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Kosovo-Status bleibt außen vor

Christoph Hasselbach9. September 2012

Die Europäische Union kann sich nicht entscheiden, ob sie das Kosovo als unabhängigen Staat anerkennen soll. Was sie aber in jedem Fall fordert, sind normale Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien.

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Straße in Pristina im Kosovo (Foto: Georgi Licovski/EPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Als sich das Kosovo Anfang 2008 für unabhängig erklärte, stellte der Schritt die Europäische Union vor ein Dilemma: Sollte man die bisherige serbische Provinz als eigenen Staat anerkennen oder nicht? Die Mehrheit der EU-Staaten hat das wenig später getan, darunter auch Deutschland: Die Bundesregierung wolle "die jahrelange Unsicherheit und Instabilität beenden. Nur so können wir Weichen für eine bessere Zukunft nicht nur im Kosovo, sondern auch auf dem gesamten westlichen Balkan stellen", begründete der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Entscheidung.

Ganz anders sehen es - bis heute - die Regierungen Griechenlands, Rumäniens, der Slowakei, Spaniens und Zyperns. "Wir glauben, dass alles, was die territoriale Integrität eines Landes betrifft, durch Verhandlungen entschieden werden sollte und nicht durch einseitige Unabhängigkeitserklärungen", betonte der ehemalige zyprische Außenminister Marcos Kyprianou einmal bei einem Ministerrat in Brüssel. Sein spanischer Kollege José Manuel García Margallo bekräftigte beim Außenministertreffen am Freitag (07.09.2012) auf Zypern, sein Land werde in jedem Fall bei seinem Nein bleiben, da solche Fragen nur auf dem Wege internationaler Verhandlungen gelöst werden dürften.

Aber warum sind es gerade diese Staaten, die nicht mitziehen? Die kosovarische Präsidentin Atifete Jahjaga meinte im Juli dieses Jahres, das habe mit dem Kosovo selbst nichts zu tun: "Das sind innenpolitsche Gründe." Womit sie Recht haben dürfte. Alle fünf Verweigerer haben starke Minderheiten in ihren eigenen Staaten und befürchten, auch diese könnten eine Unabhängigkeit anstreben.

Spaltung schwächt EU-Balkanpolitik

Die Spaltung der Europäischen Union in der Frage der kosovarischen Unabhängigkeit schwächt die EU-Politik in der Region. Ulrike Lunecek, österreichische Grünen-Abgeordnete im Europaparlament und Berichterstatterin für das Kosovo, ruft denn auch "die fünf widerspenstigen Mitgliedsstaaten zur Anerkennung auf, denn das würde die EU-Bemühungen noch wirkungsvoller machen." Doch das dürfte vorerst nicht geschehen. Die laufende zyprische Ratspräsidentschaft, auch sie ein Gegner der Anerkennung, will sich bedeckt halten. Nach den Worten des stellvertretenden zyprischen Europaministers Andreas Mavroyiannis "versucht die EU einen Status-neutralen Ansatz".

Kosovos Präsidentin Jahjaga (links) und EU-Ratspräsident Van Rompuy lächeln sich an (Foto: dapd)
Kosovos Präsidentin Jahjaga bei EU-Ratspräsident Van RompuyBild: dapd

Aber wenn die EU in der Frage uneinheitlich auftritt, kann sie auch kaum von Serbien erwarten, das Kosovo offiziell als Teil seines Territoriums aufzugeben. Der neue serbische Präsident Tomislav Nikolić konnte im vergangenen Juni nach Gesprächen mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und Kommissionspräsident José Manuel Barroso befriedigt feststellen: "Ich habe die Zusicherung erhalten, dass die EU von uns nicht die Anerkennung des Kosovo verlangen wird." Gerade für den als Nationalisten geltenden Nikolic wäre das auch völlig unannehmbar. So sieht es auch die große Mehrheit der serbischen Bevölkerung und erst recht die serbische Minderheit im Norden des Kosovo.

