1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EU besorgt über Reformvertrag

25. März 2009

Nach dem Sturz der tschechischen Regierung sieht die EU den Lissabon-Vertrag erneut gefährdet. Noch-Ministerpräsident Topolanek versucht zu beschwichtigen.

https://p.dw.com/p/HJZs
Tschechiens Noch-Regierungschef Topolanek steht an einem Rednerpult im Europa-Parlament, hinter ihm einige Abgeordnete (Foto: DPA)
Tschechiens Noch-Regierungschef Topolanek fand im Europa-Parlament beschwichtigende WorteBild: picture-alliance/ dpa

Mirek Topolanek war am Mittwoch (25.03.2009) nach Straßburg geeilt und versicherte den versammelten Abgeordneten des Europa-Parlaments, das Misstrauensvotum vom Dienstag werde die laufende tschechische EU-Ratspräsidentschaft nicht beeinträchtigen. Seine Regierung werde bis zum Abschluss ihres EU-Vorsitzes Ende Juni geschäftsführend im Amt bleiben. Topolanek will nach Angaben seiner Sprecherin am Donnerstag seinen Rücktritt bei Staaspräsident Vaclav Klaus einreichen.

Wie verhält sich Klaus?

Dieser bekräftigte in einer kurzen Ansprache in seinem Prager Amtssitz, das Scheitern der Regierung mitten in der EU-Präsidentschaft sei "keine Katastrophe". Der Sturz einer Regierung sei nichts Ungewöhnliches. Zwanzig Jahre nach dem Ende des Kommunismus sei Tschechien eine entwickelte parlamentarische Demokratie. Deshalb respektiere er die Entscheidung des Parlaments. Die Abgeordneten hatte Topolaneks Mitte-rechts-Regierung am Dienstagabend mit der denkbar knappsten Mehrheit das Misstrauen ausgesprochen.

Zwei Europa-skeptische Abgeordnete im Europa-Parlament halten an ihren sitzen ein Plakat hoch mit "Lisbon No" (Foto: DPA)
Europa-skeptische Abgeordnete zeigen ihre Ablehnung des Lissabon-Vertrags im Europa-Parlament im FebruarBild: picture-alliance / w80/ZUMA Press

Klaus wollte sich vorerst nicht festlegen, wen er mit der Regierungsbildung beauftragen will. Es werde aber sicherlich "keinen Rückfall in kommunistische Zeiten" geben, versicherte er. Stärkste Fraktion in Parlament und Senat bleibt Topolaneks Bürgerpartei (ODS). Dem Staatspräsidenten, der als Europa-Skeptiker gilt, sind durch die Verfassung weder Vorgaben noch Zeitlimits zur Nominierung eines Kandidaten für das Amt des Regierungschefs gesetzt.

Befürchtungen bei EU-Partnern

Bei den EU-Partnern wächst derweil die Befürchtung, dass der Reformvertrag von Lissabon scheitern könnte. Außer in Tschechien ist er auch in Polen, Irland und Deutschland noch nicht komplett ratifiziert. Das tschechische Unterhaus hat zwar schon zugestimmt. Der Senat, in dem überwiegend EU-Kritiker sitzen, verschob am Mittwoch seine Beratungen über das gesamteuropäische Vertragswerk auf Ende April.

Die Iren halten im Herbst diesen Jahres ein neues Referendum ab. In Deutschland hängt die Ratifizierung von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ab, das noch vor dem Sommer erwartet wird. Der tschechische Vize-Ministerpräsident Alexandr Vondra gestand ein, dass die Regierungskrise die Ratifizierung "verkompliziere".

Europa-Parlaments-Präsident Pöttering, die rechte Hand erhoben (Foto: DPA)
Der Präsident des Europa-Parlaments, Pöttering: "Wir brauchen diesen Vertrag"Bild: picture-alliance/dpa

Kommissionspräsident José Manuel Barroso mahnte dennoch in Straßburg eine rasche Zustimmung durch die Tschechen an. Die Reformen dürften nicht zur "Geisel" der Regierungskrise gemacht werden. Der Präsident des Europa-Parlaments, Hans-Gert Pöttering, sagte, wenn der Vertrag nicht in Kraft treten könne, wäre dies "tragisch" für die EU. Diese habe seit zehn Jahren an den Reformen gearbeitet. "Wir brauchen diesen Vertrag".

Rückendeckung aus Berlin

In Berlin äußerte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg die Hoffnung, dass Tschechien trotz der innenpolitischen Probleme die EU-Präsidentschaft weiter wahrnehmen könne. Aus Sicht der Bundesregierung sei die Zusammenarbeit mit Tschechien sehr gut. Die Regierung in Prag habe in den ersten drei Monaten "intensiv und abgestimmt mit den europäischen Partnern an europäischen Themen gearbeitet". Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte nach Stegs Angaben am Mittwoch mit Topolanek und ließ sich über die Lage unterrichten. (bea/wl/afp/rtr/dpa/ap)