1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EU-Gipfel in Moll

Bernd Riegert, Brüssel13. Dezember 2003

Die Staats- und Regierungschefs der demnächst 25 EU-Staaten setzen am Samstag (13.12.) in Brüssel die Beratungen über die EU-Verfassung fort. Noch sind sie einer Einigung über das strittige Thema nicht näher gekommen.

https://p.dw.com/p/4RgR
Polens Premier Miller:<br> Im Rollstuhl zum EU-Crash?Bild: AP


Der kalte Nieselregen draußen spiegelte die Stimmung drinnen im Verhandlungssaal wieder. Die 25 Staats- und Regierungschef der Europäischen Union zelebrieren einen Gipfel in Moll. Von einer zukunftweisenden Verfassungsdebatte war wenig zu hören, eher ging es um Machtfragen und nationalstaatliche Interessen.

Der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker, der sich als Mittler zwischen den 19 kleinen und 6 größeren Staaten versteht, sagte, die Positionen in der Frage des Abstimmungsmodus hätten sich nicht einen Deut bewegt. Polen und Spanien versteiften sich auf den alten Vertrag von Nizza, der ihnen fast das selbe Gewicht einräumt wie dem deutlich größeren Deutschland oder Frankreich.

Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder will von der im Verfassungsentwurf vorgeschlagenen doppelten Mehrheit aus Mitgliederzahl und 60 Prozent der Bevölkerung nicht lassen. Der deutsche Außenminister, Joschka Fischer, warf Polen vor, es wolle das erweiterte Europa auf den Blockade-Mehrheiten bauen, die unter dem alten Vertrag von Nizza möglich wären.

Polens Einstieg: ein totales Veto?

Bundeskanzler Schröder hatte Polen vorgehalten, es könne seine Aufnahme in die Europäische Union im Mai 2004 nicht gleich mit einem totalen Veto beginnen. Der polnische Ministerpräsident Leszek Miller, der nach einem Unfall mit angebrochenen Wirbeln nach Brüssel reiste, blieb unbeeindruckt und sagte, Polen sei ein stolzes Land. Er könne nicht von seiner roten Linie abweichen und hinter das Stimmgewicht zurück, was in Nizza ausgehandelt wurde und die polnische Bevölkerung als Teil des Beitrittsreferendums angenommen habe. Leszek Miller setzt auf den Kompromissvorschlag des italienischen Ratspräsidenten, der am zweiten Gipfeltag auf den Tisch kommen soll:

Der italienische Ministerpräsident spricht inzwischen davon, dass man die Verabschiedung der Verfassung vielleicht ins nächste Jahr verschieben müsse. Besser eine spätere Entscheidung, als jetzt eine schlechte Verfassung, so der italienische Ratsvorsitzende. Außenminister Joschka Fischer zeigte sich skeptisch. Eine Prophezeiung über den Ausgang, sowohl Wann und vor allen Dingen, was wichtiger ist, über das Wie, könne er "zum gegenwärtigen Zeitpunkt beim besten Willen nicht anstellen".

Konzert mit Dissonanzen oder Requiem?

Selbst wenn bis zum Samstagabend (13.12.) oder nach einer Nachtsitzung am Sonntagmorgen (14.12.) ein Durchbruch bei den Machtfragen gelänge, bliebe ein Berg anderer ungelöster Probleme vom Gottesbezug bis zu Steuerfragen. Darauf wies der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker hin:

"Die Frage Stimmengewichtung und Zusammensetzung der Kommission und so weiter deckt eigentlich die anderen Dissenspunkte, die es zuhauf noch gibt, zu. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir die am Ende im Sauseschritt regeln können."

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi versuchte am späten Freitagabend (12.12.) in Einzelgesprächen mit seinen Kollegen die Positionen weich zu klopfen. Am Samstagvormittag wird das bislang dissonante europäische Konzert zur Verfassung fortgesetzt. Es könnte ein Requiem, ein Begräbniszug werden.