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EU-Berichte erfunden und erlogen

Daphne Antachopoulos6. Februar 2004

In europäischen Medien werden mehr oder minder gezielt Gerüchte und Falschmeldungen über die EU verbreitet. Die Kommission in Brüssel versucht verstärkt, etwas gegen diese Art der Berichterstattung zu tun.

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Die EU-Kommission kämpft gegen Falschmeldungen in europäischen MedienBild: AP


Michael Mann sammelt Mythen - aus ganz Europa und im Auftrag der EU. Mit Mythologie hat das allerdings wenig zu tun. Akribisch sortiert der Pressesprecher der EU-Kommission Falschmeldungen, die die Medien in den Mitgliedsstaaten über die EU produzieren. "Die Leute werden förmlich gefüttert mit Geschichten, warum die krumme Banane und die gerade Gurke verboten werden müssen", so Mann.

Die Briten erfinden am meisten

Auch phantastische Gerüchte über das auf 16 Zentimeter Länge genormte EU-Kondom wurden von Medien als vermeintliche Vorhaben aus Brüssel in die Welt gesetzt. Zwischen fünf und 25 EU-Mythen pro Mitgliedsland hat Michael Mann bisher auf der EU-Homepage gesammelt und richtig gestellt. Mit 120 EU-Mythen sei Großbritannien das "größte Märchenland" in der EU, so Michael Mann: "Es gibt sie zwar auch in vielen skandinavischen Blättern, in den schwedischen und dänischen zum Beispiel“, weiß Mann, „diese Falschmeldungen sprießen überall. Aber es ist schließlich bekannt, dass die britische Presse eine Menge Spass daran hat, diese EU-Mythen abzudrucken."

Presse äußert sich abfällig über EU

In den meisten anderen EU-Mitgliedsstaaten ist eher abfällig und verallgemeinernd vom "Moloch Brüssel" die Rede, in dem das Parlament eine "Quasselbude" und die Verfahren "undurchsichtig" seien. Viola Eggert von der Vertretung der Kommission in Berlin kann bei deutschen Mythen über die EU einen gemeinsamen Grundgedanken feststellen: "Das zielt natürlich immer alles in Richtung Überregulierung. Dass die EU dem Bürger vorschreibt, welche Schritte er demnächst zu gehen hat und wirklich auf sein Leben Einfluss nimmt."

Ein wirkliches Problem seien die EU-Mythen in Deutschland allerdings nicht, meint Viola Eggert. Britische Zeitungen hingegen belassen es nicht bei pauschalen Vorwürfen. Sie stellen Forschungs-Ergebnisse gleich als verbindliche EU-Verordnungen dar, aus Gerüchten werden schnell beschlossene Richtlinien. Da droht den Lieblingshunden der Queen, den Corgis, nach einer Hunde-Verordnung angeblich die Verbannung aus der EU. Die LKW-Fahrer auf der Insel dürfen laut einer anderen Zeitung in Zukunft keine Spiegeleier mit Speck zum Frühstück essen. Denn, so heißt es da zur Begründung, mit fettigen Fingern am Steuer könnten sie den Straßenverkehr gefährden. Und der ironische Rat: "Esst statt dessen Müsli und Croissants!".

Zu viel harte Fakten schrecken ab

Bedrohliche Berichte vom europäischen Kontinent verkauften sich in Großbritannien besser als die trockenen EU-Berichte mit den harten, aber auch komplizierten Fakten, glaubt Michael Mann. "Der britische Medien- und Zeitungsmarkt ist anders als in den meisten anderen europäischen Staaten. Es gibt viel mehr Boulevardzeitungen als in anderen Ländern.“ Dort herrsche ein mörderischer Wettbewerb. Die Blätter versuchten sich gegenseitig mit albernen, amüsanten oder sexy Stories auszustechen.

Die meisten dieser Geschichten werden nicht von den Brüssel-Korrespondenten geschrieben, denn die sind gut informiert, was in Brüssel tatsächlich passiert. Dafür greifen ihre Londoner Kollegen zur Feder und kreieren Titel wie: "Britische Milchflaschen aus Glas werden von der EU bedroht - nicht umweltfreundlich! Wieder stirbt ein Stück britischer Lebensart!"

Pressestelle in der Defensive

Brüssel greife permanent in das tägliche Leben und die Selbstbestimmtheit der Menschen ein - mit dieser Befürchtung spielen die meisten EU-Mythen in Europa. Hier sieht sich der Kommissionssprecher selbst in der Pflicht: Sobald ein wirklich großer Skandal hoch kocht, startet die Pressestelle der EU-Kommission eine Gegenoffensive und verbreitet die wahren Fakten.

Außerdem bemüht sie sich um tägliche, umfassende Informationen über aktuelle Vorgänge in der EU. Das allein reicht aber nicht, so Michael Mann: "Wir können nur einen bestimmten Anteil von Brüssel aus übernehmen. Hier ist auch die nationale Regierung gefragt: Sie muss eine ernsthafte Diskussion mit dem Volk darüber beginnen, was Europa ist und warum Europa gut ist."