetz, hat allerdings nicht nur Nachbarstaaten wie Rumänien oder die Slowakei, sondern auch die EU-Kommission in Brüssel irritiert. Ihr Fortschrittsbericht hat vor einigen Monaten in Erinnerung gerufen, dass Ungarn von der Beitrittsreife in wichtigen Bereichen noch ein gutes Stück entfernt ist. Der Vertreter der Europäischen Kommission in Budapest, Jürgen Köppen, spricht zwar nicht von Kritik, sondern von Hinweisen. Doch diese Forderungen sind deutlich:

"Stärkung der Verwaltungskapazität, wo wir immer noch nicht ganz auf dem wünschenswerten Stand sind. Gleichzeitig Justizwesen, die Stärkung in der praktischen Anwendung des Gemeinschaftsrechtes. Es muss ja nicht nur in die Gesetze Eingang gefunden haben, sondern es muss auch in der Praxis der Rechtssprechung Anwendung finden."

So werden längst noch nicht alle öffentlichen Aufträge in Ungarn ausgeschrieben. Eine Gesetzesänderung Anfang des Jahres hat nach Auskunft ungarischer Experten kaum etwas an der Vergabepraxis ändern können. Einer spricht in diesem Zusammenhang sogar von "Brutstätten der Korruption." Den anhaltenden Hang der ungarischen Regierung zum Wirtschaftspatriotismus führen ausländische Manager auch auf den Wahlkampf zurück, doch das Festhalten am sogenannten ungarischen Nationalvermögen dürfte sie trotzdem kaum erfreuen. Die Postbank soll zwar privatisiert werden, und dennoch soll sie in öffentlicher Hand bleiben. Die großen staatlichen Landwirtschaftsbetriebe wurden nicht verkauft - sie sind in einem Fond aufgegangen, der von der öffentlichen Entwicklungsbank verwaltet wird. Die Bundesregierung muss so etwas nicht allzu deutlich kritisieren, es könnte das gute Verhältnis zu Ungarn trüben. Seit Beginn der Beitrittsverhandlungen hat das ohnehin die Europäische Kommission übernommen. (fp)