1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EU-Gipfel beschließt Kurskorrekturen

Anke Hagedorn, Brüssel24. März 2005

Die EU-Staaten haben auf ihrem Frühjahrsgipfel Abschied genommen vom Ziel, bis 2010 zur stärksten Wirtschaftsregion der Welt zu werden. Die magere Halbzeitbilanz der Lissabon-Strategie wurde mit netten Worten überdeckt.

https://p.dw.com/p/6PKr
Im Zentrum der Aufmerksamkeit: Der EU-GipfelBild: European Community, 2005

Der Gipfel stand ganz im Zeichen der Einigkeit und Harmonie. Dabei hatten mit der Reform des Stabilitätspaktes und der so genannten Lissabon-Strategie durchaus haarige Themen auf der Tagesordnung gestanden, doch die EU-Staats- und Regierungschefs einigten sich ungewöhnlich schnell. Entsprechend positiv äußerte sich denn auch zum Abschluss des Treffens EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. "Ich bin sehr zufrieden mit den Ergebnissen dieses Gipfels. Und ich möchte die luxemburgische Ratspräsidentschaft beglückwünschen, dass sie es mit ihrer Kompetenz und ihrem europäischen Engagement möglich gemacht hat, in so kurzer Zeit diese Ergebnisse zu erzielen", sagte Barroso.

Stabilitätspakt

Der EU-Stabilitätspakt wurde entsprechend einem Vorschlag der Finanzminister gelockert. Bundesfinanzminister Hans Eichel setzte sich dabei mit seinen Forderungen auf ganzer Linie durch. Danach wird dem dreifachen Defizit-Sünder Deutschland eine weitere Gnadenfrist eingeräumt. Bei Verstößen gegen den Pakt können ab sofort die Milliarden-Kosten für den Aufbau Ost und die deutschen Netto-Zahlungen an die EU als mildernde Umstände angeführt werden. Damit würde der Stabilitätspakt vollends ausgehöhlt, hatte die Opposition in Deutschland wiederholt kritisiert. Bundeskanzler Schröder wies die Kritik zurück: "Ich weise darauf hin, dass der Beschluss zum Stabilitäts- und Wachstumspakt von 25 Ministerpräsidenten getroffen worden ist, nämlich einstimmig getroffen worden ist. Und die größere Zahl der Ministerpräsidenten, die diesen Beschluss ausdrücklich gewürdigt haben, sind gestandene Konservative. Das sollte man nicht übersehen", sagte Schröder in Brüssel.

Einen Zusammenhang mit der Lockerung des Stabilitätspaktes und der Erhöhung der EU-Ausgaben wies Schröder jedoch entschieden zurück. Deutschland hält weiter an der Forderung nach einer strikten Begrenzung auf ein Prozent des Brutto-National-Einkommens der Union fest.

Lissabon-Strategie

EU-Gipfel 2005 Gruppenfoto
Brüsseler EinigkeitBild: AP

Der zweite wichtige Punkt auf der Tagesordnung in Brüssel war die Reform der so genannten Lissabon-Strategie. Dass das vor fünf Jahren vereinbarte Ziel, die Europäische Union 2010 zur weltweit stärksten Wirtschaftsmacht avancieren zu lassen, nicht mehr zu erreichen ist, war allen Gipfel-Teilnehmern klar. Sie vereinbarten, dass die Mitgliedstaaten stattdessen nationale Reform-Programme entwerfen sollten, die ihren jeweiligen Bedürfnissen gerecht werden. EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker definierte die Hauptziele: Aus Wissen und Innovation die wahren Motoren des Wachstums zu machen, aus Europa einen attraktiven Standort für Firmen und Arbeitende und aus Wachstum und Beschäftigung die Motoren des sozialen Zusammenhalts zu machen.

Dienstleistungsrichtlinie

Besonders umstritten im Rahmen der Lissabon-Strategie war im Vorfeld des Gipfels die so genannte Dienstleistungsrichtlinie. Die Staats- und Regierungschefs sprachen sich generell für eine Öffnung des Dienstleistungsmarktes aus. Sie machten aber deutlich, dass dabei auch Sozialstandards berücksichtigt werden müssten. Allen voran Deutschland und Frankreich hatten heftige Kritik am Vorschlag der Kommission geübt, wonach für Dienstleister in anderen EU-Ländern die Sozialstandards und Löhne ihres Herkunftslandes gelten sollen. Das, so die Befürchtung, könne zu einem Lohn- und Sozialdumping in Europa führen. Die Gipfelteilnehmer einigten sich darauf, dass die Dienstleistungs-Richtlinie grundlegend überarbeitet werden müsse. Diese Aufgabe wurde dem Europa-Parlament und dem Ministerrat zugewiesen.

EU-Gipfel Proteste Brüssel
Die geplante Dienstleistungsrichtlinie hatte nicht nur unter Politikern für Protest gesorgtBild: AP