1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EU-Daumen hoch für Bukarest und Sofia

Alexander Andreev / Robert Schwartz 11. Oktober 2004

Die Diskussionen um EU-Beitrittsverhandlungen für die Türkei haben andere Länder in den Hintergrund gedrängt. Auch in Rumänien und Bulgarien freut man sich über Botschaften aus Brüssel.

https://p.dw.com/p/5fwo
Für Sofia ist ein EU-Beitritt schon absehbarBild: dpa

Der EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens soll, wie vorgesehen, am 1. Januar 2007 erfolgen. Das war die wichtigste Nachricht, die in Bukarest und Sofia dem vergangenen Mittwoch (6.10.) veröffentlichten Länderbericht der Europäischen Kommission entnommen wurde. Die darin enthaltenen Kritiken - Korruption, Kriminalität, mangelnde Unabhängigkeit der Justiz - wurden zwar auch akzeptiert, gingen aber in der generellen Euphorie zuweilen etwas unter. Auch die Debatte um den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei hat die nächsten Kandidatenländer auf der EU-Liste etwas in den Hintergrund gedrängt.

"Schwierig, aber nicht ausgeschlossen"

Trotzdem klopften sich in Bukarest und Sofia die regierenden Politiker am Mittwoch (6.10.2004) mit Genugtuung auf die Schulter: Mit dem Länderbericht war auch der letzte Schritt in Richtung EU-Integration geschafft. Der für die EU-Osterweiterung zuständige Kommissar Günter Verheugen hätte es deutlicher nicht zum Ausdruck bringen können: "Für Bulgarien und Rumänien erklärt die Kommission, dass sie für das Jahr 2007 die Beitrittsreife vorsieht. Die Verhandlungen mit Bulgarien sind bereits technisch abgeschlossen. Wir unterstützen den Wunsch, sie auch mit Rumänien noch vor Ende dieses Jahres abzuschließen. Es wird schwierig, aber es ist nicht ausgeschlossen. Dann folgen zwei Jahre, in denen beide Länder ihre Verpflichtungen ausfüllen müssen. Das wird sehr streng beobachtet werden." Sollte sich in diesen zwei Jahren herausstellen, dass eines der Länder oder beide die Bedingungen nicht erfüllen können, sieht eine "Super-Safeguard-Klausel" vor, dass der Beitritt um ein Jahr verschoben werden kann.

Freude in Rumänien

Bukarest, Parlamentsgebäude
Parlamentsgebäude in Bukarest

Für die rumänischen Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Adrian Nastase bot dies Anlass zur Freude: Rumänien wird in dem Bericht nach Jahren zähen Ringens der Status einer funktionierenden Marktwirtschaft bescheinigt. Bulgarien hatte dieses Ziel vor zwei Jahren erreicht. Überhaupt war man in Bukarest gespannt auf den Fortschrittsbericht der EU-Kommission, um zu sehen, ob Bulgarien wegen der bereits abgeschlossenen Verhandlungen mit der EU den Vortritt erhält oder weiterhin vom "Tandem" mit Rumänien die Rede ist: Das "Tandem" bleibt bestehen, trotz der vier Kapitel - Justiz, Umwelt, Konkurrenz und Verschiedenes - die Bukarest noch in diesem Jahr abschließen muss.

Die rumänische Regierung hat bei den letzten Verhandlungen und vor allem bei der Umsetzung der beschlossenen Reformen allerdings ein großes Problem: Am 28. November sind Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Harte Reformen in einem Wahljahr durchzusetzen - das ist für jede Regierung eine schmale Gratwanderung. Doch ohne die Beibehaltung der Reformdynamik ist der Beitritt 2007 gefährdet.

Überraschung in Bulgarien

In Bulgarien ist der Fortschrittsbericht mit ungewöhnlicher Spannung erwartet worden. Die meisten Politiker und Beobachter sind von der Einführung der "Super-Safeguard-Klausel" unangenehm überrascht. Das sei ein Versuch, die eventuelle Abkoppelung von Rumänien zu blockieren und Sofia wegen der Verspätung Bukarests ein zusätzliches Jahr warten zu lassen, heißt es in der bulgarischen Hauptstadt. Ansonsten werden die kritischen Befunde im Bericht allgemein akzeptiert.

Die Unabhängigkeit der bulgarischen Justiz lässt in der Tat zu wünschen übrig, das Niveau der Korruption im Lande ist immer noch für europäische Verhältnisse zu hoch, die Situation der Roma-Minderheit bleibt unverändert schlecht. Zurzeit versucht das bulgarische Parlament, im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung - vor allem in der Ermittlungsphase - die EU-Kriterien rasch in die Gesetzgebung zu übernehmen. Was aber die von der Kommission kritisierte starke politische Einflussnahme auf die unabhängige Justiz anbetrifft, ist kaum ein baldiger Fortschritt in Sicht.