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EU-Entwicklungshilfe im Schatten nationaler Interessen

Mirjam Gehrke28. Januar 2014

Die EU ist der größte Geber in der Entwicklungshilfe. Doch die Mitgliedsstaaten verfolgen oft nationale Interessen. Durch eine bessere Koordinierung könnte viel Geld gespart werden - im Interesse der Partnerländer.

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Bild: AP

Über die Hälfte der weltweiten Entwicklungshilfe stammt aus der EU und ihren Mitgliedsstaaten. Gleichzeitig wirbt die EU damit, als größter Binnenmarkt der Welt ein wichtiger Handelspartner für viele Entwicklungsländer zu sein. In den Genuss von europäischer Hilfe kommen die Partnerländer aber nur, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. "Auf der allgemeinen politischen Ebene hat man sich auf bestimmte Kriterien wie die Wahrung von Demokratie und Menschenrechten weitgehend geeinigt", sagt Pedro Morazán vom Südwind-Institut. Auch bei Fragen nach der Kohärenz von Entwicklungspolitik und Klimaschutzzielen spreche "die EU in den meisten Fällen mit einer Stimme", meint Morazán.

Entwicklungshilfe als Nebenaußenpolitik?

In einer jüngst veröffentlichten Studie zur Wirksamkeit der europäischen Entwicklungszusammenarbeit kommt der Wirtschaftswissenschaftler vom Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene jedoch zu dem Schluss, dass die EU-Mitgliedsstaaten nur wenig Interesse an einer besseren Abstimmung der Entwicklungspolitik hätten. "Vor allem die traditionellen großen Geberländer, zu denen auch Deutschland gehört, betrachten die Entwicklungshilfe als eine Art verlängerten Arm der Außenpolitik, und in ganz vielen Fällen auch der Sicherheitspolitik", so Morazán gegenüber der DW.

Dass das Nebeneinander von bilateraler Entwicklungspolitik und EU-Hilfe zum Aufbau von Parallelstrukturen geführt hat, will Klaus Rudischhauser von der EU-Kommission gar nicht bestreiten. Als stellvertretender Generaldirektor von EuropeAid ist er für die politische und thematische Koordinierung der EU-Entwicklungspolitik zuständig. Und in diesem Bereich gebe es durchaus Fortschritte, sagt Rudischhauser. "Im Planungszeitraum 2014 bis 2020 werden die Mitgliedsstaaten gemeinsame Programme auflegen. Für über 40 Länder bedeutet das, dass nicht mehr jeder Geber sein Programm, und die Kommission zusätzlich ihre eigenen Programme, umsetzen wird. Alle Geberstaaten können sich so besser auf die Entwicklungsstrategie des Partnerlandes einstellen."

Ein Schulkind steht vor einer Wandtafel in einem Klassenzimmer in Äthiopien
Bildung ist eines der zentralen Ziele der europäischen EntwicklungspolitikBild: picture-alliance/dpa

Bessere Koordination - bessere Wirksamkeit

Im Idealfall profitieren die Partnerländer von dieser neuen Strategie, weil sich der bürokratische Aufwand reduziert. Das Nebeneinander von bilateraler und EU-Hilfe hätte viele Länder in der Vergangenheit überfordert, fasst Pedro Morazán seine Beobachtungen zusammen. "Für die Regierungen in Vietnam oder in Indien beispielsweise war es ein großer Aufwand, wenn sie für unterschiedliche Geber unterschiedliche Anforderungen erfüllen mussten. So viel Personal haben diese Länder nicht." Und auch die EU könnte mehrere Milliarden Euro einsparen.

Auf der anderen Seite würde eine besser koordinierte Entwicklungspolitik auch die Position der EU gegenüber den Partnerländern stärken, besonders, wenn es um gute Regierungsführung und die Stärkung der Demokratie gehe. Denn viele Empfängerländer hätten gegenüber den Gebern bislang nach dem Prinzip "divide et impera" gehandelt. Nach dem Motto, "je mehr Geber wir haben, desto mehr Zugeständnisse können wir verlangen und desto schwächer sind die Bedingungen der Geber beim Thema Menschenrechte und wirtschaftliche Stabilität", bringt Morazán es auf den Punkt.

Eine Frau gibt ihre Stimme bei der Parlamentswahl in Mali ab
Demokratie und gute Regierungsführung sind Voraussetzung für EU-HilfenBild: Habibou Kouyate/AFP/Getty Images

Konkurrenz mit neuen Gebern

Wichtig wird ein einheitliches Auftreten der EU auch angesichts neuer Geberländer, die ihre eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen verfolgen. Denn, so Klaus Rudischhauser, insgesamt verfolge Europa "nicht so offensiv wirtschaftliche Interessen wie einige der neu auftauchenden Geber wie China, Indien, Brasilien und Saudi-Arabien, die zum Teil sehr viel deutlicher politische und wirtschaftliche Interessen mit der Entwicklungshilfe verknüpfen." Dem pflichtet der EU-Parlamentareier Neuser bei: "Wenn China irgendwo sehr viel in Infrastruktur investiert, sollte die EU diesen Bereich China überlassen und wir sollten uns in den Bereichen Bildung, Gesundheitswesen, etc. engagieren." Der SPD-Politiker gehört dem Entwicklungsausschuss des Europaparlamentes an.

Die offizielle Parole lautet also: Besinnung auf die Kernziele der europäischen Entwicklungspolitik - Armutsbekämpfung, Ernährungssicherung und Demokratieförderung. So sei es auch zu erklären, dass Myanmar seit der politischen Öffnung im vergangenen Jahr in den Fokus der EU-Kooperation geraten sei, betont Klaus Rudischhauser. "In Myanmar wollen alle helfen, weil die Situation sich geändert hat." Das Auswärtige Amt begründet das Interesse an Myanmar anders. Dank seiner Erdgasvorräte sowie seines Rohstoffreichtums sei das wirtschaftliche Potenzial des Landes enorm. Und an dem Punkt schließt sich der Kreis: "Europa hat ein Interesse, dass sich unsere Partnerländer entwickeln, weil sie dann interessante Handelspartner werden", sagt Rudischhauser und verweist auf die Entwicklung in Lateinamerika und einzelnen asiatischen Ländern.

Klaus Rudischhauser Europäische Kommission Generaldirektion Entwicklung
Klaus Rudischhauser sieht Fortschritte bei der Koordinierung der EU-EntwicklungspolitikBild: DW/M. Gehrke