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Reform der battlegroups

Christoph Hasselbach31. Mai 2013

Die Europäische Union verfügt seit einigen Jahren über eigene Truppen für weltweite Militärmissionen. In den Einsatz geschickt wurden die Soldaten allerdings bislang noch nicht. Das soll sich in Zukunft ändern.

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Soldaten bei einer Übung Foto: Getty Images
Bild: Getty Images

Seit 2007 hält die Europäische Union je zwei Kampfgruppen (Battlegroups) mit je rund 1500 Soldaten einsatzbereit. Mit halbjährlicher Rotation wechseln sich verschiedene EU-Mitgliedsstaaten mit der Abstellung von Soldaten ab. Die im Regelfall multinationalen Verbände sind als schnelle Eingreiftruppe der Europäischen Union gedacht und können die Voraussetzungen für längerfristige Einsätze schaffen. Doch die Battlegroups sind bislang arbeitslos, wurden noch kein einziges Mal eingesetzt.

Dabei hat es keineswegs an Konflikten gefehlt, von denen Europa betroffen war, in Europa selbst und in der europäischen Nachbarschaft. War also das Konzept von Anfang an falsch? Nein, sagt der deutsche CDU-Europaabgeordnete und sicherheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Michael Gahler im Interview mit der Deutschen Welle. Doch es habe, immer wenn sich die Frage eines Einsatzes gestellt habe, der politische Wille gefehlt. Bleibe es bei der Untätigkeit, befürchtet Gahler, dann werde sich früher oder später die Existenzfrage für die Kampfgruppen stellen: "Dann muss man auch irgendwann fragen, ob man das anders macht." Entweder man setze die Truppen ein "oder irgendwann glaubt daran keiner mehr."

Ergänzen, nicht abschaffen

Dabei will kaum jemand die Battlegroups ganz abschaffen. Sie stehen nicht zuletzt für den Ehrgeiz der Europäer, eigene Krisenreaktionskräfte zu haben, und damit auch für ein Stück Selbstbehauptungswillen gegenüber den US-Amerikanern, die in der NATO den Ton angeben. Doch europäischer Konsens ist inzwischen auch, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Im April hatte der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière bei einem Ministerrat in Luxemburg die Idee vorgebracht, die Truppen nicht nur für Kampfeinsätze bereitzuhalten, sondern zum Beispiel auch für "schnelle Ausbildungseinsätze" oder im Auftrag der Vereinten Nationen "bei Beobachtung, Beratung, Hilfe".

Gahler vor EU-Flagge Foto: picture-alliance/dpa
Sicherheitspolitiker Gahler: "Es fehlt der politische Wille."Bild: picture-alliance/dpa

Bei General Patrick de Rousiers, dem Vorsitzenden des EU-Militärausschusses, kam das gut an. Das deutsche Papier habe "als Katalysator für die Diskussion gewirkt, wie weit die Generalstabschefs bereit wären, dabei zu gehen." Bei der jüngsten Sitzung des Gremiums Mitte Mai, so der französische General, sei die Bereitschaft deutlich gewesen, "nach vorn zu gehen, um die Reaktionsfähigkeit der Europäischen Union auf Krisen zu erhöhen." Konkreter wurde er allerdings nicht. De Rousiers ist aber schon erleichtert, dass de Maizière an eine Ergänzung, nicht eine Abschaffung der Kampfgruppen denkt.

Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU, r) wird am Montag (18.03.2013) am Flughafen in Bamako in Mali bei seiner Ankunft von Soldaten der deutschen Beratergruppe empfangen. Foto: Oliver Lang
Will die EU-Kampftruppen ergänzen: der deutsche Verteidigungsminister Thomas de MaizièreBild: picture-alliance/dpa

Testfall Mali-Krise

Der deutsche Verteidigungsminister hatte seinen Plan auch vor dem Hintergrund des Konflikts in Mali vorgelegt und dabei gesagt: "Jetzt sehen wir, dass es viele Situationen gibt, wo die Europäische Union schnell in anderer Weise gefordert ist." Auch Mali hätte allerdings ein Fall für die Battlegroups sein können. Tatsächlich zog aber Frankreich die militärische Initiative an sich. Der Europapolitiker Michael Gahler war einer der ganz wenigen, die damals einen Einsatz der Battlegroups ins Spiel brachten. Allerdings, so stellt er jetzt klar, nicht für einen Kampfeinsatz an der Front, sondern "im Hinterland, wo die malischen Behörden langsam wieder ihre Verwaltung aufgebaut haben, da hätte man das einpassen können in die Absicherung der Wiederherstellung der Souveränität und der administrativen Strukturen." Doch auch in diesem Fall "war der politische Wille nicht da."

Ein Problem vor allem bei sehr kurzfristigen Kampfeinsätzen der Battlegroups ist, dass in vielen Truppenstellerstaaten (wie zum Beispiel in Deutschland) dafür ein eigener Parlamentsbeschluss notwendig ist. Bis zur Zustimmung kann der geeignete Moment für eine Militärintervention schon verstrichen sein. Schnelle Ausbildungseinsätze dagegen, wie sie de Maizière vorgeschlagen hat, brauchten die parlamentarische Zustimmung wohl nicht.

Mehr europäisches Engagement im eigenen Hinterhof

Kritiker der Battlegroups haben immer wieder gesagt, diese stellten eine Konkurrenz zur NATO, vor allem zu deren Eingreiftruppe NATO Response Force (NRF), dar und seien daher eine teure Doppelstruktur. Eine Spaltung der NATO droht deswegen aber nicht, glaubt der Sicherheitspolitiker Michael Gahler. Er geht davon aus, dass die USA auf einen stärkeren europäischen Militärbeitrag warten, zumindest bei Konflikten in und um Europa: "Wenn wir gesagt kriegen: 'Kümmert Euch um Euren Hinterhof', da haben die Amerikaner recht."

Soldaten vor gepanzertem Fahrzeug in Wüstengegend Foto: Reuters
Statt der EU-Battlegroups übernahmen französische Soldaten den Kampfeinsatz in MaliBild: Reuters

Doch noch ist sich Europa offenbar nicht im Klaren, wie der Beitrag aussehen soll und welche Rolle die Kampftruppen spielen könnten. General de Rousiers sprach kürzlich von verschiedenen Meinungen vor allem zur "Robustheit von Einsätzen". Die klassischen Truppen für den Kampfeinsatz will man nicht aufgeben, will zusätzlich aber welche, so de Rousiers, "die offener, umfassender sind, um in vielleicht weniger konfliktträchtigen Gegenden eingesetzt zu werden." Wie das künftige Konzept der Battlegroups aussehen soll, darüber wollen die Staats- und Regierungschefs der EU voraussichtlich bei einem Gipfeltreffen im kommenden Dezember entscheiden.