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Politik

Mit Wanderbäumen gegen Luftverschmutzung

Carsten Grün
15. Mai 2018

Die Stadt Bottrop, bekannt für die letzte Steinkohlenzeche im Ruhrgebiet, bemüht sich seit Jahren um ein besseres Stadtklima. Nun ist die Kommune Teil eines großangelegten europäischen Forschungsprojekts.

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Deutschland Blick auf die  Industrielandschaft Prosper bei Bottrop
Industrielandschaft Prosper bei BottropBild: picture-alliance/blickwinkel/S. Ziese

An ausgewählten Straßenecken im Bottroper Stadtgebiet stehen sie in Kübeln: Bis zu acht Meter hohe Wanderbäume - Ahorn, Kirsche, Feldahorn und Amber. Was für den Betrachter wie die willkürliche Begrünung der Innenstadt wirkt, ist Teil eines wissenschaftlichen Projektes. "Wir sind so etwas wie das Reallabor der TU Dortmund", sagt Tilman Christian, Sachgebietsleiter des Fachbereichs Klimagerechtigkeit bei der Stadt Bottrop und Geograf.

Die Technische Universität in Dortmund, rund 35 Kilometer von Bottrop entfernt, ist Teil des Projekts "iSCAPE". "iSCAPE" ist die Abkürzung für "Improving the Smart Control of Air Pollution in Europe". Kurz gesagt geht es um die Luftverbesserung in europäischen Ballungsräumen. Das von der EU geförderte Forschungs- und Innovationsprojekt ist auf drei Jahre angelegt. Es läuft im Rahmen des EU-Förderprogramms Horizont 2020.

Wissenschaft - Kommune - Bürger

Ziel der Forscher ist es, mehr Informationen zum Thema Luftqualität zu sammeln, und schlussendlich Strategien zu entwickeln, um die Luftverschmutzung zu reduzieren. "Wir haben ein Klimaanpassungskonzept für die Innenstadt entwickelt. Es wurde erst der Ist-Zustand aufgenommen, dann wurde errechnet, was durch den Klimawandel auf uns zukommt und erst dann wurde überlegt, welche Bäume ausgewählt werden müssen, um das jetzige Temperaturniveau zu halten", sagt Tilman Christian.

Wanderbäume in Bottrop
Wanderbäume im Bottroper StadtzentrumBild: DW/C. Grün

Wichtiger Bestandteil des Projektes ist die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Kommunen und Bürgern. "Die Bürgerbeteiligung ist uns wichtig. Wir wollen für das Thema Luftverschmutzung und Mikroklima sensibilisieren. Wir haben eine lange Erfahrung hier in Bottrop damit, mehr als andere Projektstädte. In Workshops, die zweimal jährlich stattfinden, geben wir unser Wissen und unsere Erfahrungen weiter. So waren wir gerade erst in Bologna zum Austausch", führt Tilman Christian weiter aus.

Die Einbindung der Bürger bedeutet auch, dass Aufgaben an diese abgegeben werden. Die Bäume stehen in Kübeln. Das heißt, es muss sich auch gerade im Sommer jemand darum kümmern, sie zu gießen. Regelmäßig lädt die Stadt interessierte Bürger ein, sich an solchen Projekten zu beteiligen. Die Ergebnisse fließen anschließend in die Planungen der Bottroper Wohnquartiere ein.

Sechs Reallabore in der EU

Bottrop ist eines von sechs Reallaboren des EU-Projektes. In Bologna, Dublin, Guildford (Großbritannien), Hasselt (Belgien) und Vantaa (Finnland) laufen ähnliche Initiativen, die alle wissenschaftlich begleitet werden. Während in Guildford zum Beispiel der Einfluss von gepflanzten Hecken untersucht wird, befassen sich die Forscher im belgischen Hasselt mit dem Bewegungsverhalten. "Dort wurde eine Mobilitätsapp entwickelt, die den Bürgern den klimafreundlichsten Weg durch die Stadt zeigt", sagt Carina Christian, Raumplanerin bei der Stadt Bottrop und Mitarbeiterin im Wanderbaumprojekt.

Tilman Christian und Carina Christian von der Stadt Bottrop
Tilman Christian und Carina Christian von der Stadt BottropBild: DW/C. Grün

Für Bottrop wurden 22 Bäume ausgewählt, die an bestimmten Orten aufgestellt wurden. "Wir mussten darauf achten, dass Platz für die Bäume da ist. Jeder Baum nimmt einen Parkplatz weg. In einer Stadt wie Bottrop, mit hohem Pendleraufkommen, ist das schwierig. Dann musste darauf geachtet werden, dass die Bürgersteige breit genug sind", erklärt Tilman Christian. Zudem war es wichtig, Bäume auszuwählen, die nicht giftig sind, zu groß werden könnten oder zu viel Obst oder Laub produzieren. Außerdem mussten sie unempfindlich sein. Die Insektenfreundlichkeit der Bäume war ein weiteres Kriterium, das Bürgern wichtig war, erzählt Tilman Christian weiter. In Zeiten des Bienensterbens sicherlich eine Argument, dem sich die Verantwortlichen nicht verschließen konnten.

Sensoren liefern Daten

In den Straßen, in denen Bäume platziert wurden, hat die TU Dortmund Sensormessgeräte installiert, anhand derer Daten erhoben werden können. Auf diese Weise können Luftverschmutzung, Temperatur, Feinstaub und sogar Lärm gemessen werden. Die Sensortechnik wird auf Fensterbänken, Laternen oder an Häusern aufgestellt, erklärt Carina Christian.

Um Veränderungen der Belastung festzustellen, wird eine Vorher-Nachher-Untersuchung durchgeführt. "Es ist unsere Hoffnung, dass sich die Luftqualität in Straßen mit Wanderbäumen deutlich verbessert und dass man einen deutlichen Unterschied sieht", sagt Carina Christian. Die Ergebnisse der dreijährigen Untersuchung können Hinweise auf die künftige Planung von Neubaugebieten geben. So kann der Begrünungsplan der zu bebauenden Flächen auf solche Daten zurückgreifen.

Nach Abschluss des dreijährigen Projektes werden die Bäume dann eingepflanzt. Auch hier sind die Bürger wieder gefragt. "Aufgrund des Platzmangels in Bottrop ist es immer gut, wenn sich Bürger melden und zustimmen, dass einer der Bäume in ihren Vorgarten eingepflanzt wird", sagt Tilman Christian. Bis dahin sind es allerdings noch rund anderthalb Jahre.