Das heißt aber nicht, dass die Europäische Union in der Kosovo-Frage gar nichts von Serbien erwartet, wenn das Land seinem Ziel eines EU-Beitritts näher kommen will - im Gegenteil. Serbien hat bereits seit diesem Jahr den Status eines Beitrittskandidaten und wartet auf die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Und beim Besuch von Präsident Nikolić im Juni stellte Kommissionspräsident Barroso unmissverständlich klar, "dass eine Normalisierung von Serbiens Verhältnis zum Kosovo eine absolut zentrale Bedingung bleibt, damit die Kommission unseren Mitgliedsstaaten die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen empfehlen kann". Konkret erwartet die EU von beiden Seiten im Moment vor allem, dass die Grenzübergänge normale Übergänge werden.

Dialog und Kompromiss als "europäischer Weg"

Serben demonstrieren gegen unabhängiges Kosovo (Foto: picture-alliance/dpa)
Serben demonstrieren gegen ein unabhängiges KosovoBild: picture-alliance/dpa

Das Kosovo hat zwar bisher keinen Beitrittskandidatenstatus. Und den kann es auch nicht bekommen, solange nicht alle EU-Mitglieder das Kosovo als Staat anerkannt haben. Doch grundsätzlich stehe dem Land der Weg nach Europa offen, sagt die Kommission. Deshalb fordert sie auch vom Kosovo, seine Beziehungen zu Serbien zu verbessern und seine serbische Minderheit zu respektieren, ganz unabhängig von der ungelösten Statusfrage. Ratspräsident Van Rompuy sprach einmal vom "europäischen Weg von Dialog, Kompromiss und Konsenssuche", bei dem beide Seiten nur gewinnen könnten. Doch auf lange Sicht muss auch die Statusfrage angepackt werden, deutete Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments, an. "Am Ende eines langen Weges muss die gegenseitige Anerkennung von Serbien und dem Kosovo stehen", sagte Schulz im Beisein des serbischen Ministerpräsidenten Ivica Dačić.

Tatsächlich sind beide Seiten ein gutes Stück aufeinander zugegangen. Das Kosovo kann zum Beispiel inzwischen an bilateralen und regionalen Verhandlungen über Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen teilnehmen, ohne dass Serbien dies als staatliche Anerkennung versteht. Die stellvertretende serbische Ministerpräsidentin Suzana Grubjesic ging Ende August in Brüssel noch weiter, als sie der kosovarischen Seite "einen politischen Dialog auf höchster politischer Ebene" vorschlug. Sollte es dazu kommen, wird es bei diesem Treffen aber sicher nicht um die Statusfrage gehen, weil es dazu keinerlei Annäherung in den Positionen gibt. Und der kosovarische Ministerpräsident Hashim Thaçi erteilte im Juli auch der serbischen Idee eine Absage, den serbisch dominierten Nordteil des Kosovo abzutrennen und Serbien zuzuschlagen: "Eine Teilung des Kosovo ist ein Traum, der niemals in Erfüllung gehen wird. Jede Forderung einer Änderung der Grenzen des Kosovo wäre gefährlich für die gesamte Region", sagte Thaçi.

Noch lange internationale Präsenz nötig

Wenn nun das Internationale Zivilbüro in Pristina seine Pforten schließt, was ändert sich damit eigentlich? Nicht viel, glaubt Marko Prelec, Balkanexperte der International Crisis Group in Brüssel. "Das Kosovo ist noch immer instabil, vor allem was die Rechtsstaatlichkeit betrifft und die Beziehungen zu den Serben im Norden des Landes und zu Serbien selbst", meint Prelec. Auch an der Nichtanerkennung durch fünf EU-Länder und an der fehlenden UN-Mitgliedschaft werde sich vorerst nichts ändern. Prelec glaubt, jeder Rückzug der internationalen Präsenz werde mehr Gefahr für die Serben im Kosovo bedeuten. "Dies ist immer noch ein gefährliches Gebiet, wo die internationale Präsenz noch mehrere Jahre gebraucht werden wird." Das sehen EU und NATO genauso. Die NATO-geführte Schutztruppe KFOR wird ebenso im Kosovo bleiben wie die Polizei- und Justizmission EULEX der EU.

Uniformärmel mit UNO-Emblem, Deutschland-Flagge und Polizeiwappen von Baden-Württemberg (Foto: picture-alliance/dpa)
EU-Hilfe: Deutsche Polizisten bilden kosovarische Polizisten ausBild: picture-alliance/dpa